Als Gruppe von ukrainischen und grünen Berliner*innen, wollen wir ukrainische und deutsche Bürger*innen miteinander und mit der Politik vernetzen. Der Fokus unserer Arbeitsgemeinschaft (AG) liegt nicht auf vertikaler „Ukraine-Hilfe“, sondern auf partnerschaftlicher Kooperation. Wir treffen uns an jedem 4. Mittwoch im Monat öffentlich um 19 Uhr im Igelbau und freuen uns über euren Besuch.
Nach ihrer zweiten Unabhängigkeit im Jahr 1991 hat die ukrainische Gesellschaft ihre Demokratie mehrfach erfolgreich verteidigt – zunächst in der Orangenen Revolution im Jahr 2004 und zuletzt auf dem Euromaidan im Jahr 2014. Seitdem kämpfen Ukrainer*innen auch militärisch gegen den russischen Faschismus. Wir möchten von ihren Erfahrungen lernen und gemeinsam herausfinden, wie wir unseren Bezirk, unsere Stadtgesellschaft, und unsere Demokratie widerstandsfähiger machen können.
Wie viel Ukraine steckt in Friedrichshain-Kreuzberg?
Laut Statista (Stand: 9.5.2025) ist die ukrainische Gemeinschaft mit 76.420 Menschen nach der türkischen die zweitgrößte kulturelle Minderheit in Berlin. Hinzu kommen ca. 13.000 Ukrainer*innen mit deutschem Pass. Obwohl die meisten erst seit 2022 hier sind, beherrschen viele bereits Deutsch als Fremdsprache. Auch in unserem Bezirk leben viele Ukrainer*innen. Sie haben hier Unternehmen und Kulturorte gegründet, wie beispielsweise die Bar „Space Meduza“ in der Skalitzer Straße 80, in der sich die ukrainische Künstler- und Aktivist*innenszene trifft. Oder der Verein „Vitsche e.V.“, der sich dafür einsetzt, russischer Desinformation und hybrider Kriegsführung entgegenzutreten und eine dekoloniale Perspektive auf ukrainische Geschichte zu fördern. Der Begriff ‚Dekolonial‘ thematisiert den imperialen Charakter Russlands und die brutalen Methoden, mit denen Moskau seit Jahrhunderten die nationalen und kulturellen Identitäten nichtrussischer Völker unterdrückt und ihnen ihre Selbstbestimmung abspricht.
Viele weitere „Ukrainische Orte in Berlin“ kannst Du auf der Karte unter
https://ukrainet.eu/wp-content/uploads/2025/02/Ukrainische-Orte-in-Berlin_Die-Karte_2025.pdf
entdecken.
Russische Sprache kann Ukrainer*innen retraumatisieren
Lehrkräfte an Berliner Schulen sprechen mit ukrainischen Schüler*innen oft ungefragt Russisch. Das kann Kinder und Jugendliche traumatisieren, die vor russischen Soldaten nach Deutschland geflohen sind. Zudem ist Russisch für viele Jugendliche tatsächlich nicht die Muttersprache. Aus Erfahrungen z.B. mit der kurdischen Minderheit wissen wir, dass Kinder und Jugendliche, deren Muttersprache nicht gefördert wird, es schwerer haben, eine zweite Sprache zu lernen. Deshalb gibt es seit 2017 eine ukrainischsprachige Samstagsschule. Diese ehrenamtliche Initiative bietet derzeit Unterricht für 15 Klassen mit ca. 230 Schüler*innen. Räumlichkeiten fehlen aktuell, weshalb die Initiative nach einer Schule sucht, die ihr Gebäude am Wochenende zur Verfügung stellen könnte.
Auch erwachsene Ukrainer*innen werden bei Behördengängen oft mit der russischen Sprache konfrontiert, etwa durch russische Dolmetscher*innen. Die Behörden sind noch nicht dafür sensibilisiert, dass die russische Sprache für viele Ukrainer*innen mit Traumata verbunden ist. Es ist wichtig, dass ukrainische Kinder und ihre Eltern, die vor russischer Gewalt nach Berlin geflohen sind, in unserer Stadt nicht erneut russischer Gewalt in Form von Sprache ausgesetzt sind.
Diskriminierungserfahrungen in Ämtern
Exemplarisch für Diskriminierungserfahrungen bei Behörden ist ein Vorfall, von dem eine türkischstämmige Dolmetscherin bei einer Konferenz berichtete. Sie schilderte den Fall einer ausgebildeten Erzieherin, die sich im Jobcenter auf Stellen in Berliner Kitas bewarb. Während eines Termins habe eine Russisch-Dolmetscherin vor Ort zur deutschen Sachbearbeiterin gesagt: „Ukrainische Frauen putzen gerne.“ Obwohl die berichtende Dolmetscherin ihre Arbeit unterbrach und fragte, warum sich die Dolmetscherin derart diskriminierend verhalte, wurde der Vorfall vom Jobcenter nicht aufgearbeitet.
Gemeinsam mit der Allianz Ukrainischer Organisationen setzt sich unsere AG dafür ein, dass Diskriminierungserfahrungen in Aufnahmezentren, Geflüchtetenunterkünften, Behörden, Schulen und Kitas systematisch erfasst und ausgewertet werden. Gleichzeitig arbeiten wir daran, Ideen für die politische Umsetzung einer unabhängigen, barrierefreien und ukrainischsprachigen Antidiskriminierungsberatung zu entwickeln.
Wie kann echte Kooperation aussehen?
Prof. Yuliya Shtaltovna eröffnete unser erstes AG-Treffen mit einem Vortrag darüber was Deutschland und auch die Grüne Partei von Ukrainer*innen lernen und welche Chancen sich aus einem partnerschaftlichen Austausch ergeben können. Damit gab sie einen wichtigen Impuls für einen viel zu selten unternommenen Perspektivwechsel, der leitend für die Arbeit unserer AG ist. Ihr Vortrag basierte auf ihrem sehr lesenswerten Essay What the world could learn from Ukraine (Original in englischer Sprache). Wenn du mehr erfahren möchtest, komm gerne zu unserem nächsten Treffen oder schreibe uns unter info@gruene-xhain.de.
