Fast jede europäische Großstadt hat mittlerweile einen Christopher-Street-Day (CSD). Doch einen transgenialen CSD mit linksautonomen Anspruch gibt es nur bei uns in Friedrichshain-Kreuzberg. Wir feiern ihn am 23. Juni zum zehnten Mal, ein kleines Jubiläum also.

Die MacherInnen finden es übrigens „zum Kotzen“, dass es ihre Demo immer noch geben muss, die auch wirklich eine Demo ist, und nicht etwa eine Parade oder ein Umzug. Menschen, die sich als lesbisch, bisexuelle, schwul oder transgender definieren, demonstrieren damit gegen die immer noch vorhandene Diskriminierung. Unterstützung erhalten sie von Heteras und Heteros und so formiert sich inzwischen ein recht großer Zug, der seit letztem Jahr in Friedrichshain startet und zum Kreuzberger Heinrichplatz zieht.

Doch außer diesem ungewöhnlichsten aller CSDs gibt es noch mehr an Homo-Geschichte und Homo-Gegenwart. Denn unser Bezirk ist eine echte Homohochburg und zeigt das auch nach au?en, schon seit 1999, als zum ersten Mal im Regenbogenmonat Juni am Rathausmast die Regenbogenfahne flatterte.

Als sich die Lesben- und Schwulenbewegung Mitte der 70er zu formieren begann, war Kreuzberg das Zentrum der Emanzipation. Hier gab es die ersten kleinen selbstorganisierten Schwulengruppen und auch die Lesben gründeten hier ihr Frauenzentrum und ihre Frauencafés, bzw. -kneipen. Das Wort „Lesben“ kam damals noch nicht häufig vor, so weit wollte frau dann doch nicht gehen. Außerdem wurde argumentiert, man wolle man ja auch heterosexuellen Frauen den Zutritt nicht verweigern.

Schnell erweiterte sich die Szene und wieder war es Kreuzberg, wo die erste offiziell anerkannte und staatlich geförderte Beratungsstelle für Lesben und Schwule eröffnete. Dies ist nun auch schon 26 Jahre her. Die Beratungsstelle teilte sich jedoch schnell in zwei auf. Die Jungs zog es ins schickere Charlottenburg, die Lesben gingen nach Schöneberg in die Kulmerstr. 20a, wo sie immer noch ihr Domizil haben und die größte und fachkompetenteste Beratungsstelle Deutschlands aufgebaut haben. Übrigens an einem historischen Ort. Denn hier hatten vorher die autonomen Vorgänger LAZ (lesbisches Aktionszentrum)und SCHWUZ (Schwulenzentrum) ihre Büros.

Aber auch die schöne Seite des Lebens kommt im Bezirk nicht zu kurz. Die Homokneipenszene ist groß und bunt. Sie reicht vom Mehringdamm bis zum Boxhagener Platz. Denn nach der Maueröffnung und noch bevor Friedrichshain und Kreuzberg zu einem Bezirk (zwangs)vereinigt wurden, entwickelte Friedrichshain ganz eigenständig sein lesbisch-schwules Profil. Als Zentrum kann man den Simon-Dach-Kiez mit seiner ausladenden Kneipenkultur ansehen, aber auch die Projekte versammelten sich dort.

Ein absolutes Highlight der Friedrichshainer Community ist natürlich das ebenfalls zum zehnten mal stattfindende LesBiSchwule Parkfest in Friedrichshain, das am 18. August über die Bühne geht. Es wird von unserer Bezirksgruppe und der Landesarbeitsgemeinschaft Queergrün nun schon zum zehnten Mal mit gestaltet. Was als kleines „Familienfest“ mit wackligen Marktständen und Tapeziertischen begann, ist mittlerweile zu einem veritablen Sommerfest angewachsen, das weit über die Bezirksgrenzen hinaus bekannt und beliebt ist. Hier findet sich auch gerne die grüne Politprominenz ein, z. B. Bürgermeister Franz Schulz, der Bundestagsabgeordnete Volker Beck oder Parteivorsitzende Claudia Roth. Kreuzberg gehörte mit seinem damaligen grünen Bürgermeister Franz Schulz zu den ersten Bezirken, die es sich nicht nehmen ließen, zum CSD die Regenbogenfahne als Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung zu hissen. Als Schöneberg 1997 damit begann, war das subversiv und auch in den Folgejahren erlaubte der schwarz-rote Senat dieses Zeichensetzen nicht. Doch man hielt sich einfach nicht daran.

In Friedrichshain-Kreuzberg waren die grünen MandatsträgerInnen, Abgeordneten und BVV-Mitglieder schon immer „out“. Doch in dieser Legislatur gibt es besonders viel Homopower. Unter den 5 gewählten Abgeordneten aus unseren Bezirk sind eine Lesbe und eine Schwuler. In der aktuellen BVV-Fraktion sitzen 5 bekennende Lesben und Schwule – das sind stolze 25 %. Und unsere Jugendstadträtin ist bekennende Lesbe. Aber in diesem Monat wird erst einmal gefeiert. Alle, die politischen Anspruch mit Spaß und netten Leuten verbinden wollen, treffen sich am 23 Juni um 12 Uhr am Kosmos Kino in der Karl-Marx-Allee zum transgenialen CSD. Wir Grünen werden auch da sein.

Anja Kofbinger, MdA

Mitglied im Petitionsausschuss

Sprecherin für Frauenpolitik

und Lesben- und Schwulenpolitik

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

im Abgeordnetenhaus von Berlin

anja.kofbinger@gruene-fraktion-berlin.de

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