Die Initiative Wassertisch begrüßt die Veröffentlichung der Geheimverträge durch die taz, will aber trotzdem den Volksentscheid. Erstmal soll sich das Parlament mit den Inhalten beschäftigen, sagen die Grünen. Ein Artikel aus der taz von KRISTINA PEZZEI.
Der Berliner Wassertisch hält ungeachtet der Veröffentlichung der umstrittenen Wasserverträge an seinem Volksbegehren fest. „Eine formal-juristische Offenlegung ist noch einmal etwas anderes als eine mediale Veröffentlichung“, sagte am Sonntag Michel Tschuschke vom Wassertisch. Zwar begrüße das Bündnis ausdrücklich den Schritt der taz, die bislang geheimen Verträge ins Internet zu stellen. „Aber wir wollen ja mehr, nämlich eine gesetzliche Grundlage schaffen für zukünftige Änderungen der Wasserverträge“, so Tschuschke. Damit wäre abgesichert, dass neue Wasserverträge öffentlich wären. Der Verein Mehr Demokratie äußerte sich etwas zurückhaltender. „Die Frage, ob man das Volksbegehren noch braucht, stellt sich“, sagte Michael Efler.
Grundsätzlich begrüßte der Wassertisch das Bekanntwerden der Vertragsinhalte. „Die öffentliche Diskussion in den Medien erhöht den politischen Druck“, erklärte die Initiative. Sie sieht den Senat nun unter Zugzwang: Er sollte „schleunigst die Flucht nach vorn antreten und die Transparenz im Wassergeschäft auch durch das Gesetz des Volksbegehrens juristisch wasserdicht machen.“
Die taz hatte am Samstag den Vertrag aus dem Jahr 1999 komplett online gestellt (www.taz.de/wasservertrag). Auch fünf spätere Änderungsvereinbarungen wurden so öffentlich. Damit wurden erstmals die umstrittenen Details der Gewinnermittlung für jeden sichtbar. Seit dem Teilverkauf der Wasserbetriebe an die privaten Versorger RWE und Veolia sind etwa 1,3 Milliarden Euro Gewinn an die neuen Eigentümer geflossen. Das ist deutlich mehr, als den Unternehmen ihrem Anteil nach zugestanden hätte. Der Verkaufspreis für 49,9 Prozent der Wasserbetriebe lag bei umgerechnet 1,7 Milliarden Euro. Seit der Teilprivatisierung sind die Wasserpreise in Berlin um etwa ein Viertel gestiegen.
Bisher nicht bekannt war vor allem, was der rot-rote Senat fünf Jahre später in einer geheimen Änderung der Wasserverträge verabredet hatte. Nun ist klar: Darin wurde die ursprüngliche Formel zur Berechnung der Tarife wieder eingeführt – und damit einem Urteil des Verfassungsgerichts zuwidergehandelt. Dies ging zulasten der Verbraucher: Die Wasserpreise stiegen kräftig, Senat, RWE und Veolia kassierten die Gewinne.
Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) bestätigte inzwischen, dass es sich bei dem Internetdokument um die Verträge handelt. Er verteidigte die 2004 geschlossene Zusatzvereinbarung; die Alternative wäre gewesen, dass das Land auf erhebliche Einnahmen hätte verzichten müssen. Zudem sei bekannt gewesen, dass es eine solche Änderungsvereinbarung gebe, erklärte Wolf am Samstagabend. Was er nicht erwähnt: Die Inhalte dieser Vereinbarung waren bis zum Wochenende geheim. Und es stimmt zwar, dass im Parlament darüber diskutiert worden war – aber stets unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Nach Ansicht des rechtspolitischen Sprechers der Grünen-Fraktion, Dirk Behrendt, muss nun das Abgeordnetenhaus über den Umgang mit den neuen Informationen beraten. Seine Parteikollegin Heidi Kosche forderte die Verfassungsrichter auf, die neue Sachlage zu prüfen. Sie sollten sehen, wie sie mit den Zusatzverträgen und der Vorgehensweise des Senats umgehen, sagte Kosche. „Neu ist ja der Fakt, dass das, was das Gericht für nichtig erklärt hatte, gleich wieder so gemacht wurde.“ Kosche klagt bereits vor dem Landesverfassungsgericht auf zügige Einsicht in den Vertrag und die Unterlagen, die im Zusammenhang damit stehen – knapp 120 Aktenordner. Sie wirft dem Senat vor, die ihr rechtliche zugesicherte Einsicht bewusst zu verzögern.
Transparency International hofft unterdessen, dass die Ereignisse um die Wasserverträge Signalwirkung auslösen. „Es wäre schön, wenn künftig für die Veröffentlichung von Informationen, auf deren Kenntnis die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht haben, nicht mehr Enthüllungsjournalisten bemüht werden müssten“, erklärte Geschäftsführer Christian Humborg. „Der Berliner Politik ist anzuraten, nur noch Verträge mit Privaten abzuschließen, bei denen der Vertragspartner einer Veröffentlichung zustimmt.“