Initiator*in: B`90/Die Grünen

Resolution

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Die Bezirksverordnetenversammlung spricht sich dafür aus, die neu geschaffenen sogenannten Pop-Up-Radwege zu erhalten und so schnell wie möglich zu verstetigen.

1. Gute und sichere Radwege schützen Menschen. Die Gefahrenlage für Radfahrer*innen ist da. An jedem Tag. Auf jeder ungeschützten Strecke. An jeder gefährlichen Kreuzung. 14 getötete Radfahrer*innen allein in diesem Jahr führen uns das schmerzhaft vor Augen.
2. Die Vision Zero ist Leitbild einer modernen Verkehrspolitik. Es sollen keine Menschen mehr im Straßenverkehr getötet oder schwer verletzt werden. Das darf nicht nur eine Vision bleiben, sondern erfordert die sichere (Um-)Gestaltung unserer Straßen für alle Verkehrsteilnehmer*innen. Vor diesem Hintergrund kann es nicht sein, dass die Schaffung sicherer Radwege Abschnitt für Abschnitt einzeln umfassend begründet werden muss. Wir wollen Unfälle vermeiden und sie nicht zählen. Dass bei einer Vielzahl von Hauptstraßen sichere Infrastruktur noch fehlt, zeigt nur die Größe der Aufgabe, jedoch bleibt deshalb jede einzelne davon konkret gefährlich.

3. Auch der Bedarf ist da. Der Anteil an Fahrradfahrer*innen steigt immens. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend nur noch beschleunigt. Die Fläche, die für das Radfahren zur Verfügung steht, ist gemessen am Radverkehrsanteil völlig unzureichend. Auch Radfahren gehört zum fließenden Verkehr. Dennoch geht der Parkraum für Autos immer noch zu Lasten der Sicherheit des Radverkehrs. Eine StVO, in der die Vision Zero und das sichere Fortkommen auf gut ausgebauten Radwegen keine rechtliche Relevanz hat, ist aus der Zeit gefallen.

4. Radfahren schützt das Klima und die Umwelt. Je mehr Menschen Fahrradfahren, desto besser. Wir wollen nicht, dass sich nur die wagemutigen oder geübten Radfahrer*innen per Fahrrad durch die Stadt bewegen können. Wir wollen, dass sich alle Menschen, die Lust haben, aufs Fahrrad setzen können. Auch Kinder oder alte Menschen sollen sich aufs Fahrrad schwingen. Dafür braucht es sichere Radwege. Wer Angebote schafft, wird auch Nachfrage ernten. Das zeigt zum Beispiel das Radaufkommen auf dem Kottbusser Damm.

5. In Friedrichshain-Kreuzberg verfügen weniger als 30% der Haushalte überhaupt über ein Auto. Dennoch ist die Belastung durch Stickdioxide in unserem Innenstadtbezirk mit vielen Durchgangsstraßen ein großes Umweltproblem. Etwa drei Viertel der Stickoxide stammen aus dem motorisierten Straßenverkehr, d.h. aus Verbrennungsmotoren in Pkw und Lkw. Der Verkehr ist stadtweit der größte Lärmverursacher. Beide Aspekte gefährden vor allem Erwachsene und Kinder, die gerade nicht mit dem Auto unterwegs sind. Die Pop-Up Radwege leisten einen wichtigen Beitrag zur Minderung der Umweltbelastung und sind auch deshalb unbedingt erhaltenswert.

6. Auch sozialpolitisch ist eine Verkehrspolitik richtig, die für sichere, gut ausgebaute Fuß- und Radwege, einen guten und bezahlbaren ÖPNV und die Verbesserung der Umweltgerechtigkeit sorgt. Von Armut Betroffene sind vor allem zu Fuß, mit dem Fahrrad und ggf. dem ÖPNV unterwegs. Menschen mit geringen Einkommen haben meist kein Auto und wohnen besonders häufig an Hauptverkehrsstraßen. Sie leiden unter dem Autoverkehr, ohne ihn zu verursachen. Dem setzen wir eine andere Flächenverteilung und eine Reduktion des Autoverkehrs entgegen.

7. Die BVV hat 2017 mit dem Radverkehrsplan die Strecken, an denen nun Pop-Up-Radwege entstanden sind, bereits beschlossen. Auch das Mobilitätsgesetz sieht sichere Radwege auf allen Hauptstraßen vor. Wir fordern daher eine Verstetigung und keine Entfernung, damit diese optimal gesichert werden können und die Baken nicht mehr von Autos durchfahren werden können.

Die Straßenverkehrsordnung atmet noch immer den Geist der autogerechten Stadt. Die “Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs” berücksichtigt allzu oft nur den motorisierten Individualverkehr. Sicherheitsaspekte stehen zu oft hinten an. Die StVO behindert so die Umgestaltung unserer Straßen von Flächen vom Auto hin zu Flächen für den Umweltverbund. Sie verhindert Tempobeschränkungen auf Hauptstraßen und die Schaffung sicherer Schulwege. Und sie behindert das Ausweisen von Radwegen, obwohl sie gewollt sind und der Bedarf unzweifelhaft besteht.
Die Bezirksverordnetenversammlung fordert eine radikale Reform der StVO. Diese Reform wird durch die Bundesregierung blockiert und verhindert. Ohne eine Änderung der Bundesgesetzgebung wird die Verkehrswende in Berlin und in Friedrichshain-Kreuzberg erschwert.
Mobilität ist ein Grundrecht aller Menschen mit all ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und kein exklusives Recht für Autofahrer*innen.

Wir wollen keine autogerechte, sondern eine menschengerechte Stadt.

Friedrichshain-Kreuzberg, den 22.09.2020
Antragsteller*in: B’90/Die Grünen

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