Pressemitteilung NR. 581 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus Berlin zur Neufassung des Berliner Betriebegesetzes
Lisa Paus, wirtschaftspolitische Sprecherin und Heidi Kosche, Mitglied im Wirtschaftsausschuss, erklären:
Nach der Anhörung zum Betriebegesetz vor einer Woche hat die rot-rote Koalition im Wirtschaftsausschuss Änderungen am Berliner Betriebegesetzes beschlossen. Dabei sind zwei Punkte besonders kritisch:
1. Der Anschluss- und Benutzungszwang für Trinkwasser, der eingeführt wird, damit die Fixkosten auf „viele, breite Schultern verteilt werden“. Es wurde deutlich, dass die breiten Schultern sehr schnell sehr schmal werden, weil es großzügige Ausnahmeregelungen für wasserintensive Branchen geben soll. Aber welche Branchen und wie viele Betriebe mit wieviel Kubikmeter Wasser ausgenommen werden, wusste gestern keiner. Diese Regelung ergibt verdeckte Mengenrabatte. Was die einen nicht bezahlen, müssen die anderen bezahlen und das sind die BerlinerInnen, die nur einen durchschnittlichen Trinkwasserverbrauch haben. Seit 2004 sind die Wasserpreise um knapp 30% gestiegen und für Januar 2008 ist schon wieder eine Erhöhung um 1,8 % angekündigt.
2. Ob ein teilprivatisiertes Unternehmen mit einem Anschlusszwang nicht gegen die Europäische Rechtssprechung verstößt, wie bei der Anhörung mehrere Experten argumentierten, u.a. auch die IHK Berlin. Um diese Frage zu klären, hat die Fraktion Bündnis90/Die Grünen den Wissenschaftlichen Parlamentsdienst eingeschaltet. Es ist nicht zu verstehen, warum die Koalition nicht daran interessiert ist, die rechtlichen Bedenken auszuräumen und die Ergebnisse des Gutachtens abzuwarten. In einem Grundsatzurteil vom Januar 2005 führte die Erste Kammer des EuGH aus, dass bei gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften (wie den teilprivatisierten Wasserbetrieben) nicht das öffentliche Interesse, sondern private Interessen im Vordergrund stehen können. Dient die Einführung des Anschluss- und Benutzungszwangs jedoch nicht mehr gemeinnützigen Zielen, sondern durch das Gebietsmonopol der Sicherung der Gesellschafterrenditen, wäre sie rechtswidrig, wurde argumentiert.