Die Kreisverbände Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln haben die folgende Positionierung zur Berliner Wohnungspolitik beschlossen:

Bereits seit vielen Jahren erleben wir in unseren Kiezen in Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg fast täglich den Mietenwahnsinn durch Umwandlungen, Verkäufe, Modernisierungen, Kündigungen oder gar Zwangsräumungen. Schon lange verzeichnen unsere Bezirke mit die höchsten Mieten bzw. den größten Mietanstieg in ganz Berlin und immer mehr Menschen müssen die Hälfte oder mehr ihres Einkommens für die Miete ausgeben. Gerade bei Neuvermietungen haben die Mieten absurde Höhen erreicht. Diese Mietentwicklung schadet der Stadt, auch weil die Kaufkraft der Berliner*innen geschwächt wird. Statt sie zu bebauen oder zu vermieten, werden Grundstücke und Immobilien zunehmend zu Spekulationsobjekten. Berlin droht immer mehr zum Anlageobjekt zu verkommen.

Die Verdrängung vieler Bewohner*innen aus ihren Kiezen bewirkt eine gefährliche soziale Spaltung. Die hohen Bodenpreise machen preiswerten Neubau für breite Schichten in unseren Bezirken fast unmöglich. Mehr und mehr Wohnviertel werden so aufgewertet, dass gerade Menschen mit niedrigen, aber auch durchschnittlichen, Einkommen sich das eigene Zuhause nicht mehr leisten können. Die Situation ist für BPoC und LSBTIQ* besonders eklatant, da sie auf dem umkämpften Mietenmarkt zusätzlich vielfach Diskriminierung erfahren. Diese Entwicklung muss nicht nur gestoppt werden, vielmehr braucht es endlich einen Paradigmenwechsel.

Viele Berliner*innen wünschen sich daher einen gemeinwohlorientierten Wohnsektor. Wir Grüne möchten, dass mindestens 50 Prozent aller Wohnungen in Berlin in gemeinwohlorientierte Hände kommen. Eine ganz gegenläufige Bewegung stellt der Plan, Vonovia und Deutsche Wohnen zusammenzuschließen, dar. Dadurch würde Vonovia zum größten privaten Wohnungsunternehmen Europas heranwachsen. Das Unternehmen hat sich mit seiner Wohnungspolitik, genau wie die Deutsche Wohnen, in den vergangenen Jahren einen schlechten Ruf erarbeitet. Sei es durch Sanierungsmaßnahmen, die vornehmlich nachhaltige Mietpreissteigerungen zum Ziel hatten oder durch undurchsichtige Nebenkostenabrechnungen. Dass der dritte Anlauf für einen Deal als Share Deal abgewickelt werden und dadurch eine Milliardenzahlung an Steuergeldern umgangen werden soll, kritisieren wir scharf. Bis heute haben es die SPD und die CDU im Bund trotz vielfacher Hinweise nicht geschafft, dieses Steuerschlupfloch zu schließen. Wir kritisieren zudem, dass Regierungsmitglieder der SPD Berlin einseitig und ohne weitere Details preiszugeben, entschieden haben, dass das Land Berlin im Zuge des geplanten Deals einen Teil des Bestands abkaufen und den Zusammenschluss damit auf Kosten dreier landeseigener Wohnungsunternehmen quer finanzieren soll. Hier fordern wir daher Transparenz und parlamentarische Beteiligung. Denn es darf in keinem Fall dazu führen, dass die Bestandsmieter*innen von Howoge, Degewo und Berlinovo den Deal über ihre Mieten mitfinanzieren müssen. Mängel wie Asbest und jahrelanger systematischer Instandhaltungsstau müssen bei der Kaufpreisermittlung der Bestände deutlich durch Abschläge mit einfließen.

Als Grüne haben wir bereits seit 2008 aus der Bezirkspolitik heraus auf die zunehmenden Missstände hingewiesen und wohnungspolitische Schutzmaßnahmen eingefordert. Der damalige Rot-Rote Senat hat gar nicht, der nachfolgende Rot-Schwarze Senat viel zu spät, reagiert und erst fünf Jahre später einen angespannten Wohnungsmarkt erklärt, wodurch gesetzliche Maßnahmen gegen Umwandlungen viel zu spät kamen, bzw. nun mit dem Baulandmobilisierungsgesetz kommen. Erst seit 2014 gibt es ein Gesetz gegen Zweckentfremdungen und Ferienwohnungen und überhaupt wieder eine Förderung für den Neubau von Sozialwohnungen. Wir haben nicht nur unsere Forderungen auf allen Ebenen stark vertreten, sondern in den Bezirken und im Land konkret angepackt und gehandelt:

  • Friedrichshain-Kreuzberg war der erste Bezirk, der das Instrument des kommunalen Vorkaufsrechts erfolgreich umgesetzt hat. Auch beim Milieuschutz war der Bezirk lange Vorreiter. Heute leben rund 70 Prozent der Bezirksbewohner*innen in einem Milieuschutzgebiet. Zudem haben wir zusammen mit unserem grünen Stadtrat Florian Schmidt durch das Vorkaufsrecht und Ankäufe eine Steigerung des Gemeinwohlbestandes um rund 5.000 Wohnungen von ca. 25% auf 28% erreicht. Außerdem gibt es im Bezirk eine Förderung von und Vernetzung mit Mieter*innen-Initiativen und betroffene Hausgemeinschaften finden hier Beratungs- und Unterstützungsstrukturen.
  • In Neukölln haben wir seit 2016 die Mietenpolitik vom Kopf auf die Füße gestellt, mehr als 700 Wohnungen durch das Vorkaufsrecht der Spekulation entzogen sowie mit über 70 Abwendungsvereinbarungen die kurzfristige Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verhindert. Der grüne Stadtentwicklungsstadtrat Jochen Biedermann hat zudem für inzwischen zehn Milieuschutzgebiete im Bezirk gesorgt und mit einem Präventionsteam gegen Zwangsräumungen und der Durchsetzung von mehr als 450 Sozialwohnungen im Neubau starke Impulse für eine gerechte Wohnungsbau- und Mietenpolitik gesetzt.

Auch auf Landesebene sind wir der progressive Motor einer gemeinwohlorientierten, sozialen und gerechten Mieten- und Wohnungspolitik. Diese ist keineswegs unumstritten. Nach den Wahlen darf es gerade in dieser Frage keinen Roll-Back geben! Im Gegenteil: Damit diese Politik Wirkung zeigen kann, braucht es noch viel weitergehende Antworten auf allen Ebenen!

Der Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts zum Kippen des Mietendeckels war und ist ein herber sozialpolitischer Rückschlag. Deshalb muss die nächste Bundesregierung innerhalb der ersten 100 Tage eine gesetzliche Öffnung beschließen, für die Länder, die es den Bundesländern und Städten ermöglicht, einen ortsspezifischen Mietendeckel einzuführen.

Im Grundgesetz ist festgeschrieben: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ (Artikel 14 Abs. 2). Davon kann in Berlin schon lange keine Rede mehr sein. Wir müssen und werden daher alle Instrumente und Bausteine nutzen, um den Wohnungsmarkt mehrheitlich gemeinwohlorientiert auszurichten. Dazu gehört auch, dass der Verkauf öffentlicher Wohnungen für immer ausgeschlossen werden muss. Der katastrophale Fehler von Rot-Rot, der zu den gegenwärtigen Zuständen maßgeblich beigetragen hat, darf sich nicht wiederholen. Daher fordern wir das Verbot der Veräußerung in die Berliner Landesverfassung aufzunehmen.

Zentral ist für uns, die Mieter*innen zu schützen, Spekulation Einhalt zu gebieten und den gemeinwohlorientierten Wohnungsbestand zu erhöhen. Wir wollen, dass der Staat wieder auf Augenhöhe mit Wohnungsunternehmen verhandeln und agieren kann. Deshalb unterstützen wir die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“. Wir haben uns an der Unterschriftensammlung beteiligt und werben für ein JA zum Volksentscheid am 26. September.

Mehr als 350.000 Menschen haben mit ihrer Unterschrift bereits deutlich gemacht, wie groß die Erwartungshaltung an die Politik ist, hier weiter tätig zu werden. Da der Artikel 15 im Grundgesetz noch nie praktisch angewandt wurde, ist es deshalb umso wichtiger, eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Gesetzes zeitnah zu erarbeiten. Die*der künftige Senator*in für Stadtentwicklung ist in der Pflicht, einen entsprechenden Entwurf unter Berücksichtigung des Vorschlags der Initiative vorzulegen. Es sollte dabei auch eine kritische Prüfung erfolgen, inwiefern rein quantitative Kriterien zur Ermittlung der betroffenen Wohnungsunternehmen geeignet sind.

Für uns ist aber klar: Bis zu einer Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände ist es noch ein weiter Weg, sogar wenn eine Mehrheit am 26. September mit „Ja“ stimmt. Wir wollen diesen Weg gehen. Er darf aber nicht davon ablenken, dass auch an vielen anderen Stellschrauben dringender Handlungsbedarf besteht.

Daher unterstützen wir ausdrücklich die Forderung nach einem Berliner Mietenschutzschirm, der verbindliche Ziele und Maßnahmen mit den Vermieter*innen vereinbart, die sich dem gemeinwohlorientierten Wirtschaften verpflichten, beim Neubau genauso wie bei der Bewirtschaftung der Bestände. Konkret heißt das unter anderem: Faire Umlagen bei der energetischen Modernisierung, ein Mietenmoratorium für 5 Jahre, transparente und klare Regeln für Bewirtschaftungsüberschüsse, eine Begrenzung der Eigenkapitalrendite, das Recht auf Wohnungstausch unter allen Wohnungen des Mietenschutzschirms, kein spekulativer Leerstand sowie Mitbestimmungsrechte der Mieter*innen. Im Gegenzug wird die Stadt Berlin die sich auf das Wohl Berlins verpflichtenden Vermieter*innen unterstützen und fördern: Nur Teilnehmer*innen des Berliner Mietenschutzschirmes sollen zukünftig noch städtischen Baugrund als Erbbaurecht erhalten und bei Konzeptvergaben bevorzugt werden und sollen einen verringerten Erbbauzins sowie höhere Zuschüsse bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus wie auch erleichterte Förderungen und Bürgschaften des Landes erhalten. Durch eine neu aufzubauende Kontrollinstanz soll die Einhaltung der Verpflichtungen überprüft. Mit dem Berliner Mietenschutzschirm wollen wir also, parallel zum Erarbeitungsprozess eines Gesetzes, fairen Vermieter*innen einen verbindlichen Pakt zu Gunsten der Mieter*innen anbieten.

Auf der Bundesebene werden wir zudem die Einführung des grünen Konzepts einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit genauso mit Nachdruck weiter vorantreiben, wie die effektive Bekämpfung des Steuerschlupflochs „Share-Deal“. Verbesserungen im Mietrecht – auch für Kleingewerbe – stehen für uns genauso weiter auf der Agenda, wie der Kampf gegen spekulative Grundstückspreise. Wir wollen eine dauerhaft bindende Sozialwohnungsquote bei Neubau und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen endlich ausnahmslos verhindern. Wir wollen das Vorkaufsrecht stärken und das Zweckentfremdungsverbotsgesetz weiter schärfen, das Abrisse wirklich unterbindet und den Missbrauch mit Ferienwohnungen und möblierten Kurzzeitvermietungen wirkungsvoll vermeidet sowie bei dauerndem Leerstand Wohnraum schnell wieder zur Vermietung bringt. Wer den Wohnungsmarkt wieder in den Griff bekommen will, muss den spekulativen Renditeerwartungen konsequent die rote Karte zeigen. Dafür reicht nicht eine Maßnahme, wir brauchen sie alle. Dafür stehen Bündnis 90/Die Grünen.

Wir überlassen den Berliner Wohnungsmarkt nicht den Hedgefonds, Spekulant*innen und Briefkastenfirmen, sondern kämpfen auch in den nächsten Jahren weiter an der Seite der Mieter*innen für eine soziale und solidarische Stadt.