Seit Mai diskutiert die ganze Stadt über die Einführung eines Mietendeckels für Berlin. Mit ihm soll insbesondere den Berliner*innen eine Atempause verschafft werden, die ihre Mieten kaum noch bezahlen können. Mit dem geplanten Gesetz wird juristisches Neuland betreten. Daher muss sorgfältig abgewogen werden, welches Modell gleichzeitig sozial und fair, aber auch umsetzbar und rechtssicher ist, damit das Gesetz die zu erwartende Klagewelle vor Gericht besteht und nicht gleich wieder gekippt wird.

Am 18. Juni 2019 wurde ein erstes Eckpunktepapier für ein Berliner Mietengesetz bzw. einen Mietendeckel durch den Senat beschlossen. Damit ist der 18. Juni der Stichtag, ab dem der Mietendeckel gelten soll, sobald ein Gesetz bis Anfang 2020 verabschiedet sein wird. Ziel ist es, die Mieten in Berlin für fünf Jahre einzufrieren bzw. zu deckeln. Dabei sollen Mietobergrenzen je Baualtersklasse der Wohnhäuser definiert werden. Die Lage soll dabei keine Rolle spielen, um die soziale Spaltung der Quartiere und Bezirke zu überwinden. Überhöhte Mieten sollen auf festgelegte Miettabellen-Werte abgesenkt werden können – so der Beschluss, der von allen drei Koalitionen getragen wurde.

Juristisches Neuland

Vor einigen Wochen wurde der Presse ein Vorentwurf eines Referentenentwurfs zugespielt. Er war nicht die Arbeitsgrundlage für den tatsächlichen Senatsentwurf und enthält eine Vielzahl von möglichen Instrumenten für einen Mietendeckel, die noch nicht in der Koalition abgestimmt waren und so auch nicht von der Senatorin vorgeschlagen wurden. Besonders ärgerlich ist dabei, dass rechtlich nicht durchsetzbare Punkte präsentiert wurden und damit den Mieter*innen suggeriert wurde, diese würden bald Realität. Das schürt falsche Hoffnungen und sorgt zu Recht für Verdruss. Beim Mietendeckel geht es nicht alleine um die Frage, was wir wohnungspolitisch für geboten halten, sondern ob dies auch juristisch haltbar und am Ende rechtssicher umzusetzen ist. Seit der Föderalismusreform von 2006 sind die Bundesländer für das Wohnungswesen zuständig. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit für das öffentliche Preisrecht und damit für den geplanten Mietendeckel. Aber auf Landesebene haben wir nicht den gleichen Handlungsspielraum wie auf Bundesebene. Daher können wir auch nicht alle wohnungspolitischen Vorstellungen im Gesetz zum Mietendeckel unterbringen, da ansonsten das Gesetz vor Gericht als ungültig erklärt werden würde.

Nr. Erstmalige Bezugsfertigkeit der Wohnung, Ausstattung und Lage Mietpreis pro m2
1. bis 1918 mit Sammelheizung und Bad 6,03 Euro
2. bis 1918 mit Sammelheizung oder Bad 4,32 Euro
3. bis 1918 ohne Sammelheizung und Bad 3,89 Euro
4. 1919 bis 1949 mit Sammelheizung und Bad 6,03 Euro
5. 1919 bis 1949 mit Sammelheizung oder Bad 4,27 Euro
6. 1919 bis 1949 ohne Sammelheizung und Bad 3,42 Euro
7. 1950 bis 1955 mit Sammelheizung und Bad 5,88 Euro
8. 1950 bis 1955 mit Sammelheizung oder Bad 4,86 Euro
9. 1950 bis 1955 ohne Sammelheizung und Bad 3,84 Euro
10. 1956 bis 1964 mit Sammelheizung und Bad 5,85 Euro
11. 1956 bis 1964 mit Sammelheizung oder Bad 5,02 Euro
12. 1956 bis 1964 ohne Sammelheizung und Bad 4,19 Euro
13. 1965 bis 1972 5,74 Euro
14. 1973 bis 1983 (West) 7,51 Euro
15. 1984 bis 1990 (West) 7,24 Euro
16. 1973 bis 1990 (Ost) 5,64 Euro
17. 1991 bis 2002 8,13 Euro
18. 2003 bis 2013 9,80 Euro

 

Anwendungsbereich und Ausnahmen

Der Mietendeckel soll nicht für alle Neubauten gelten. Ausgenommen sind derzeit alle Gebäude, die nach dem 1. Januar 2014 fertiggestellt wurden. Begründet wird dies mit der zu diesem Datum wieder eingeführten Wohnungsneubauförderung, die preiswerten Wohnraum im Neubau fördert. Ebenso sind Wohnheime und Wohnungen sozialer Träger und studentische Wohnheime ausgenommen. Dagegen fallen möblierte Wohnungen und Kurzzeitvermietungen von Wohnungen unter den Mietendeckel. Das ist nötig, um den Missbrauch von Wohnraum als Renditeobjekt zu unterbinden und mögliche Umgehungen des Mietendeckels von vornherein zu verhindern. Dem Entwurf der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen zufolge soll der soziale Wohnungsbau auch von den Regelungen des Mietendeckels ausgenommen werden. Das könnte jedoch zu absurden Verhältnissen führen, wenn einkommensschwache Mieter*innen in den Sozialwohnungen schlechter gestellt sind als die Mieter*innen auf dem „freien“ Markt. Hier bedarf es dringend einer Reform des sozialen Wohnungsbaus, die dafür sorgt, dass die sog. Kostenmieten bereinigt und mit der finanziellen Beteiligung von Eigentümern gesenkt werden. Leider ist es uns als Koalition bisher nicht gelungen, eine gemeinsame Lösung zu finden. Wir Grüne schlagen schon lange vor, die Kostenmieten in einer Berliner Berechnungsverordnung zu bereinigen und dann zu senken, bisher fehlt dafür aber die Unterstützung in der Koalition.

Mögliche Obergrenzen

Mit dem Mietendeckel wollen wir Spekulation und Verdrängung eindämmen und deshalb ist es zentral, dass wir überhöhte Mieten absenken. Im derzeitigen Referentenentwurf der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen wurden die Mietspiegelwerte 2013 zur Berechnung der Obergrenzen herangezogen und die Berliner Einkommensentwicklung bis heute ist dabei eingeflossen. Die Obergrenzen gelten sowohl für Neuvermietungen als auch für die Bestandsmieter*innen. Wer mehr als 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Nettokaltmiete ausgibt, soll das Recht auf eine Mietabsenkung haben. Jedoch ist es auch hier wichtig, dass wir die rechtlichen Risiken gering halten. Das heißt wir müssen noch klären, ob der Bezug auf die Mietbelastung bei Mietabsenkungen rechtlich wirklich schlüssig ist oder ob diese Möglichkeit z.B. auf Haushalte eingeschränkt werden muss, die Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben. Ein ebenso gangbarer Weg scheint die Definition von Wuchermieten zu sein. Das würde bedeuten, dass ab einer gewissen Überschreitung Mieten abgesenkt werden können.

Atmender Deckel von unten

Einige schlagen vor, mit dem Gesetz zum Mietendeckel lediglich einen mehrjährigen allgemeinen Mietenstopp für die ganze Stadt einzuführen. Zwar würden davon alle Mieter*innen profitieren, das Einfrieren der Mieten würde aber auch heißen, dass die Wohnungsunternehmen mit den bereits hochpreisigen Mieten einen Bestandsschutz erhalten. Wer hingegen in der Vergangenheit niedrige Mieten angeboten hat und lediglich zur Deckung von gestiegenen Kosten die Mieten erhöhte – meist weit unter dem, was nach dem Mietspiegel möglich wäre – der würde nun vor Problemen stehen. Insbesondere gemeinwohlorientierte Wohnungsgesellschaften wie Genossenschaften wären davon betroffen. Hierin liegt eine große Gerechtigkeitslücke, die wir schließen müssen. Denn verantwortungsvolle Bestandshalter*innen und gemeinwohlorientierte Akteure wie die Genossenschaften sind unsere Verbündeten. Ein atmender Deckel, der moderate Mietsteigerungen zulässt, schließt die Gerechtigkeitslücke, würde aber bedeuten, dass Einkommensschwache, die einen Mietenstopp brauchen und in noch vergleichsweise niedrigpreisigen Wohnungen leben, gar nichts vom Mietendeckel hätten. Das ist ebenso ungerecht. In diesem Fall könnte aber eine ergänzende Härtefallregelung für die einkommensschwachen Mieter*innen helfen.

Wir Grüne haben uns von Anfang an für den Vorschlag eines atmenden Deckels von unten ausgesprochen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen sieht im Entwurf auch eine ähnliche Regelung vor. Danach dürfen ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes die Mieten, die unterhalb der festgelegten Mietobergrenzen liegen, um jährlich 1,3 Prozent erhöht werden. Gleichzeitig schlägt die Senatsverwaltung in ihrem Referentenentwurf aber auch vor, dass der Mietendeckel auch nach oben atmen soll. Die Mietobergrenzen sollen per Rechtsverordnung nach kurzer Zeit angehoben werden können. Das finden wir falsch. Mindestens in den ersten fünf Jahren sollten keine Mieterhöhungen über die Mietobergrenzen hinaus erfolgen, um die versprochene Atempause für die Mieter*innen auch einzulösen.

Energetische Sanierung und Modernisierungsaufschlag

Fragwürdig in dem von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen vorgelegten Gesetzesentwurf ist der Vorschlag, dass die Mieten aller Wohnungen, die in den letzten 15 Jahren modernisiert wurden, einen Aufschlag auf die Mietobergrenze von zusätzlich 1,40 Euro/QM bekommen sollen. Es wurde bisher weder beantwortet, wie sich diese Summe rechtfertigt, noch welche Maßnahmen dabei berücksichtigt werden. Dieser Vorschlag muss dringend kritisch geprüft werden. Ein Vorschlag des Berliner Mietervereins, der je nach Maßnahme Aufschläge gewährt, scheint sinnvoller. Generell stellt sich sich die Frage, wie wir es schaffen, dass z.B. Altbauten nicht in dickes Styropor gepackt werden, nur damit die Miete steigt, sondern stattdessen sinnvolle Maßnahmen für den Klimaschutz durchgeführt werden. Diese Steuerungswirkung haben wir mit dem jetzigen Entwurf noch nicht erreicht.

Rückenwind vom Bundesverfassungsgericht

Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Mietpreisbremse bestärkt uns als Landesgesetzgeber zu handeln. Die Verfassungsrichter*innen stellen fest, dass keine Grundrechte verletzt wurden und entschieden: „Es liegt im öffentlichen Interesse, der Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Stadtteilen entgegenzuwirken“. Die Regulierung der Miethöhe sei dazu geeignet und Vermieter*innen auch zumutbar, denn: „Ihr Vertrauen, mit der Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können, wird durch die Eigentumsgarantie nicht geschützt.“ Das gibt uns Rückenwind, bestätigt es doch, dass staatliche Eingriffe auf dem Wohnungsmarkt zulässig sind, wenn sie gut begründet sind und in Grenzen stattfinden – so wie es mit dem Gesetz zum Mietendeckel unser Ziel ist

Wie geht es weiter?

Vor uns steht ein komplexes Verfahren: Senatsbeschluss, Verbändeanhörung und Befassung im Rat der Bürgermeister und das reguläre Gesetzgebungsverfahren im Parlament. Wir führen derzeit viele Gespräche mit der Stadtgesellschaft und versuchen alles abzuwägen. Leider haben wir bis heute keinerlei Zahlen oder Folgeabschätzungen durch den Senat erhalten, um die Szenarien besser abschätzen zu können. Auch warten wir noch auf die Beantwortung eines eingereichten Fragenkatalogs. Und was brisant ist: es gibt bisher kein Konzept für das bezirkliche Personal, welches zwingende Voraussetzung für einen Erfolg ist. Von 120-150 nötigen Stellen ist die Rede. Die Bezirke können ohne Gesetzesgrundlage und zusätzlicher finanzieller Ausstattung nicht einstellen oder sich vorbereiten. Hier kommt es auf den Senat an, die notwendigen Schritte parallel zum Gesetzgebungsverfahren in die Wege zu leiten. Denn jedes Gesetz ist immer nur so gut wie seine konkrete Umsetzung.

 

Der weitere Zeitplan für den Mietendeckel:

13.09.2019 Anhörung Fachkreise und Verbände plus Anhörung bzw. Beratung im Rat der Bürgermeister

16.09.2019 Einleitung Mitzeichnungsverfahren
15.10.2019 Senatsbeschluss
31.10.2019 Erste Lesung im Abgeordnetenhaus
Nov./Dez. 2019 Beratungen in den Ausschüssen des  Abgeordnetenhauses
12.12.2019 Zweite Lesung und Beschluss im Abgeordnetenhaus
10.01.2020 Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt Berlin
11.01.2020 Inkrafttreten

 

Katrin Schmidberger, MdA und wohnungspolitische Sprecherin für den Stachel Septmember 2019