Artikel über bevorstehende Wohnungsverkäufe der WBM-Töchter von Dirk Behrendt im Stachel

Rot-Rot patzt bei der Sanierung der städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Fünf Jahre lang passierte nicht viel und ein tragfähiges Konzept -obwohl vollmundig versprochen – ist weit und breit nicht erkennbar.

Im Februar schreckten die Friedrichshainer und Kreuzberger Mieter der BeWoGe und der WBF auf. Die WBM (Wohnungsbaugesellschaft Mitte, der Mutterkonzern) stand vor der Pleite und sollte sich kurzfristig von 15.700 Wohnungen trennen. Verkauft werden sollten vor allem Wohnungen außerhalb Mittes, Kreuzbergs und Friedrichshains. Dort sind allerdings nur ca. 3.500 Wohnungen in ihrem Besitz. Also hätten auch Wohnungen der Töchter WBF und BeWoGe in Friedrichshain und Kreuzberg veräußert werden müssen, um diese Zahl zu erreichen. Der Senat erkannte jedoch die Brisanz des Themas für die Wahlen im September und lenkte Anfang März ein. Ein Verkauf in dieser Größenordnung sollte vor der Wahl nicht mehr stattfinden und in diesem Jahr nur 3.000 Wohnungen veräußert werden. Vor der Wahl voraussichtlich keine einzige. Die SPD-Kandidatin für Friedrichshain-Kreuzberg, Bausenatorin Junge-Reyer setzte sich allerdings zusammen mit Finanzsenator Sarrazin bis zuletzt für den weitergehenden Verkauf ein, da sonst die Pleite nicht abzuwenden sei.

Jahrelange Misswirtschaft

Nachdem die WBM bereits vor zwei Jahren mit ihrer Absicht, 23 Häuser im Waldekiez zu verkaufen, erhebliche Unruhe bei den Mietern auslöste (der Stachel berichtete), gehen die neuen Pläne aus diesem Winter wesentlich weiter. Betroffen ist der gesamte Wohnungsbestand der WBMTöchter BeWoGe und WBF in Friedrichshain und Kreuzberg. Die WBM-Gruppe, die insgesamt noch rund 27.000 Wohnungen im eigenen Bestand hält, ist enorm verschuldet. So steht sie mit 1,2 Milliarden Euro im Minus, wofür jährlich 56 Millionen Euro Zinsen gezahlt werden müssen. Und dass, obwohl im letzten Jahr bereits 7.000 Wohnungen verkauft wurden. Die Schieflage der WBM haben SPDVertreter über Jahre verschwiegen, obgleich sie als Aufsichtsräte über die Situation informiert waren. Im Aufsichtsrat waren für die Kontrolle unter anderen Senatsbaudirektor Stimmann (SPD), Mittes Bürgermeister Joachim Zeller (CDU) und der ehemalige Staatsekretär Bielka (SPD) verantwortlich. Finanzsenator Sarrazin (SPD) offenbarte bei den Haushaltsberatungen im letzten Jahr erstmals die Notwendigkeit 8-10.000 Wohnungen zu veräußern, um die Gesellschaft zu retten. Die Schieflage stammt einerseits aus den finanziell aus dem Ruder gelaufenen Projekten „Haus des Lehrers“, „Kongresshalle“ und „Rathauspassagen“. Ersteres steht fast vollständig leer und bei letzterem ist der größte Mieter – WalMart – kurzfristig abgesprungen. Andererseits wurden sogenannte ´sale and lease back´-Verträge abgeschlossen, die jährlich Millionenverluste verursachen. Besonders abenteuerlich erscheinen die Verträge zum Russischen Haus. Von einer Pleite der WBM wäre auch die Bankgesellschaft Berlin betroffen, denn sie gehört zu den großen Kreditgebern. Hier schließt sich somit wieder einmal der bekannte Berliner Kreis aus Inkompetenz, Verantwortungslosigkeit und Abwälzung der verursachten Kosten auf den Berliner Steuerzahler. Es drängt sich der Eindruck auf, dass einige Verantwortliche aus dem Desaster um die Bankgesellschaft noch immer nicht die notwendigen Lehren gezogen haben.

Schlimme Folgen für die MieterInnen

Werden einzelne Wohnungen oder ganze Gesellschaften an Private veräußert, drohen für die Mieter etliche Verschlechterungen. Zwar bleiben die Mietverträge sämtlich und unverändert erhalten. Weil aber der private Investoren das eingesetzte Kapital schnell zurück erhalten will und die Verzinsung des Kapitals Vorrang hat, werden die guten Wohnungen schnell weiter veräußert. Der zunächst zwischen Verkäufer und Erwerber vereinbarte Mieterschutz wird dabei zum Teil mit dem neuen Erwerber nicht wieder vereinbart. Bei den weiteren Wohnungen wird die Miete oft bis an die Grenze des rechtlich zulässigen angehoben und es werden teilweise unsinnige Modernisierungen durchgeführt. Diese ermöglichen dann weitere Mieterhöhungen. Auch steigt regelmäßig – wie von den Mietern der GSW (Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnbaugesellschaft; Eigentümer: US-Investmentgesellschaft Cerberus und Whitehall-Fond von Goldman Sachs) berichtet – der Druck auf die Mieter, ihre Wohnungen aufzugeben, weil ein Neuvertrag weitere Mieterhöhungen und jeder Auszug leichtere Weiterverkäufe ermöglicht. Politisch ist deshalb bei jedem Verkauf zu fordern, dass die MieterInnenrechte gesichert werden. Hierzu bedarf es Mietvertragsergänzungen für die MieterInnen mit unbefristetem Schutz vor Eigenbedarfsklagen und der Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB) sowie dem Schutz vor überzogenen Modernisierungen und eines verlängerten Vorkaufsrechts. Zwar wird den Mietern in der Regel ein Vorkaufsrecht eingeräumt, das heißt sie können ihre Wohnung selbst kaufen. Sie müssen sich aber binnen häufig kürzester Frist zum Kauf entscheiden. Nun ist die Entscheidung eine Wohnung zu kaufen, allerdings nichts was innerhalb von vier Wochen entschieden werden kann. Der größte Teil der Mieter ist zudem hierzu finanziell nicht in der Lage. Auch die Sicherung der Kaution muss vom alten Vermieter bestätigt werden, damit sie für den Fall der nicht auszuschließenden Insolvenz nicht verloren gehen kann. Ein großes Problem sind die Umbauten, welche die Mieter selbst vornahmen und hierfür nur mündliche Genehmigungen hatten. Solche lassen sich gegenüber einem neuen Eigentümer in der Regel nur schwer beweisen. Im schlimmsten Fall sind sie bei einem Auszug vollständig zurück-zubauen. Für die Gesamtsituation des Wohnungsmarktes bedeutet ein Verkauf, dass günstiger Wohnraum noch knapper wird und die vorhandenen Bemühungen der städtischen Gesellschaften, auch finanziell schwächere Mieter zu halten, aufgegeben werden. Schließlich kann von privaten Investoren, insbesondere amerikanischen Rentenfonds eine soziale Rücksichtnahme kaum erwartet werden.

WBM – kein Einzelfall

Insgesamt sind die Berliner städtischen Wohnungsbaugesellschaften durch jahrelange Misswirtschaft in die Schieflage geraten. So haben sie, nach den Angaben aus der Finanzverwaltung, Schulden von 8,5 Milliarden Euro angehäuft. Diese entstanden unter anderem durch die von der Finanzsenatorin der 90´er Jahre, Fugmann- Heesing (SPD) verlangten In- Sich-Geschäfte, bei denen eine Wohnungsbaugesellschaft eine andere kaufen musste. Als die WBM die BeWoGe erwarben warnte selbst die amtierende Geschäftsführung, dass sie eigene Grundstücke würde beleihen müssen, um den schlechten Kauf zu verkraften. Die bereits in großem Umfang getätigten Verkäufe von ganzen Gesellschaften und Wohnungen haben wenig Abhilfe geschaffen. Der gesamte kommunale Wohnungsbestand Berlins schrumpfte durch Verkäufe bereits von rund 450.000 im Jahr 1999 auf nunmehr 277.000 Wohnungen. Eine Besserung der finanziellen Lage trat allerdings nicht ein. Insgesamt ist die rot-rot Wohnungspolitik der letzten fünf Jahr nur als gescheitert zu beurteilen. Selbst der wohnungsbaupolitische Sprecher einer Regierungsfraktion bezeichnet in einer Stellungnahme aus dem April 2006 die letzten Jahre als „verlorene Jahre“. Der Verkauf der 72.000 Wohnungen der GSW und weiterer 42.000 Wohnungen in der laufenden Legislatur habe nicht zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Stabilisierung geführt und bis heute fehle eine schlüssige Gesamtstrategie des Landes Berlin für die verbliebenen Wohnungen. Es bleibt also für die nächsten Jahre wohnungspolitisch viel zu tun. Dabei setzen sich Bündnis´90/Die Grünen dafür ein, in allen Bezirken ein angemessenes Mindestkontingent an städtischen Wohnungen mit Vorortbewirtschaftung zu sichern. Weitere Privatisierungen ganzer Gesellschaften sollen nicht zuletzt wegen der schlechten Erfahrungen mit dem Verkauf von GSW und Gehag unterbleiben. Vorzuziehen sind dezentrale Wohnungs- und Siedlungsprivatisierungen und Ausgründungen in Genossenschaften.

Weitere Informationen für Betroffene: www.berliner-mieterverein.de; www.bmgev.de

Dirk Behrendt