Wir leben in einer Zeit, in der immer öfter gefragt wird: Feminismus – brauchen wir das noch? Ist das nicht ein Kampf der Vergangenheit? Ist an dieser Front nicht schon alles erreicht? Gleichzeitig werden in Polen die Rechte von Frauen* massiv in Frage gestellt, in Deutschland hetzt die AfD gegen Political Correctness und in den USA wird ein offener Sexist und Rassist zum Präsidenten gewählt. Die Diskriminierung von Minderheiten wird wieder mehrheitsfähig – ob in der Politik, in den Medien, auf der Straße oder im Netz. Ob in den USA oder Europa.
Doch nicht nur die Rechtspopulist*innen sind lauter geworden, sondern auch ihre Gegner*innen. In Polen hat sich eine beeindruckende Bewegung zur Verteidigung der reproduktiven Rechte von Frauen* entwickelt. Beim Czarny-Protest waren so viele Menschen auf der Straße wie lange nicht in Polen. In den USA gingen im Rahmen des Women’s March Millionen auf die Straße, um zu zeigen, was sie von Donald Trump und dem, was er repräsentiert, halten. Und es blieb nicht bei einer einmaligen Demonstration. Schnell gegründete Bündnisse organisierten weitere Proteste, unter anderem auch gegen Einreiseverbote für Muslim*innen. Initiiert wurden die Aktionen vorwiegend von Frauen*. Diese Entwicklungen haben mich sehr beeindruckt. Mich hat die Entschiedenheit beeindruckt, mit der sich in so kurzer Zeit so viele Menschen solidarisiert und gegen die Bedrohung von Minderheiten gewendet haben. Mich hat die Kreativität beeindruckt, mit der die Proteste für eine diverse Gesellschaft geführt wurden. Und mich hat die Solidarität beeindruckt, mit der im Namen des Feminismus ein Kampf für eine Gesellschaft ausgefochten wurde, die sich nicht nur gegen ein patriarchales System, sondern auch gegen weiße Dominanz wehrt.
Gründung des Feministischen Netzwerks
Vor diesem Hintergrund und gerade auch in Hinblick auf den nahenden Bundestagswahlkampf ist eine größere Sichtbarkeit von feministischen Bewegungen auch in Deutschland wichtig. Um zu zeigen, dass es viele tolle Projekte und engagierte Einzelpersonen gibt, die sich für einen solidarischen Feminismus einsetzen und um eine stärkere Vernetzung der unterschiedlichen Akteur*innen zu ermöglichen, habe ich gemeinsam mit Anne Wizorek, Stefanie Lohaus, Kübra Gümüsay und vielen anderen das Feministische Netzwerk gegründet. Beteiligt sind beispielsweise das Missy Magazine, das Gunda-Werner-Institut oder auch der Kölner Frauengeschichtsverein. Besonders ist, dass aber auch jede Einzelperson Mitglied werden kann. So können sich bereits etablierte Gruppen zusammenfinden in einem Netzwerk, das gleichzeitig offen ist für alle. Das feministische Netzwerk ist Ort des Austauschs, des Kennenlernens und auch des Einstiegs. Es dient als Plattform für Informationen zu Veranstaltungen, gemeinsamen Aktionen und anderen Personen, die sich für die gleiche Sache einsetzen. Was alle Mitglieder gemeinsam haben, ist das Bekenntnis zu unseren Leitgedanken, denen die Unity Principles des Women’s March als Vorbild dienten. Das Eintreten für die Rechte von Trans*personen, Menschen mit Behinderung oder Einwander*innen sind für uns genauso selbstverständlich wie die Forderung nach besserer Bezahlung von typischen Frauenberufen. Denn unser Netzwerk versteht sich als intersektional und denkt dementsprechend neben Sexismus auch andere Diskriminierungsformen wie Rassismus, Klassismus, Antisemitismus,
Ableismus, Trans*- oder Homophobie mit.
Der Frauen*kampftag am 8.März hat uns als Auftakt gedient, um über Veranstaltungen und Projekte in ganz Deutschland zu informieren und so für eine größere Aufmerksamkeit zu sorgen. Doch das war nur der Anfang. Wir wollen uns nachhaltig vernetzen und so gestärkt für eine vielfältige Gesellschaft ohne Diskriminierung kämpfen. Denn nein, soweit sind wir noch nicht. Und ja, deswegen brauchen wir immer noch Feminismus.
Hier könnt ihr unser Netzwerk finden und Mitglied werden: www.feministischesnetzwerk.org
Gesine Agena, Mitglied im Bundesvorstand und frauenpolitische Sprecherin