Umkehr der Erinnerungsperspektive: Statt Pionier des Sklavenhandels wird nun Berliner Dichterin und Aktivistin der afrodeutschen Bewegung geehrt
Friedrichshain-Kreuzberg wird das Gröbenufer an der Spree in May-Ayim-Ufer umbenennen. Das beschloss gestern Abend das Bezirksparlament auf Antrag der Grünen. Mit dieser Umbenennung wird zum ersten Mal in Berlin ein kolonialer Straßenname ersetzt. Statt Otto Friedrich von der Gröben, den Pionier des deutschen Kolonialismus, zu ehren, soll das Ufer nahe der Oberbaumbrücke nun den Namen der verstorbenen Berliner Dichterin, Pädagogin und Aktivistin der afrodeutschen Bewegung May Ayim tragen. Mit May Ayim bekommt die Uferstraße eine Namenspatronin, die sich in den 1980er und 1990er Jahren wissenschaftlich, politisch und literarisch mit dem engen Zusammenhang zwischen Kolonialismus und Rassismus in unserer heutigen Gesellschaft auseinandergesetzt hat.
„Das Besondere an dieser Umbenennung ist, dass sie die Erinnerungsperspektive umkehrt. Wir wollen damit deutlich machen, dass Kolonialismus und Rassismus kein Thema der Vergangenheit ist, sondern zu den wirkmächtigsten und folgenschwersten Erblasten gehört, mit denen wir uns in unserer heutigen Zeit auseinanderzusetzen haben“, sagt Elvira Pichler, kulturpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion und Vorsitzende des bezirklichen Kulturausschusses. Bis zum Jahresende könne die Umbenennung vollzogen sein. Bis dahin sollen die Bauarbeiten an der historischen Kaianlage beendet sein. Gleichzeit wollen die Grünen dann mit einer dauerhaften Informationstafel und einer Ausstellung am Ufer über die koloniale Vergangenheit sowie über Gröben und Ayim informieren. Dieser Antrag wird im Kulturausschuss beraten.