Eine Elterninitiative möchte im Reichenberger Kiez eine evangelische Privatschule gründen und fühlt sich von der Bezirkspolitik nicht ausreichend unterstützt.

Auf der Homepage der Initiative, die sich um die evangelische Kita am Paul-Lincke-Ufer und die Emmaus-Gemeinde gegründet hat, wird es angekündigt: Wenn ihr uns unsere Schule nicht ermöglicht, gehen wir alle – „Wir packen unsere Koffer“. Der Konflikt dreht sich um das Gebäude der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Oberschule in der Reichenberger Ecke Ohlauer Straße. Die Initiative würde im Gebäude gern eine evangelische Grundschule gründen. Doch am selben Ort bildet das Land seit einigen Jahren Referendare für die Berliner Schulen aus. Und eine Verlagerung der Ausbildungsstätte wäre für Friedrichshain-Kreuzberg mit erheblichen Kosten verbunden.

Bereits im Sommer hatte deshalb die Schulstadträtin Monika Herrmann (Grüne) gegenüber der Elterninitiative einen Alternativstandort ins Gespräch gebracht: Die ehemalige Rosegger Schule am Marheinekeplatz. Dieser Vorschlag wurde jedoch damals von den Betroffenen kategorisch abgelehnt. Das ist inzwischen anders. Um den Standort Marheinekeplatz hat sich aber zwischenzeitlich auch der deutsch-türkische Bildungsträger Tüdesb beworben. Der will seine bestehende Oberschule aus Spandau nach Kreuzberg verlagern. Im Bezirksamt hat man sich deshalb dafür entschieden, in einem sog. Interessenbekundungsverfahren den am besten geeigneten Bewerber zu ermitteln. Dennoch wähnt sich die evangelische Elterninitiative von der bezirklichen Politik nicht hinreichend unterstützt. Sie hat das Gefühl, ihr Anliegen würde auf die lange Bank geschoben. Worin die mangelnde Unterstützung liegen soll, bleibt allerdings unklar, besteht doch grundsätzlich Gründungsfreiheit für Privatschulen. Es bedarf also keiner Genehmigung des Bezirks – die Einrichtung einer evangelischen Schule wäre jederzeit möglich.

Bildungspolitisch fragwürdig – Engagement erforderlich

Aus bildungspolitischer Sicht stellen sich folgende Fragen: Ist die Gründung von Privatschulen die richtige Antwort auf die bestehenden Probleme der staatlichen Berliner Schulen? Oder tragen sie nicht ihrerseits zur sozialen Spaltung bei, die sich in Teilen Kreuzbergs auch als Separierung von Kindern deutscher und nicht-deutscher Herkunft darstellt? Ein weiteres Problem kommt hinzu: Während sich im Ortsteil Friedrichshain aufgrund der hohen Geburtenrate schon heute ein Mehrbedarf an Kita- und Grundschulplätzen abzeichnet, stagnieren die SchülerInnen-Zahlen in Kreuzberg. Ein neuer Schulstandort ginge auch zu Lasten der bestehenden.

Auf der anderen Seite ist die Unzufriedenheit vieler Eltern mit der staatlichen Schulsituation gut nachvollziehbar. Zwar ist die schulische Situation entgegen der Annahme unseres Regierenden Bürgermeisters Wowereit (SPD) nicht so, dass niemand sein Kind guten Gewissens auf eine Kreuzberger Schule schicken könnte. Allerdings gibt es an vielen Stellen dringenden Verbesserungsbedarf. Und hierfür bedarf es engagierter Eltern. Diese sollten gemeinsam mit der Bezirkspolitik die Kürzungen an den Berliner Schulen skandalisieren und dafür kämpfen, dass wir insgesamt für alle bessere Schulen bekommen.

Dirk Behrendt, MdA