Jugendliche sind heute nicht gewalttätiger als früher. Nur ihr Ruf ist schlechter geworden. Eine Strafverschärfung macht auch aus anderen Gründen keinen Sinn

Schon Mozart machte sich in seinem Lied „Die Alte“ darüber lustig: „Zu meiner Zeit, zu meiner Zeit bestand noch Recht und Billigkeit.“ Auch heute werden Jugendliche in der medialen Öffentlichkeit als rücksichtslos, egoistisch und gewalttätig dargestellt. Dies schürt bei vielen Menschen sinnlos Ängste. Fakt ist: Jugendliche sind heute weder schlechter noch besser als früher.

Mehr Anzeigen, nicht: mehr Fälle

Trotzdem ist die alte Diskussion um die Verschärfung des Jugendstrafrechtes, die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters auf 12 Jahre und die Ausweitung der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in geschlossene Heime wieder en vogue. Das verwundert. Denn weder die Jugendkriminalität insgesamt noch die Gewaltkriminalität junger Menschen ist in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen. Das zeigt ein Blick in den jüngsten Bericht der Bund-Länder-AG „Entwicklung der Gewaltkriminalität junger Menschen mit einem Schwerpunkt auf städtischen Ballungsräumen“ von 2007. Demnach sind nur die angezeigten Körperverletzungsdelikte häufiger geworden. Gleichzeitig hat es aber einen Rückgang bei Raubdelikten und bei vorsätzlichen Tötungsdelikten gegeben. Insgesamt heißt es im Bericht wörtlich: Es seien „keine gesicherten Aussagen zu den Fragen möglich, ob die Jugendgewaltkriminalität in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg zeigt“. Der Grund: Nur weil mehr Anzeigen bei der Polizei eingehen, müssen nicht mehr Fälle tatsächlich geschehen. „Auch hinsichtlich der Schwere von Gewaltdelikten ist keine eindeutige Aussage möglich.“ Und was die so genannten „kriminellen Ausländer“ angeht, so kommt der Bericht hinsichtlich der Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik ebenfalls zu keinem eindeutigen Ergebnis.

Doch nicht nur die Problemanalyse ist fehlerhaft. Auch im Diskurs über den Umgang mit Jugendlichen schießen viele Diskutanten über das Ziel hinaus.

Strafen haben geringe Abschreckungswirkung

Denn selbst im Zweiten Periodischen Sicherheitsbericht der Bundesregierung wird zur Abschreckungsthese folgender Forschungsstand referiert: „Entgegen einer weit verbreiteten Alltagsmeinung erscheinen nach dem gegenwärtigen Stand der kriminologischen Forschung die Abschreckungswirkungen (negative Generalprävention) von Androhung, Verhängung oder Vollzug von Strafen eher gering“. Für den Bereich der leichten bis mittelschweren Kriminalität gelte sogar grundsätzlich, dass Höhe und Schwere der Strafe „keine messbare Bedeutung“ haben. „Bislang wurden auch keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass eine Verschärfung des Strafrechts das Normbewusstsein positiv beeinflussen würde“.

Fazit: Es gibt keine sachliche Notwendigkeit, die bestehenden Normen zu verschärfen. Eine gute Sozial- und Bildungspolitik ist die beste Kriminalitätsprävention, weil sie jungen Menschen die Chance und das nötige Rüstzeug gibt, den gesellschaftlichen Wandel und die damit verbundenen Belastungen zu bewältigen. Daher ist die Verbesserung der Situation von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien für uns Grüne in Friedrichshain-Kreuzberg ein Schwerpunkt unserer politischen Arbeit. Konkretes Ziel ist es, Präventionsarbeit und Angebote für Kinder und Familien verstärkt auszubauen – und das noch in dieser Legislatur.

Marianne Burkert-Eulitz, Bezirksverordnete

Kontakt: marianne.burkert-eulitz[at]gruene-berlin.de