DS/1612/III

Mündliche Anfrage

1. Wie beurteilt das Bezirksamt die Ergebnisse des aktuellen Monitorings Soziale Stadtentwicklung im Hinblick auf den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg?

2. Wie beurteilt das Bezirksamt die vom Senat geplante Ausweisung von „Kreuzberg Nordost“ als „Aktionsraum Plus“ und was verbirgt sich hinter diesem Ansatz bzw. welche Instrumente kommen zum Einsatz?

3. Welche Maßnahmen sind aus Sicht des Bezirksamts darüber hinaus erforderlich, um die sozialräumliche und städtebauliche Entwicklung des Gebiets zu verbessern?

Dr. Schulz:

Zu 1: Das Ergebnis ist im Grunde eine Fortschreibung eines Ergebnisses, was wir in den letzten 2, 3, 4 Jahren auch schon dargestellt bekommen hatten, was sich auch ablesen lässt in unseren repräsentativen, sozialempirischen Untersuchungen zu den Milieuschutzgebieten und da haben wir ja fast zweidrittel der Kreuzberger Fläche überdeckt und im Grunde ist ja deutlich, dass hinter dieser sehr attraktiven Multikulifassade, hinter dem quirligen Leben auch dahinter eine erhebliche soziostrukturelle Problemlage existiert.

Eine Problemlage, die im Grunde deutlich macht, dass wir für große Bereiche der Bevölkerung nicht sprechen können, dass dort die Teilhaber am öffentlichen Leben gewährleistet wird, dass dort Bildungschancen wirklich existieren, dass wir so etwas, wie soziale Gerechtigkeit in diesen Quartieren haben, dass für große Teile der Bevölkerung soziale Perspektiven existieren oder Perspektiven in ein Arbeitsleben und das ist, glaube ich eine Resümee, was wichtig ist als Ergebnis von dem Monitoring und den notwenigen Handlungsbedarf ersichtlich macht.

Im übrigen wird dieses Stadtmonitoring, das ja stadtentwicklungspolitische Zielsetzungen verfolgt und hier die Stadtentwicklungsdynamik versucht einzufassen, dass die gestützt wird durch den jährlichen Sozialstrukturatlas, also zumindest auf dieser Planungs- und Monitoringsebene muss man sagen, dass es unabhängig davon ist, dass die beiden Senatsverwaltungen getrennten Parteien angehören.

Zu 2: Da kann man natürlich eine abendfüllende Antwort geben, das will ich jetzt nicht tun. Wir haben im Bereich der sozialen Stadt in seiner faktischen Ausweisung als Gebiete ein Problem, dass sie nämlich Inselausweisung z.t. mit sehr geringen Flächen.

Das hatte einen finanziellen Hintergrund gehabt, weil es im Bereich des Programms Soziale Stadt landesweit einen gedeckelten ….gab und man gleichzeitig möglichst viele Gebiete ausweisen wollte und das Kontingent pro Gebiet eine direkte Funktion der Anzahl der BewohnerInnen ist.

Im Ergebnis wurden dann kleinere Gebiete ausgewiesen, hier bei uns in Kreuzberg 6. Wen sie das jetzt nun überlagern mit dem Ergebnis von dem Stadtmonitoring oder mit dem sozialen Strukturatlas, dann werden sie sehen, dass eigentlich nicht so richtig ersichtlich ist, warum man den Wassertorplatz ausgewiesen hat und nicht weiter westlich das Gebiete, was sich anschließt, das z.t. die dramatischsten Werte darstellt oder warum man den Wrangelkiez ausgewiesen hat und nicht weiter südlich den anschließenden Berech um die Reichsberger Strasse.

D.h. und diese Schlussfolgerung ist richtig, die der Senat und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gezogen hat, dass man den flächenmäßigen zusammenhängenden Gebiet betrachten muss, wenn tatsächlich die Bereiche oder die Gebiete mit einem Handlungskonzept bedacht werden soll, Gebiete, die Entwicklungsbedarf haben.

Das ist für Kreuzberg der Nordosten, also praktisch der gesamte Bereich nördlich von der U1 letztendlich eigentlich Grävekiez und das Gebiet um die Bergmannstrasse, Chamissoplatz ausgenommen. Damit meine ich, dass wir dort die höchsten durchschnittlichen Haushaltseinkommen haben, auch wenn man sie als Äquivalenteinkommen ausdrückt, wie auch die höchste Bildungsrate haben, die niedrigste Rate von Transfereinkommen und ähnlichen Indikatoren, die man da ansetzten kann, also der gesamte Nordosten soll mit einer zusammengefassten Gebietskulisse betrachtet werden und das ist absolut richtig. Das hätte man von Anfang an tun sollen und müssen und nicht nur bestimmte Rosinen rauspicken.

Hinter dem Ansatz verbirgt sich dabei die Erweiterung des Ansatzes, des Konzeptes Soziale Stadt, das ergänzt ist inzwischen durch die Rahmenstrategie Soziale Stadt. Das ist ja der Versuch, das bisherige Konzept und den methodischen Ansatz eine räumliche Dimension und Bezug zu geben, also auch stärker in Sozialräumen zu organisieren und zu initiieren, das finde ich ebenfalls einen richtigen Ansatz.

Das ist eines der ambitioniertesten Konzeptionen, die wir in Berlin haben und ich glaube auch im zwischenkommunalen Vergleich gibt es, glaube ich keinen besseren stadtentwicklungspolitischen Ansatz, als den wir eben im Bereich Soziale Stadt haben.

Instrumente- vermutlich wird für Aktionsraum Plus Kreuzberg Nordost der § 71 E, BauGB zum tragen kommen, also das Programm Soziale Stadt letztendlich. Das ist für die Einzelaktionsräume unterschiedlich, einige geraten in Stadtumbau Ost, wenn der investiven, städtebauliche Charakter eher dominiert, wenn wir hier der Ansicht sind und auch diese Überlegung finde ich richtig, dass für die Ausweisung der Schwerpunkt Bildung sein soll und sein muss, also der nicht investive Bereich sondern die Investition in Kinder- und Jugendarbeit u.ä. Ich kann da vollkommen nachvollziehen, was bei der mdl. Anfrage auch Frau Herrmann gesagt hat.

Systematischer, besser wäre es, wenn diese Mittel nicht über diese Sonderprogramme mit temporärer Projektfinanzierung kommen würden, sondern als dauerhafte Mittelbereitstellung in die Bezirkshaushalte.

Darüber kann man sich jetzt methodisch und systematisch natürlich jahrelang unterhalten und kritisieren, entscheidend ist allerdings, dass vor dem Hintergrund der Haushaltslage, auch des Landes Berlin, Berlin immerhin bereit ist, diese Bundesprogramme und wir reden jetzt ausschließlich über Bundesprogramme, zu organisieren und einen enstpr. Landesanteil ko zufinanzieren und damit gewonnen werden kann ein erheblicher Umfang an Bundesmittel, die ansonsten hier nicht ankommen würden und seit kurzem auch europäische Fördermittel dazu eingeworfen werden können und selbstverständlich werden wir die in Anspruch nehmen, wie wir auch in einer anderen Förderlandschaft Umweltentlastungsprogramm Stadtumbau Ost, Stadtumbau West, Städtebaufördermittel u.ä. auch in Anspruch nehmen, obwohl es auch da lieber wäre, dass wir mit einer Regelzuweisung und die bauliche Unterhaltung aufgestockt bekämen.

Gleichwohl gibt es ein Problem. Wir haben hier im Bezirk und da hatte ja ein bisschen angeregt die Diskussion, der von ihnen genannte Tagespiegelartikel. In der Zwischenzeit einen relativ großen Wirrwarr unterschiedlichster Förderprogramme.

Also, wir haben jetzt hier in Kreuzberg städtebaulichen Denkmalschutz, Stadtumbau West, Umweltentlastungsprogramm, Soziale Stadt in den 6 Gebieten. Wir haben Sanierungsmittel und viele andere Subprogramme und die nun einmal zusammen zu bringen und zu sagen, wie ich die zu einem systematischen Einsatz bringe, ist ein richtige Ansatz und soll in dieser Ausweisung Aktionsraum Plus Kreuzberg Nordost dann erfolgen.

Vielleicht wichtig noch als Nebeninformation, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat uns bislang zugesichert, dass es nicht nur eine bloße Addition der Förderkontingente geben wird, sondern diese Summe erhöht wird um diese europäischen Fördermittel. Das werden wir sehen, wie das dann weiter aussieht. In diese Richtung streiten wir und stellen auch unsere stadtentwicklungspolitische Forderung.

Zu 3: Wenn es nicht hier im BA oder auf der Ebene des Landes Berlin zu ressourübergreifenden Zusammenarbeit kommt, dann wird der Grundgedanke Soziale Stadt wenig ausrichten hinsichtlich einer positiven Veränderung in diesen Gebieten. Wenn uns nicht zusätzlich zu politischen Schwerpunktthemen kommt, die auch finanziell untersetzt sind, werden sie ebenfalls nichts wesentlich an diesem Strukturproblem ändern. Das lassen sie mich zum Abschluss an einem Beispiel verdeutlichen.

Sie werden noch so viele Stadtteilmütter herum schicken können und werden am Ende, wenn sie dann die Statistik betrachten nicht substantielle Veränderung in den Bildungsproblemen sehen. Also, wie viele Kinder dann beispielsweise dann, zumindest im bisherigen Schulsystem nicht in der Hauptschule landen, sondern in weiterführenden Schulen.

Wie viele tatsächlich ihren Abschluss machen und nicht vorher schon abgehen. Was benötigt würde und das zeichnet sich eben im Moment nicht ab, dass das Land Berlin sagt, neben Parteiprogramm – wir brauchen und wollen eine Bildungskampagne. Eine Bildungskampagne, die allerdings sich nicht erschöpft in den pedantischen Ausrechnungen, ob nun eine 101 %ige Auslastung von Personal und Lehrern in Schulen sind oder nicht, sondern dass da richtig Geld investiert wird, um zu sagen, wir wollen das mit verbesserten Angeboten auf den unterschiedlichsten Ebenen lösen und dass ist, glaube ich im Moment noch nicht wirklich erkennbar.Vielleicht wird sich da etwas ändern im Bereich der Kita.

Es sind sehr viele Dinge angestoßen worden und die Einigung mit der Bürgerinitiative wegen dem Volksentscheid hat ja auch noch mal eine Verbesserung gebracht, aber nur sozusagen auf ihre 3. Frage hin als Antwort, das wäre glaube ich ein ganz wesentliches Projekt, eine Bildungsoffensive in Berlin, die ihren Namen verdient.

Friedrichshain-Kreuzberg, den 04.02.10

B’90/Die Grünen

Fragesteller: Herr Daniel Wesener