Die Debatte über die Zukunft unserer sozialen Sicherungssysteme ist in vollem Gange. Am 8. September fand im Ernst-Reuter-Haus auf Einladung der Landesverbände Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern eine Regionalkonferenz zum Thema statt.
Die Arbeit der Kommission des Bundesvorstands neigt sich dem Ende entgegen. Es wird einen Abschlussbericht geben, der drei Elemente enthält: einen gemeinsamen Grundlagenbericht und zwei Umsetzungsvorschläge. Einen der Harz IV weiterentwickelt und einen, der die Idee des Grundeinkommens aufnimmt und hieraus ein umsetzbares Konzept vorschlägt.
In den Diskussionen in der Partei wird jedoch immer deutlicher: Ohne Systemwechsel werden wir unsere gemeinsamen Ziele nicht erreichen! Wir alle wollen endlich einen individuellen Anspruch auf Existenzsicherung, bessere Zuverdienstmöglichkeiten und eine Erhöhung der Regelleistung auf ein armutsfestes Niveau haben. Dazu ist eine Bildungsreform längst überfällig, denn Teilhabe basiert sowohl auf Bildung als auch auf einer materiellen Existenzsicherung. Diese beiden Elemente widersprechen sich nicht, sie bedingen einander!
Die GrundsicherungsbefürworterInnen kämpfen bis heute mit der Umsetzung. Schon die Erhöhung des Regelsatzes von Harz IV auf 420 Euro erhöht die Zahl der Leistungsberechtigten um etwa 2,5 Millionen Menschen. Bei individuellem Anspruch und einer Verbesserung der Zuverdienstmöglichkeiten droht die Zahl der Leistungsberechtigten gar auf über 10 Millionen zu steigen. Selbst mit einer Verbesserung von vorgelagerten Leistungen (z.B. Kindergrundsicherung) ist dieses Problem kaum in den Griff zu bekommen. So wundert es kaum, dass bisher noch kein seriöses Konzept für eine Grundsicherung vorliegt.
Im Gegenteil dazu werden immer mehr Grundeinkommensmodelle in den Ring geworfen. So hat zuletzt Gerhard Schick mit seinem „modularen Grundeinkommen“ Schwung in die Debatte gebracht. Statt immer nur das Gesamtpaket zu betrachten schlägt er vor, die einzelnen Lebensphasen einzeln zu betrachten. Grundeinkommenskonzepte für die einzelnen Lebensphasen sind leichter zu überschauen und machen trotzdem Sinn! So kann z.B. mit einem Grundeinkommen für Kinder und Jugendliche oder RentnerInnen begonnen werden.
Deshalb wurde das Modell von Manuel Emmler und Thomas Poreski inzwischen noch einmal überarbeitet und bietet einen umsetzbaren Vorschlag. So soll mit einem bedingungslosen Sockel von 500 Euro allen BürgerInnen eine unbürokratische Lebensgrundlage gegeben werden. Bei Erhalt der bisherigen Leistungen in besonderen Lebenslagen und eines bedarfsgeprüften Wohngeldes würde damit die Situation von Menschen mit geringem Einkommen und Mehrpersonenhaushalte – insbesondere solche mit Kindern, welche nach diesem Modell 400 Euro erhielten – deutlich verbessert. Die Zahl der Menschen, deren Bedarf noch geprüft werden müsste, würde sich so deutlich verringern und gerade die verdeckte Armut würde wirksam bekämpft.
Mensch darf gespannt sein, welche Modelle und Ideen in der nächsten Zeit noch präsentiert werden. Die beiden genannten Ideen, Sockelgrundeinkommen (mit bedarfsgeprüften Zusatzleistungen) und Grundeinkommen für einzelne Lebensphasen (z.B. Kindergrundeinkommen), sind es aber wert, auf ihre Umsetzbarkeit überprüft zu werden!
Lebhafte Diskussion auf der Regionalkonferenz in Berlin
Am 8.September trafen sich rund 200 Interessierte im Ernst-Reuter Haus zu einer Regionalkonferenz, um über die Umgestaltung der sozialen Sicherungssysteme zu diskutieren. Eingeladen hatten dazu die Landesverbände BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.
Nach einem Einführungsvortrag von Prof. Dr. Michael Opielka, der einen gelungenen Einstieg in die Diskussion gab, wurde die Frage von Teilhabe und Existenzsicherung mit Astrid Rothe-Beinlich, Brigitte Pothmer und Prof. Dr. Michael Opielka diskutiert. Dabei wurde im Publikum ein großer Diskussionsbedarf deutlich. Dieser mündete dann in sechs Foren zu verschiedenen Themen. Die Vorstellung der Diskussionsergebnisse zeigte bei den Zielen viele Übereinstimmungen. Das „neue System“ soll armutsfest sein, allen einen individuellen Anspruch auf Leistungen bieten, die Zuverdienstmöglichkeiten verbessern und die Teilhabe jedes einzelnen sichern. Ergänzende Verbesserungen im Bildungsbereich sind sowieso unabdingbar!
Der Weg dahin wurde heiß diskutiert. Während die einen eine Weiterentwicklung der bisherigen Systeme wollten, meinten andere, dass bei Umsetzung all der genannten Ziele die Zahl der LeistungsempfängerInnen im bisherigen System explodieren würde. In seinem Schlusswort machte Reinhard Bütikofer deutlich, dass er sich trotz der Ablehnung eines Grundeinkommens viele Möglichkeiten vorstellen könnte. So könnten Grundeinkommenselemente oder ein Kindergrundeinkommen ein gemeinsamer Weg sein.
Stefan Ziller, MdA für Marzahn-Hellersdorf.
Infos zur Grundeinkommensdebatte:
www.stefan-ziller.de
www.unternimm-die-zukunft.de
www.grundeinkommen.info/
www.archiv-grundeinkommen.de
zukunft-grundeinkommen.de