Bündnis 90/Die Grünen stehen weiterhin zum Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche. Der Religionsunterricht muss weiterhin auf freiwilliger Basis erfolgen

Für Berlin besteht nach § 141 GG keine Verpflichtung, Religionsunterricht als ordentliches Unterrichtsfach anzubieten.

Seit 1948 ist Religion in Berlin ein freiwilliges Unterrichtsfach, dass von 164.214 Lernenden im Schuljahr besucht wird. Das Land Berlin finanziert den Anbietern des freiwilligen Religions- und Weltanschauungsunterrichts 90 % der Personalkosten und anteilig Sachkosten. 2007 betrug der Zuschuss 47,2 Mio. € und wird 2008 voraussichtlich 47,8 Mio. € betragen.

Nach heftigen Debatten führte der Berliner Senat 2006 ein verpflichtendes Ethikfach für Lernenden ab der Klasse 7 ein. Das Fach sollte jährlich anwachsen und nach vier Jahren alle Lernenden der Klasen 7 – 10 umfassen. Der freiwillige Religions- und Weltanschauungsunterricht findet weiterhin statt. Damals wurde aus Rücksichtnahme auf die Kirchen von einer Einführung des Pflichtfaches Ethik Abstand genommen. Gegen die Einführung des Pflichtfaches Ethik haben einige Eltern und Schülerinnen und Schüler vorm Bundesverfassungsgericht geklagt. Sie wollten eine Abmeldemöglichkeit vom Ethikfach durchsetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Begehren Anfang 2007 zurückgewiesen. Mit Unterstützung der Berliner CDU und FDP gründete sich daraufhin eine Initiative unter dem Namen „ProReli“, die Ende 2007 ein erfolgreiches Volksbegehren startete und für den Herbst 2008 einen Volksentscheid ankündigte. Dadurch ist nun erneut die Debatte um Werterziehung und Religionsunterricht entfacht.

Pflichtfach Ethik: für gegenseitigen Respekt

Die Einführung des Pflichtfaches Ethik ist Grundlage für die Vermittlung demokratischer Werte und der Grundstein für ein multikulturelles und multireligiöses Miteinander an Berliner Schulen. Die Wertebildung hängt wesentlich von der Gestaltung schulischer Kontexte ab. Die Vermittlung von Werten ist Aufgabe der gesamten Schule. Werte können nur dann glaubhaft vermittelt werden, wenn das schulische Leben und die dort tätigen Erwachsenen diese Werte vorleben und wertvolle Verhaltensweisen fördern.

In Berlin gibt es, aufgrund der zunehmend multikulturellen und multireligiösen Bevölkerung einen wachsenden Bedarf an Informationen über Weltdeutungssysteme, Weltanschauungen und Religionen. Deshalb war es notwendig, das eigenständige, religiös und weltanschaulich neutrale Pflichtfach Ethik einzurichten, in dem sich die Lernenden mit Werten und Sinnfragen auseinandersetzen können und ein Grundwissen über Religionen und Weltanschauungen vermittelt bekommen. Dies dient dem gegenseitigen Verständnis der Lernenden unterschiedlicher Kulturen und Religionen untereinander. Der pädagogische Erfolg besteht darin, dass alle Schülerinnen und Schüler von- und miteinander lernen, sich untereinander austauschen und in den Dialog treten, statt getrennt nach Konfessionen unterrichtet zu werden. So können Lernende eigene Vorstellungen reflektieren, sie weiterentwickeln und fremde Auffassungen und Lebensformen verstehen und respektieren.

Initiative „ProReli“: für die eigene Religion

Nach dem Grundsatz des weltanschaulich und religiös neutralen Staates besteht für öffentliche Schulen kein Grund bekenntnisgebundenen Religionsunterricht verpflichtend im Rahmen staatlichen Regelunterrichts anzubieten. Religionsunterricht nach Vorstellung von „ProReli“ vermittelt nicht in erste Linie demokratische Werte, sondern die Erziehung zur jeweiligen Konfession und richtet sich damit sogar gegen den integrativen Gedanken, den das Fach Ethik vermitteln will. „ProReli“ verfolgt außerdem das Ziel mit der Initiative unliebsame Religionsgemeinschaften und Organisationen z. B. die Islamisch-Föderation ( IF ), Trägerin des islamischen Religionsunterrichts, aus der Schule fernzuhalten.

Dies ist verfassungsrechtlich äußerst bedenklich, da nach der Verfassung des Landes Berlin und dem Berliner Schulgesetz alle anerkannten Religionen das Recht haben, an den Berliner Schulen Religionsunterricht anzubieten. Die IF ist höchstrichterlich vom Bundesverwaltungsgericht als Religionsgemeinschaft anerkannt worden und bietet seit 2001 in Berlin islamischen Religionsunterricht an. In Anbetracht der Tatsachen, dass derzeit nur 4471 Lernende von etwa 350.00 Muslimen in Berlin diesen Unterricht besuchen und dass die IF bereits seit sieben Jahre hier aktiv ist, kann diese Zahl vernachlässigt werden. Auch das Argument der Staat hätte mit einem Wahlpflichtfach Religion mehr Kontrollmöglichkeiten ist nur bedingt richtig, da der freiwillige Religionsunterricht schon heute unter staatlicher Aufsicht stattfindet. Allerdings hat der Staat bei religiösen bzw. bekenntnisgebundenen Fragen keinerlei Mitspracherecht.

Trotzdem ist es notwendig, Religionslehrende für den Religionsunterricht auszubilden und entsprechende Studiengänge für die jeweiligen Religionsrichtungen an deutschen Universitäten zu schaffen.

Özcan Mutlu, Mitglied des Abgeordnetenhaus