In Deutschland gibt es kein wirkungsvolles Gewerbemietrecht, das Mieter*innen angemessen schützt. In Kreuzberg ist die Verdrängung von Kleingewerbetreibenden besonders sichtbar. Das Bündnis OraNostra wehrt sich und vernetzt Gewerbemieter*innen miteinander – über den Oranienkiez hinaus.

Am 14. August 2019 wurde der Spätkauf von Zekiye Tunç in der Oranienstraße 35 trotz solidarischer Proteste zwangsgeräumt – ein seit zehn Jahren existierender Treffpunkt im Kiez. Zekiye Tunç wünschte sich damals, der Kampf gegen die Verdrängung solle weitergehen. Ein wichtiger Anlaufpunkt für Gewerbetreibende wie Zekiye Tunç, die trotz jahrelanger gewerblicher Tätigkeit ungeschützt sind, wenn Mietverträge nicht verlängert werden, ist das Bündnis OraNostra im Kreuzberger Oranienkiez.

Ein Bündnis gegen die Verdrängung

Die Initiative existiert seit dem Sommer 2017 und setzt sich aus Kleingewerbetreibenden, Handwerksbetrieben sowie Sozial-, Kultur- und Gesundheitseinrichtungen zusammen. Das Bündnis vernetzt Gewerbemieter*innen miteinander und unterstützt die von Verdrängung Bedrohten durch Informations- und Beratungsangebote. Es dreht sich dabei in der Regel um wirtschaftliche und rechtliche Fragen zu Vertragsverlängerungen oder Neuverträgen, der Kontrolle der Betriebs- und Nebenkostenabrechnungen oder um Gespräche mit den Vermieter*innen. Die Initiative sucht auch unabhängig von Anfragen der Betroffenen das Gespräch mit Immobilienvertreter*innen, um Mietverträge neu zu verhandeln und bezahlbar zu verlängern.

Gesetzliche Verankerung des Gewerbemietrechts

Das langfristige Ziel der OraNostra ist die Verankerung des Gewerbemietrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch, um Gewerbetreibende besser vor Kündigungen und unbegrenzten Mieterhöhungen zu schützen und damit Voraussetzungen zu schaffen, die jeweiligen Kieze zu erhalten. Die Initiative sucht daher auch das Gespräch mit Politiker*innen. Im Februar diesen Jahres fand beispielsweise ein Fachgespräch zu einem Gesetzesentwurf statt, den die grüne Bundestagsfraktion zum Thema Gewerbemietrecht vorgelegt hat; unter den über 100 Teilnehmer*innen diskutierten auch Mitglieder der OraNostra über den Entwurf. Die Kreuzberger Grünen-Abgeordnete Canan Bayram beklagt schon lange, dass der Anteil der Gewerbemiete mittlerweile bis zu einem Drittel des Warenverkaufswerts beträgt, während die Kaufkraft der Kund*innen aufgrund der steigenden Wohnungsmieten sinkt. Sie fordert eine stärkere Regulierung der Gewerbemieten im Rahmen eines gesetzlich verankerten Mietrechts.

Die Vernetzung über Berlin hinaus

Bis das Gewerbemietrecht gesetzlich verankert ist und es Gewerbetreibende wirkungsvoll schützen kann, tauscht sich die OraNostra auch mit Initiativen außerhalb von Berlin über die jeweiligen Probleme und Erfahrungen aus. Dazu zählen beispielsweise Wirtschaftsentwicklungspläne aus Erfurt und Magdeburg, die sich mit Zentren- und Märktekonzepten in der Bebauungsplanung beschäftigen. Es bleibt zu hoffen, dass der solidarische Protest der OraNostra und verwandter Initiativen ernstgenommen und ein faires Gewerbemietrecht so schnell wie möglich gesetzlich verankert wird.

Die OraNostra trifft sich wöchentlich. Nähere Informationen unter: https://www.rundumkotti.de/akteur-innen/initiativen/oranostra/

Laura Eckl für den Stachel 04/2020