In der Ohlauer Straße 24 in Kreuzberg, nahe des Görlitzer Parkes ist ein gefördertes, integratives Wohnbauprojekt geplant, der sogenannte „Campus Ohlauer“. Insgesamt sollen auf dem 3.900 m2 großen Grundstück etwa 120 Wohnungen entstehen, die Geflüchteten, wohnungslosen Frauen mit Kindern, Studierenden und einkommensschwachen Familien dauerhaft kostengünstigen Wohnraum bieten sollen. Im Erdgeschoss sind Gemeinschaftsflächen und Raum für eine öffentliche Bibliothek geplant, sowie ein Fahrradparkplatz in der Tiefgarage. Das inklusive Wohnkonzept soll von einem sozialen Träger umgesetzt werden. Der Bau erfolgt durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft Howoge.
Gerade diejenigen Gruppen, für die in diesem Projekt Wohnraum geschaffen werden soll, sind auf dem explodierenden Berliner Mietmarkt besonders verwundbar. Sie finden in den Innenstadtbezirken keine Wohnungen mehr und werden deshalb am stärksten an den Stadtrand oder darüber hinaus verdrängt. Wenn wir eine Durchmischung der Wohnbevölkerung weiter ermöglichen und Reichen- sowie Armenghettos vermeiden wollen, müssen auch innerhalb des S-Bahn-Ringes solche geschützten Wohnungen erhalten und vor allem auch neu geschaffen werden. Als Grüne befürworten wir deshalb dieses Bauprojekt der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft. Hochpreisige Eigentumswohnungen werden leider viel zu viele am eigentlichen Berliner Bedarf vorbei gebaut. Das Baurecht bietet nahezu keine Interventionsmöglichkeiten, um Investor*innen zum Bau von sozialem Wohnraum zu zwingen. Wohnungen wie sie hier entstehen, benötigt die Stadt dagegen dringend.
Chronik der Anträge und Anfragen zum Thema in der BVV:
November 2015: Im Rahmen des vom Berliner Abgeordnetenhaus eingerichteten Sondervermögens Infrastruktur der Wachsenden Stadt (SIWA) ist für den Programmteil „Experimenteller Geschosswohnungsbau in Berlin“ ein Mittelvolumen von 30 Mio. € eingerichtet worden. Ziel des Programms ist die Förderung von experimentellem und innovativem Bauen im Geschosswohnungsbau. Die SIWA-Fördermittel sollen in Form von Baukostenzuschüssen zur Finanzierung von gut 600 Wohnungen eingesetzt werden. Mit der Teilnahme am Verfahren erklärt der Vorhabenträger sein Einverständnis, über einen Zeitraum von 20 Jahren einen Anteil der in seinem Projekt zu errichtenden Wohnungen zu einem Mietpreis von anfangs 6,50 €/m² Wohnfläche (netto kalt monatlich) an Inhaber*innen von Wohnberechtigungsscheinen zu vermieten. Insgesamt wurden neun Projektbeiträge ausgewählt, u.a. ein Integrationsprojekt in der Ohlauer Straße, welches die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge erarbeitet hat.
November 2015: Mündliche Anfrage (DS/1965/IV) zur Planung des Gewinnerprojektes für einen neuen experimentellen Wohnungsbau in der Ohlauer Straße, den die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kürzlich auswählte. Der Baustadtrat Hans Panhoff antwortet, dass es sich dabei um „ein innovatives Wohnprojekt mit divergierenden Wohnformen“ handle. Geplant sei sozialer Wohnraum mit Wohnformen für Geflüchtete, Student*innen und für wohnungslose Frauen. Die Else-Ury-Bibliothek soll darin als Begegnungs- und Aufenthaltsort integriert werden. Als Pilotprojekt wird weiter eine Fahrradgarage für eine große Anzahl von Fahrradabstellplätzen entwickelt. Konkret seien 42 Sozialwohnungen geplant (107 Plätze für Studierende, 175 Plätze für Flüchtlinge, 15 Plätze für Frauen, 610 m² gemeinschaftliche Nutzung und 440 m² Bibliothek, insgesamt 2.043 m² Brutto-Geschoss-Fläche).
Januar 2016: Mündliche Anfrage (DS/2045/IV) zum Zeitplan, zur Baugenehmigung und zur Bürger*innenbeteiligung. Antwort des BA: Für die Umsetzung ist ein privates Büro im Zusammenarbeit mit der HoWoGe zuständig , Planungsrecht ist der Bebauungsplan VI-A, übergeleitet aus dem Baunutzungsplan 1958/60. Für die Baugenehmigung ist keine Änderung in einen B-Plan erforderlich und es ist eine Bürger*inneninformation geplant.
Januar 2016: Schriftliche Anfrage im Abgeordnetenhaus (DS 17/17778) zur Miethöhe der Wohnungen, die durch die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge errichtet werden sollen, Antwort: Die geförderten Wohnungen sind zur Miethöhe von anfänglich 6,50 €/m² Wohnfläche nettokalt monatlich an Inhaber*innen eines in Berlin gültigen Wohnberechtigungsscheins zu vermieten. Für die geförderten Wohnplätze gilt die dargestellte Mietpreisbindung. Für Wohnungen die von städtischen Wohnungsbaugesellschaften errichtet werden, gelten die Bestimmungen des Wohnraumversorgungsgesetzes.
April 2016: Mündliche Anfrage zum Campus Ohlauer bzgl. der Finanzierung des Projekts aus SIWA-Mitteln, sowie über den Wettbewerbsentwurf (DS/2181/IV). Das Bezirksamt antwortet, dass die Finanzierung aus SIWA-Mitteln steht und der Wettbewerbsentwurf weiterhin gemeinsam mit der HOWOGE realisiert werden soll. Es besteht weiterhin dringender Bedarf für die Schaffung von Gemeinschaftsunterkünften, bezahlbaren Wohnraum und Raum für kommunale Infrastruktur in diesem Teil des Bezirkes.
April 2016: Präsentation im Stadtentwicklungs-Ausschuss des Projektes Campus Ohlauer Straße.
Mai 2016: Bürger*innenversammlung zum Bauprojekt Campus Ohlauer in der Rosa Parks Schule. In der Diskussion richteten sich viele Meinungsäußerungen gar nicht so sehr gegen das Projekt als solches, sondern eher gegen Art und Umfang. Dazu sagten die Stadträtin Jana Borkamp und der Howoge-Vertreter, dass bei weniger Wohnungen oder einer insgesamt anderen Bauweise die günstigen Mieten nicht zu erreichen seien.
Juli 2016: Beteiligungsverfahren zum Campus Ohlauer, erster Workshop (mit Dokumentation) von Stattbau. Der Schwerpunkt des ersten Workshops lag auf der Nutzung der Gemeinschaftsflächen. Neben der Vorstellung des Konzepts zur Nutzung des Hauses hatten Interessierte und Nachbar*innen die Möglichkeit, ihre Ideen, Anregungen und Wünsche für das Projekt zu formulieren und in den weiteren Planungsprozess einzubringen. Dabei wird auch das inklusive Wohnkonzept des Diakonischen Werks Berlin Stadtmitte e.V. erläutert, das als künftiger Betreiber des Neubaus ‚bezahlbaren Wohnraum für alle‘ als Leitbild sieht.
Juli 2016: BVV beschließt den Antrag (DS/2132/IV), der besagt: Das Bezirksamt wird beauftragt „vor Erteilung einer Baugenehmigung die Bevölkerung durch eine öffentliche Veranstaltung über das Vorhaben zu informieren und an der Planung zu beteiligen“.
September 2016: Beteiligungsverfahren zum Campus Ohlauer, zweiter Workshop von Stattbau. Bei der Veranstaltung lag der Schwerpunkt auf Nutzung der Gemeinschaftsflächen, sowie Freiraum und Umwelt. Beim Workshop wurde beim Thema „Verfahren und Gesamtkonzept“ der begonnene Dialog zur Nutzungsmischung und nachbarschaftlichen Einbindung fortgesetzt. Beim Thema Umwelt stand im Fokus der Diskussion die Frage nach adäquaten Kompensationsmaßnahmen für die infolge des Neubaus zu fällenden Bäume. Beim Thema Gestaltung der Freiflächen wünschten sich die Anwesenden im Bereich südlich des Neubaus einen Treffpunkt mit dem Charme eines Stadtplatzes, die öffentliche Grünfläche hinter dem Gebäude sollte möglichst abwechslungsreich und kleinteilig gestaltet werden, Im Gespräch sind Spielgeräte, Baumhaus, Bepflanzung nach dem Motto „Essbarer Bezirk“ und ein begrüntes Dach mit Bienenstöcken.
März 2017: Mündliche Anfrage zum aktuellen Stand Campus Ohlauer (DS/0159/V), auf die das Bezirksamt ausführt: „Der Bauantrag befindet sich im rechtlich vorgegebenen Rahmen des Genehmigungsverfahrens. Derzeit gibt es aber sowohl bauordnungsrechtliche als auch bauplanungsrechtliche Abweichungen, die einer Genehmigung entgegenstehen. Demnach muss der eingereichte Entwurf noch einmal grundsätzlich überarbeitet werden.“
Juli 2017: Der Antrag zur Ohlauer Straße (DS/0327/V) wird in der Juli-BVV beschlossen, der Wortlaut ist: „Das Bezirksamt stellt den gestellten Bauantrag der Howoge auf dem Grundstück Ohlauer Str. 12/24 zurück. Parallel sucht das Bezirksamt aktiv das Gespräch mit der Howoge sowie mit der für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen und der Arbeitsgruppe Ohlauer Campus mit dem Ziel, in die aktuelle Planung der Howoge maßgebliche Inhalte der vorliegenden alternativen Planung der Arbeitsgruppe Ohlauer Straße einfließen zu lassen. Bei den Neuplanungen ist der Standort der Sporthalle zu sichern und die Bedarfe eines Bibliothekstandortes mitzudenken. Das Bezirksamt setzt sich also dafür ein, dass sowohl die Errichtung von 130 Wohnungen für die von der Howoge geplanten Zwecke als auch der größtmögliche Erhalt des zentralen Schulhofes der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule umgesetzt wird. Der Fortbestand des Gesamtprojektes muss zu jeder Zeit gewährleistet sein.“
Oktober 2017: Das Bezirksamt informiert in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, dass der Bauantrag für den Campus Ohlauer, den die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge gestellt hat, nach mehreren Überarbeitungen genehmigt wurde. Der dringend benötigte Wohnraum für Geflüchtete, einkommensschwache Familien, wohnungslose Frauen mit Kindern und Studierende durch die städtische Howoge kann damit geschaffen werden.