DS/1953/III

Mündliche Anfrage

Ich frage das Bezirksamt:

1. Vor einigen Wochen berichteten im Ausschuss für Stadtplanung BewohnerInnen des Häuserblocks am Carl-Herz-Ufer von exorbitanten Mieterhöhungen durch den Vermieter im Zuge von Sanierungen. Was hat das Bezirksamt in der Folge unternommen, um die BewohnerInnen vor einer Verdrängung zu schützen?

2. Das Bezirksamt plant, für das Gebiet Carl-Herz-Ufer, Wilmsstraße und Baerwaldstraße eine Umstrukturierungssatzung gemäß § 172 Absatz 1 Nr. 3 BauGB aufzustellen. Welche Auswirkungen hat dies auf die Situation der BewohnerInnen?

3. Der Bezirksbürgermeister Franz Schulz hatte sich bereits Ende 2008 mit einem offenen Brief an den Senat gewendet, um Verdrängung und Segregation durch stark steigende Mieten zu verhindern – ohne Reaktion. Welche Maßnahmen müssen aus Sicht des Bezirksamtes durch den Senat ergriffen werden, um sozialer Verdrängung effektiv zu begegnen?

Frage 1:

Ich glaube, dass es da ein sehr schnelles Handeln des Bezirksamtes gegeben hat. Ich will das an einer kleinen Chronologie deutlich machen:

? Der Ausschuss für Stadtplanung von dem in der Frage die Rede ist, fand am 5. Oktober statt.

? Am 8. Oktober hat es ein Gespräch mit den Mietern, der Sanierungsverwaltungsstelle und mir gegeben. Und in der Sitzung verständigten wir uns darauf, dass wir den Versuch machen werden mit einer Umstrukturierungssatzung nach § 172 BauBG dort zu arbeiten.

? Das ist dann am 13. Oktober auf der Mieterversammlung verkündet worden und noch einmal im Detail diskutiert worden; hinsichtlich der Auswirkungen, Voraussetzungen und Bedingungen.

? Wir haben am 18. Oktober, nach Information der Eigentümer, dann auch das erste Gespräch mit den dortigen Eigentümern geführt.

Das ist ja nicht nur eine Frage der Gesprächskultur, sondern auch ein erster Schritt der Vorinformation zu der beabsichtigten Bezirksamtsbeschlussfassung. Ich will erwähnen, dass ich dieses Eigentümergespräch vorsichtig optimistisch bewertet.

Die Eigentümer haben sich durchaus bereit erklärt, in Anlehnung an das Pankower Modell, Mietergruppen, die geringes Einkommen besitzen, dort als Härtefälle zu betrachten und entsprechende Miethöhenreduzierungen zu verabreden. Was leider an dem Tag noch nicht gelungen ist, weil auch gleichzeitig die Mietersprecher_innen da waren, dass es zu einem Gespräch mit den Eigentümern gekommen ist (an diesem Tag). Das wird sicherlich dann in der Zukunft noch passieren müssen.

? Dann hat es zwei Tage später den Stadtplanungsausschuss gegeben, auf dem es dann auch die entsprechende unterstützende Stellungnahme des Ausschuss gegeben hat.

? Am 26. Oktober, also gestern, hat es dann den entsprechenden Bezirksamtsbeschluss zur Aufstellung einer Umstrukturierungssatzung gegeben.

? Morgen wird es das erste weitere Gespräch mit den Mietervertretungen geben. In Vorbereitung zu den Gegenständen die wir in den öffentlich-rechtlichen Vertrag mit den Eigentümern dann dort hineinverhandeln wollen.

? Dann wird es Anfang November die erste Verhandlungsrunde mit den Eigentümern geben. Ich glaube, dass sie da doch in der hier kurz zusammengefassten Chronologie sehen, dass dieses Thema sehr energisch angegangen worden ist. Ich denke, das ist auch im Interesse der Mieterinnen und Mieter notwendig und ich kann nur hoffen, und ich glaube, dass ist Interesse auch aller hier vertretenen Fraktionen, dass wir für die Mieterinnen und Mieter sozialverträgliche Eltern geben müsse (dann) verhandeln können.

Frage 2:

Die Auswirkung der Umstrukturierungssatzung die wir noch verhandeln müssen, ist nicht nur, dass ein Sozialplanverfahren nach § 180 BauBG eingeleitet werden wird. Die Mieterberatungsgesellschaft ist dazu ja auch schon gebunden worden, durch das Bezirksamt. Sondern wir erwarten, dass insbesondere für die Mietergruppen die Leistungen nach dem SGB II und XII beziehen, dort Mieten nach Sanierung verabredet werden können, die ein verbleibenden auch mit Blick auf die AV-Wohnen ermöglicht. Und zum anderen haben wir noch eine weitere Gruppe von Mietern mit geringen Einkommen.

Das sind diejenigen, die vom Grundsatz her Wohngeld beziehen können. Und auch da werden wir als Richtwert orientieren, dass die Mieten für diesen Mieterkreis nicht mehr als 30 % des Nettoeinkommens übersteigen darf. Man muss dabei natürlich aufpassen, dass die so ausgehandelte Miethöhe nach Sanierung nicht unter der Miete liegt die es vor Sanierung gegeben hat.

Aber ich glaube, dass es auch noch mal wichtig für diese Gruppe von Mietern, ein Verbleiben in diesen Gebäuden zu sichern. Das ist im Grunde auch die zentrale Auslegung, die ihr hoffen verhandeln zu können, dass es nicht zu einem Austausch in diesen Gebäuden kommt (aufgrund der Durchführung der baulichen Sanierung). Sondern dass es gelingt, das keinen Mieter nach Sanierung dieses Gebäude unfreiwillig verlassen muss.

Frage 3:

Ich glaube, dass auf der einen Seite die Mieterhöhungsmöglichkeiten des BGB geändert werden müssten. Ich glaube, dass wir die soziale Ausrichtung des städtischen Wohnungsbaubestandes brauchen wir haben dort ja in der Zwischenzeit, gerade im sozialen Wohnungsbau, Mietern die über dem freifinanzierten Wohnungsbau liegen. Wir brauchen die Zweckentfremdungsverbots- Verordnung. Das ist gar keine Frage, das ist ein wichtiges Instrument dass wir in Berlin wieder benötigen. Und ich glaube, noch mal ein wichtiger Punkt ist, weil er auch Motor ist der Umwandlung und Verdrängung in der Stadt, das ist die Umwandlung in Eigentumswohnungen; zumindest für einen längeren Zeitraum erschwert oder auch ausgeschlossen werden kann. Das sind in Kürze so die groben Eckpunkte, von denen ich glaube, dass Berlin dort wirkliche Ergebnisse erzielen werden muss. Wird das nicht passieren, werden wir relativ dramatische Veränderungsprozesse in der Zusammensetzung der Bevölkerung in der Innenstadtlage erleben.

BV Kapek:

Wir starten für dieses Gebiet, für diesen Häuserblock, im Baerwaldkiez die Umstrukturierungssatzung als eine Art Pilotprojekt. Ist dieses denn denkbar auch übertragbar auch auf andere Gebiete in Friedrichshain-Kreuzberg?

BzBm Herr Dr. Schulz:

ich glaube dass dieses Instrument durchaus verallgemeinerungfähig ist. Dennoch sagen auch die Juristin, die sich damit beschäftigen, dass man sich jeden Einzelfall anschauen muss, ob die dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind. Ich hatte ja nicht umsonst etwas längere Ausführungen gemacht zu den Mietern mit geringem Einkommen; das steht dann schon im Fokus der Überlegungen für so eine Umstrukturierungssatzung.

Denn die stellt sicher zum Ziel, die Durchführung der geplanten Maßnahmen nicht zu verhindern, sondern sie sozialverträglich umzusetzen. Damit sieht man natürlich auch ein Stück weit wo ihre Grenzen liegen. Aber natürlich auch ihre Stärke, dass sie die Sozialverträglichkeit von einer Baumaßnahme gegenüber von Verdrängung bedrohten Mietern sichern kann. In diesem Sinne ist sie auch generalisierungsfähig. Mit einer Ausnahme sicherlich, dass kann man von vornherein sagen, sie ist nicht auf Einzelhäuser anwendbar, sondern es muss ein Ensemble sein; kann eine Größenordnung bis zu einer Siedlung erreichen, aber keine Einzelhäuser.

BV Kapek:

Gerade in dem betroffenen Pilotvorhaben, das wir starten, sind ja eher weniger Mieter_innen, die gering verdienenden sind, betroffen. Welchen Schutz bietet es denn so genannten Normalverdienern (die Umstrukturierungssatzung)?

BzBm Herr Dr. Schulz:

Ich würde jetzt erstmal nicht sagen, dass wir dort einen überdurchschnittlich geringen Anteil von einkommensschwachen Haushalten dort haben. Unsere bisherigen Recherchen lassen da durchaus einen erheblichen Anteil erkennen. Aber sie sprechen natürlich noch mal eine andere Frage an, die ich im Grunde ein bisschen anders formulieren würde.

Wir haben dort eigentlich einen Zielkonflikt der auch anders gelagert ist als Pankow, mit seinen drei Aufstellungsbeschlüssen für Umstrukturierungssatzungen. In Pankow ging es eigentlich ausschließlich darum, einen Substandart in den Wohnungen auf den zeitgemäßen Wohnungsstandard zu heben. Das XXXXXthema spielt ja dort nicht die vorrangige Rolle, sondern wir haben dort das Phänomen, das energetische Sanierungen durchgeführt werden sollen. Und die hauptsächlich bei der Modernisierungsumlage dann zu diesen exorbitanten Mietsteigerungen von bis zu 70 % beitragen.

Und insoweit, der Zielkonflikt darin besteht, wie man notwendige energetische Sanierung ermöglicht, aber gleichzeitig die sozial so gestaltet, dass die Mieter bleiben können. Und da wird es sicherlich in vielen Punkten darum gehen, auch auf einer sehr fachlichen und zum Teil technischen Art und Weise, die Energieeffektivität von verschiedenen Maßnahmen zu betrachten. Und zwar auch im Interesse der Mieter zu betrachten.

Lassen Sie mich da, weil ich das jetzt nicht vertiefen will, ein grobes Beispiel sagen, dass für dieses Gebiet eine große Bedeutung hat. Es wird vorgesehen, auch die dortigen Kastenfenster komplett durch ISO Fenster zu erneuern. Das bringt einen riesigen Anteil an Modernisierungsumlagen; würde auch einen fantastischen U-Wert bringen, der weit über die NF 2009 hinausgeht. Man kann natürlich alternativ diskutieren und das werden wir auch tun, ob man nicht die bestehenden Kastenfenster schreinermäßig in Stand setzt.

Dann wäre dieser Teil nicht umlagefähig. Und nur die Einfachverglasung durch Wärmedämmungsglas ersetzt. Das wäre dann der einzige Anteil, der dann als Modernisierungsumlage die Mieter treffen würde. Aber sozusagen nur ein kleiner Betrag. Aber man hätte unterm Strich dennoch einen U-Wert, der etwa sich in dem Bereich abspielt, dem man bei der NF 2009 an den Neubau ausrichtet. Also einen sehr guten Wärmedämmwert. Und man hat trotzdem auch für die Mieter es geschafft, unabhängig ob sie jetzt ein geringes oder ein normales Einkommen haben, die Mietbelastung deutlich zu reduzieren.

Also das wird eine sehr komplizierte Debatte. Aber ich glaube, diese Debatte werden wir uns stellen müssen. Vielleicht auch Prototypen für die Diskussion in der Stadt, jemand Klimaschutz ermöglicht und gleichzeitig das sozial verträglich macht.

BV Jöting-Schüßler:

die Fragestellerin hat der dankenswerterweise auf die stark steigenden Mieten aufmerksam gemacht und in Frage drei auf den Senat verwiesen. Mich würde in diesem Zusammenhang interessieren, welche Handlungsmöglichkeiten denn der Bezirk sieht, als Bezirk zu handeln; neben Umstrukturierungssatzung (darüber wurde auch nachgefragt). Und dann würde mich auch in diesem Zusammenhang direkt interessieren: Die Frage Umwandlung in Eigentumswohnungen. Welche rechtlichen Möglichkeiten denn überhaupt gegeben sind, diesen sicherlich allseits geteilten Wunsch auch in Realität umzusetzen?

BzBm Herr Dr. Schulz:

Sie orientieren jetzt auf die bezirkliche Ebene und was getan werden könnte um die Umwandlung in Eigentumswohnungen zu verhindern. Da kann ich Ihnen einen Vorschlag mit auf den Weg geben, weil ihre Partei ja auch im Senat sitzt und Landespolitik betreibt.

Schon vor vielen Jahren hat der Bundesgesetzgeber über das Baugesetzbuch die Länder ermächtigt, dort wo Milieuschutzgebiete ausgewiesen sind (und das ist 80 % vom Kreuzberger Gebiet), durch Landesverordnung die Umwandlung in Eigentumswohnungen auszuschließen. Das gebe ich ihn gerne mit auf den Weg; das haben sie bislang versäumt. Sie sollten es tun.

Und das ist einer der Gentrifizierungsmotoren. Denn die Spekulanten die hier auf dem Markt auftauchen, haben nicht vor, ein Haus zu kaufen und langfristig zu bewirtschaften. Sondern es ist ja nun wirklich ein offenes Geheimnis. Die kaufen die Häuser, machen ein bisschen Kosmetik mit Modernisierung, dann werden die aufgeteilt und als Einzelwohnungen superteuer verkauft. Und die Summe dieser Einzelverkäufe übersteigt das zweit und dreifache von dem was sie für das Einzel ausbezahlt haben. Also wer das verhindern will, der sollte das tun. Und hätte das schon lange tun können.

Dann will ich noch mal auf einen anderen Punkt verweisen, das sind unsere 8000 Wohnungen die wir haben, mit Belegungsbindung und zum Teil auch mit Mietpreisbindung. Das sind diejenigen die öffentliche Förderung erfahren haben, wo wir eigentlich nicht direkt in Verantwortung stehen, weil er zu Verträge zwischen der Investitionsbank Berlin und den Eigentümern geschlossen worden sind. Also wir sind gar nicht der direkte Vertragspartner. Aber ganz schleifend im Land Berlin oder der Koalition (wie man das so nennen will) der Kontrollvollzug gehandhabt wird, ob die Vereinbarungen die getroffen worden sind hinsichtlich Mietpreisbindung, Belegungsbindung oder all diese Dinge auch tatsächlich, nachdem die öffentlichen Mittel geflossen sind, von den Eigentümern eingehalten werden.

Wir sind ja praktisch der einzige Bezirk, der auch mit Personal das kontrolliert. Und das ist ein Beitrag den wir als Bezirk leisten. Das wir sagen, das kann nicht sein, dass öffentliche Mittel rein fließen und die Gegenleistung, das damit bestimmte Bevölkerungsgruppen mit preiswerten und finanzierbaren Wohnraum versorgt werden, dass das nicht kontrolliert wird. Insbesondere wenn man weiß, dass viele Eigentümer nach einer kurzen Schamfrist sich versuchen darüber hinwegzusetzen.

Also da tun wir eine ganze Menge. Das kostet uns auch viel, Aber ich glaube das ist es Wert, um zu erreichen dass wir für diese Mieterin und Mieter dann noch mal ne Chance für 8000 Wohnungen damit sichern.

BV Dr. Römer:

In diesem Kontext, ich denke wir haben in vielerlei Beziehung die gleiche Auffassung was die Mietenproblematik betrifft. Ich will bloß eine Frage stellen, die möglicherweise bei ihnen natürlich auch offene Türen ein rennen. Dennoch will ich es an dieser Stelle sagen, weil ich es für bedeutsam halte. Stichwort: flächendeckende energetische Gebäudesanierung. Da gibt es jetzt einen Vorschlag des deutschen Mieterbundes, der die Modernisierungsumlage auf 11 % begrenzt und auch sagt, dass diese Modernisierungskosten nach 10 Jahren als Bestandteil der Kaltmiete wieder aus der Mietberechnung rausfallen sollen. Was halten Sie von einem solchen Vorschlag?

BzBm Herr Dr. Schulz:

Das ist, denke ich, wirklich ein abendfüllendes Thema. Weil wir da in der Zwischenzeit sehr spannende und interessante Modelle haben, wie vom Mieterverein gemacht worden sind, die von den Grünen gemacht worden sind und andere Gruppierungen die da in der Zwischenzeit versuchen Lösungswege für dieses Problem zu schaffen. Wir müssen darüber diskutieren. Das ist völlig klar.

Eine mündliche Anfrage ist dafür vielleicht nicht die geeignete Stelle. Aber wir haben dafür auch den Ausschuss, um auch unter Heranziehung von Experten und Leuten die sich da sehr intensiv beschäftigen, auch eine kommunalpolitische Diskussion zu entwickeln. Weil ich glaube, das wird uns in den nächsten Jahren intensiv begleiten.

Beantwortung: BzBm Herr Dr. Schulz

Fragestellerin: Antje Kapek

Bündnis 90/Die Grünen

Friedrichshain-Kreuzberg, den 08.11.10