Die Idee des Bürgerhaushalts stammt aus der brasilianischen Stadt Porto Alegre, wo 1989 erstmals ein kommunaler Haushalt unter Mitwirkung der BürgerInnen aufgestellt wurde. Seit 2007 gibt´s den Bürgerhaushalt auch in Friedrichshain-Kreuzberg. Eine Zwischenbilanz

Ein solcher Beteiligungshaushalt soll Transparenz schaffen und die EinwohnerInnen vor Ort stärker einbinden. Mittlerweile sind unter dem Titel „Bürgerhaushalt“ unterschiedlichste Verfahren zu finden, weshalb das Forschungsprojekt „Europäische Bürgerhaushalte“ fünf Kriterien als Definitionsgrundlage entwickelt hat: Im Zentrum des Verfahrens stehen finanzielle Aspekte, genauer gesagt die Diskussion um begrenzte Ressourcen. Die Beteiligung findet auf der Ebene der Gesamtstadt oder eines Bezirks mit eigenen politisch-administrativen Kompetenzen statt. Es handelt sich um einen in der Dauer angelegten Prozess. Beratung und Entscheidung der BürgerInnen beruht auf einem Diskussionsprozess im Rahmen besonderer Treffen. Die OrganisatorInnen müssen über die Ergebnisse der Diskussion Rechenschaft ablegen.

Der Bürgerhaushalt in Friedrichshain-Kreuzberg

Unser Bürgerhaushalt startete im Dezember 2007. In acht Regionsveranstaltungen wurden erstmals Ideen für das Haushaltsjahr 2009 gesammelt, mit denen sich sowohl die Verwaltung als auch die Bezirksverordneten im Bezirksparlament beschäftigten und den Haushaltsplan ergänzten. Aufgrund eines guten Jahresabschlusses 2007 standen am Ende sogar zusätzliche 830.000 Euro für die Ideen der BürgerInnen zur Verfügung, so dass – wie beispielsweise gewünscht – mehr Geld in die Bibliotheken und die Pflege der Parks gesteckt werden konnte.

Seitdem finden nun jedes Frühjahr BürgerInnenveranstaltungen statt, auf denen pro Bezirksregion zehn Vorschläge ausgewählt werden. Diese fließen in die Haushaltsberatungen von Bezirksamt und Bezirksparlament für das darauf folgende Jahr ein. Der Prozess wird durch die von den BürgerInnen gewählten RegionssprecherInnen begleitet. Jährlich legt die Verwaltung zudem Rechenschaft über den Stand der Dinge ab.

Bürgerhaushalt und Haushaltsnotstand

Mittlerweile befinden wir uns in der Ideensammlung für den Haushalt 2011. Auf der Veranstaltung am 19. Februar in der Region 2 (Tempelhofer Vorstadt) entwickelte sich beispielsweise eine interessante Diskussion um die Finanzierung des Bürgerhaushalts. Aufgrund des Haushaltsnotstandes wird ein zusätzlicher Etat wie 2009 in den nächsten Jahren nicht möglich sein. Idee unseres Bürgerhaushalts ist es aber auch, die EinwohnerInnen am bestehenden Budget zu beteiligen, um so eine Prioritätensetzung durch die Bevölkerung vor Ort zu erreichen.

Anstatt den BürgerInnen einen begrenzten Geldtopf zur Verfügung zu stellen, sollen sie in die allgemeine Haushaltsdiskussion eingebunden werden. Das ist ein hoch gestecktes Ziel. Alle AkteurInnen im Bezirk – Verwaltung, Bezirksparlament und EinwohnerInnen – müssen noch viel lernen. Es birgt aber auch die Chance, die Komplexität und Probleme einer jeden Haushaltsberatung, den BürgerInnen näher zu bringen, ihre Erfahrungen zu nutzen und sie so mit in die Verantwortung für ihr Lebensumfeld zu nehmen.

Die vorläufige Haushaltswirtschaft, in der sich der Bezirk aufgrund der zu geringen Zuweisungen durch den Senat seit Ende 2009 befindet, wird sich jedoch auch auf den Bürgerhaushalt auswirken. Die Finanzierung neuer Projekte steht auf dem Spiel, folglich auch viele Vorschläge der BürgerInnen. Die Gretchenfrage der kommenden Monate wird daher sein, ob und wie es unter diesen Voraussetzungen gelingt, das Konzept des Bürgerhaushalts weiterzuentwickeln.

Paula Riester, Bezirksverordnete