Willfährig segnete der rot-rote Senat den Wunsch der Eigentümer der GSW nach einem Börsengang ab. Damit würden mehr als 5.000 Wohnungen allein in unserem Bezirk an die Börse gelangen. Nachdem das Abgeordnetenhaus unter großem Zeitdruck mehrheitlich zustimmte, wurde der Börsengang verschoben.

Angesichts des angespannten Wohnungsmarktes drohen mit einem Börsengang steigende Mieten und weitere Verdrängung aus dem Kiez. Die Mieterinnen und Mieter der GSW sind bereits seit der Privatisierung 2004 mit den Praktiken der Finanzinvestoren konfrontiert. Die neuen Eigentümer der GSW haben zwar nur 400 Mio. € für die 50.000 Wohnungen der GSW gezahlt, jedoch seit 2004 über 450 Millionen € aus dem Unternehmen herausgezogen.

Wo bleibt der Mieterschutz?

Die rot-rote Koalition betont, dass in Verhandlungen mit der GSW besondere Schutzklauseln für Mieterinnen und Mieter erreicht worden seien. Die überwiegende Zahl der MieterInnen kann sich jedoch gar nicht auf diese Vereinbarungen berufen. So erhielten nur jene Mieter, die schon 2001 bei der GSW wohnten, eine schriftliche Mietvertragsergänzung, die im Übrigen nur bis 2014 gilt. Vielen wurde also keine rechtlich verbindliche Ergänzung zu ihren Mietverträgen gegeben. Eine solche Ergänzung würde beispielsweise Mieterhöhungen über dem Mittelwert des Mietspiegels ausschließen oder Mietereinbauten erlauben.

Der zuständige Senator Nussbaum (von der SPD benannt) riet den Eigentümern der GSW dann auch lediglich, „die Mieter gut zu behandeln“ – anstatt auf klarem und juristisch wasserdichtem Mieterschutz zu bestehen. Entsprechend resignierend fällt das Fazit des Berliner Mietervereins aus, der eindringlich vor dem Börsengang warnte. So sei vom Senat erwartet worden, „mit den Investoren eine auch an den Mieterinteressen orientierte wohnungspolitische Strategie zu verfolgen. Wohnungen sind auch Sozialgut.“

Rot-rot und FDP gemeinsam für den Börsengang

Bei der Abstimmung im Abgeordnetenhaus stimmten jedoch sämtliche SPD-Abgeordnete für den Börsengang, auch jene Spandauer Sozialdemokraten, die tagelang ihre Bedenken gegen das Vorhaben kundgetan hatten. Dies ist für die SPD, deren Kernkompetenz früher der Mieterschutz war, eine traurige Entwicklung. Vorschläge von Bündnis 90/Die Grünen, Wohnungen der GSW zu erhalten, anstatt die für den Deal ans Land gezahlten 30 Mio. € in den Haushalt zu pumpen, wurden abgelehnt.

Gar keine Skrupel zeigte die Linkspartei, die bereits frühzeitig Zustimmung signalisiert hatte. Vor dem Hintergrund des breit angekündigten Rekommunalisierungsprogramms der Linken ist dies eine frühe Bankrotterklärung: Der Börsengang einer Wohnungsbaugesellschaft lässt sich wohl kaum mit dem angekündigten Rückkauf der Wasserbetriebe, der Kommunalisierung der S-Bahn oder der Gründung eines eigenen Energieversorgers vereinbaren. Kaum verwunderlich war, dass die neoliberale Berliner FDP dem Börsengang freudig zustimmte. Bündnis 90/Die Grünen lehnten des Börsengang einmütig ab.

Durch die kurzfristige Verschiebung des Börsengangs sehen sich vor allem jene blamiert, die einer schnellen Zustimmung im Abgeordnetenhaus das Wort redeten. Das gewählte Parlament erscheint als nur noch am Gängelband finanzkräftiger Investoren geführt.

Öffentliche Wohnungen gegen Gentrifizierung

Kernaufgabe städtischer Wohnungspolitik bleibt es, einen Grundbestand an öffentlichem Wohnraum zu sichern, der preiswerter ist als auf dem freien Markt und der räumlich gleichmäßig über die Stadt verteilt ist. Nach neun Jahren rot-roter Wohnungspolitik ist beides weitgehend nicht der Fall. Besonders schmerzhaft war der Verkauf der GSW, weil sich in ihrem Besitz genau jene Wohnungsbestände befinden, die heute benötigt werden, um dämpfend auf die Mietentwicklung einzuwirken: Wohnkomplexe unterschiedlichen Alters und Bauart, die über den von Gentrifizierung bedrohten Innenstadtbereich verteilt sind. Mit den Beständen der anderen städtischen Wohnungsbaugesellschaften, die vor allem Großsiedlungen am Stadtrand besitzen, hat man weit weniger Einflussmöglichkeiten.

Mieterschutz bleibt notwendig

Für die MieterInnen der GSW bedeutet die unklare Situation noch mehr Verunsicherung. Dabei lassen Bündnis 90/Die Grünen sie nicht allein. Wir setzen uns weiterhin für eine Veränderung des bundesdeutschen Mietrechts ein. Unerlässlich ist die deutliche Einschränkung von Mieterhöhungsmöglichkeiten, vor allem bei Neuvermietungen.

Dirk Behrendt Mitglied des Abgeordnetenhauses

Die öffentliche Vereinbarung über den Börsengang: Drucksache 16/3118