Initiator*innen: Dr. Wolfgang Lenk, B’90 Die Grünen, Oliver Nöll, DIE LINKE, Sebastian Forck, SPD

Resolution 

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Wie wir alle wissen ist das Geflüchtetenlager Moria auf der griechischen Insel Lesbos vollständig abgebrannt: die ohnehin schon furchtbare Lage der etwa 13.000 Geflüchteten im Lager Moria ist zu einer entsetzlichen humanitäre Katastrophe geworden. Viele Menschen sind dehydriert, Kinder brechen vor Erschöpfung zusammen, schlafen obdachlos am Straßenrand, stehen stundenlang für Wasser an, manche haben seit Tagen kaum etwas gegessen. Die griechische Regierung ist völlig überfordert, errichtet ein provisorisches Zeltlager und plant bereits ein neues Lager, ohne aus der Katastrophe die nötigen Lehren zu ziehen. Und weder die Europäische Union noch Teile der deutschen Bundesregierung tun dies ebenfalls bisher.
Direkt nach dem Feuer schwieg Bundesinnenminister Seehofer, dann sprach er von 150 Minderjährigen, die er aufnehmen könne, jetzt sollen es in Absprache mit der Kanzlerin 1553 ausgewählte Geflüchtete sein. Was für eine traurige und unangemessene Reaktion! Über 13.000 Schutzsuchende warten unter schlimmsten Bedingungen auf Hilfe. Heute bringen die Bilder und Reportagen von den verängstigten Asylsuchenden die Öffentlichkeit in Bewegung, die Proteste und Kundgebungen werden lauter. Aber wo bleibt die überzeugende Antwort der Bundesregierung?
Noch kurz vor der Zerstörung des Lagers Moria haben mehrere Hilfsorganisationen mit rund 13.000 Stühlen vor dem Bundestag für die Aufnahme von mehr Flüchtlingen in Deutschland demonstriert. Dies geschah in dem klaren Bewusstsein, dass in einem Lager, das für 3000 Menschen ausgelegt ist, in dem aber fast 13.000 Menschen lebten und in dem bereits Coronafälle gemeldet waren, das Allerschlimmste passieren kann. „Hier ist keiner mehr sicher“ sagt Mohammad Alizadah am 175. Tag der Ausgangssperre… „Die Menschen haben Angst, sie spüren, dass sich etwas ändert. Alle wissen, dass die Regierung einen Vertrag mit einer Baufirma unterzeichnet hat, die alles umzäunen wird.“ (zit. nach taz, 10.9.) Am 177. Tag der Ausgangssperre existierte das Lager Moria nicht mehr. Das war abzusehen, die Katastrophe war angekündigt und es handelt sich dabei um nichts weniger als ein politisches Verbrechen. Die Geflüchteten wollen evakuiert werden. Gegenwärtig haben bereits mehr als einhundert Kommunen, Städte und mehrere Bundesländer sich bereit erklärt, geflüchtete Menschen aufzunehmen, und es werden täglich mehr. Auch Berlin hat ein Landesaufnahmeprogramm auf den Weg gebracht. Blockiert wird dies von Bundesinnenminister Seehofer, der mit seinem kategorischen Nein einer größeren Zahl von Geflüchteten eine menschenwürdige Unterbringung verweigert. Der Bezirk Friedrichhain-Kreuzberg erwartet von der Bundesregierung grünes Licht für ein sofortiges Landesaufnahmeprogramm. Selbstverständlich ist auch unser Bezirk bereit, seinen Teil beizutragen.
Bereits 2015 hat unser Bezirk – zuvorderst sind die Sportvereine zu nennen – nachgewiesen, dass in Friedrichshain-Kreuzberg die humanistische Tradition Europas mehr als die Worthülse ist, zu der sie in der Debatte um Geflüchtete in Europa immer mehr verkommt. Die Einvernehmensregelung mit dem Bund ist ein ganz und gar fragwürdiges Hindernis für solidarische Entscheidungen. Die erneute Einbringung eines Antrags in den Bundesrat um das „Einvernehmen“ des Bundesinnenministers durch ein „ins Benehmen setzen“ mit dem Bund wäre eine Lösung. Der §23 des Aufenthaltsgesetzes muss den Ländern mehr Entscheidungsfreiheit bieten. Aber wie lange wird es wohl dauern, bis solche Gesetzesänderungen wirksam werden? Wer kann heute noch ernsthaft auf eine „europäische Lösung“ hoffen? Sofortiges, nationalstaatliches, solidarisches Handeln ist das Gebot der Stunde!

Friedrichshain-Kreuzberg, den 22.09.2020
Antragsteller*innen: Dr. Wolfgang Lenk, B’90 Die Grünen; Oliver Nöll, DIE LINKE; Sebastian Forck, SPD

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