Gegen die Neuauflage der Kronzeugenregelung- Plenardiskussion
Auszug aus dem Plenarprotokoll der 15. Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 5. Juli 2007
Dirk Behrendt (Grüne): Danke schön, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: 1. Aufgrund welcher justizpolitischen Überlegungen wird das Land Berlin im Bundesrat dem Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafzumessung bei Aufklärungs- und Präventionshilfe (Drucksache 353/07) -, also der Kronzeugenregelung im neuen Gewand, zustimmen? 2. Ist der Senat mit mir der Auffassung, dass schon die 1999 ausgelaufene und aus guten Gründen nicht verlängerte Kronzeugenregelung verfassungsrechtlich höchst problematisch und unter strafrechtlichen Aspekten untauglich war, und hat es dazu mit den Koalitionsfraktionen bzw. im Senat Diskussions- bzw. Abwägungsprozesse gegeben? Präsident Walter Momper: Die Senatorin für Justiz, Frau von der Aue, bitte schön! Senatorin Gisela von der Aue (Senatsverwaltung für Justiz): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Behrendt! Ich beantworte Ihre Mündliche Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Der Senat unterstützt das Ziel des Gesetzentwurfs, vor allem bei der Bekämpfung des Terrorismus, der organisierten Kriminalität und der schweren Wirtschaftskriminalität den Strafverfolgungsbehörden ein geeignetes Instrument zur Verfügung zu stellen, das potenziell kooperationsbereiten Tätern einen Anreiz bietet, Hilfe zur Aufklärung und Verhinderung von solchen Straftaten zu leisten, die mit dem geltenden Strafrecht wegen ihrer häufig konspirativen Begehungsweise nur schwer bekämpft werden können. Der Senat stimmt dem Gesetzentwurf mit seinen Strafabsehens- beziehungsweise seinen Strafmilderungsmöglichkeiten auch deshalb zu, weil er nur für schwere und schwerste Straftaten greift und zudem auf einen Aufklärungs- und Verhinderungserfolg abstellt. Der Senat unterstützt weiter eine Prüfbitte an die Bundesregierung für eine wissenschaftliche Evaluation der neuen Regelung. Herr Abgeordneter! Ich hoffe, insoweit mit Ihnen einig zu sein, dass die Strafverfolgung sich ihre Erfolge nicht nur bei den kleinen Straftätern holen sollte, sondern alles tut, um auch an die schwerstkriminellen Hintermänner zu kommen. Zu Frage 2: Der neue Gesetzentwurf ist mitnichten die Wiedergeburt der alten, zu Recht als problematisch angesehenen Kronzeugenregelung. Er stellt – wie ich noch einmal klarstellen möchte – eine allgemeine Strafzumessungsregelung dar, mit der an die sogenannten kleinen Kronzeugenregelungen – zum Beispiel in der Rauschgiftkriminalität -, die sich über einen längeren Zeitraum bewährt haben, angeknüpft wird. Er tut dies gleichzeitig in einer Art und Weise, die Strukturfehler dieser Regelungen verhindert. Der Senat hat gegen den Gesetzentwurf auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Rechtfertigung für die beabsichtigte Regelung ergibt sich verfassungsrechtlich im Wesentlichen aus der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Verpflichtung des Staates zur wirksamen Verbrechensbekämpfung und dem Erfordernis einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege. Insofern stellt der Gesetzentwurf darauf ab, dass die Strafverfolgungsbehörden vor allem bei der Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität einschließlich der schweren Wirt-schaftskriminalität, deren Strukturen durch ein hohes Maß an Konspiration geprägt sind, in besonderem Maße auf Probleme im Rahmen der Beweisführung stoßen und es mit dem vorhandenen Instrumentarium vielfach nicht ge-lingt, in die abgeschotteten Strukturen einzudringen. Zum letzten Teil Ihrer Frage, Herr Abgeordneter, teile ich Ihnen mit, dass der Senat sich mit dieser Problematik in seiner Sitzung am 3. Juli beschäftigt und keine grundsätzlichen Einwendungen erhoben hat.
Präsident Walter Momper: Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Behrendt! – Bitte schön! – Sie haben das Wort!
Dirk Behrendt (Grüne): Frau Senatorin! Vielen Dank! – Könnten Sie noch einmal kurz skizzieren, welche Erfolge der alten Kronzeugenregelung Sie dazu bewogen haben, jetzt die neue zu unterstützen? Das kam mir in Ihrer bisherigen Argumentation zu kurz. Was hat die alte Kronzeugenregelung Erfolgreiches gebracht?
Präsident Walter Momper: Frau Senatorin von der Aue – bitte!
Senatorin Gisela von der Aue (Senatsverwaltung für Justiz): Herr Abgeordneter Behrendt! Ich habe gerade ausgeführt, dass nicht an die alte Kronzeugenregelung angeknüpft wird. Ich unterstütze die neue Kronzeugenregelung deswegen, weil sie an die Aufklärung der Straftat einerseits oder aber die Verhinderung einer Straftat andererseits anknüpft. Das ist eine sinnvolle Regelung. Sie kennen den Gesetzentwurf. Er ist zudem daran geknüpft, dass sich der Straftäter bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auch freiwillig bereit erklären muss, mit den Strafverfolgungsbehörden zu kooperieren.