Kleine Anfrage der Abgeordneten Clara Herrmann(Bündnis 90/Die Grünen) vom 19. März 2009 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. März 2009) und Antwort.

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

1. Teilt der Senat die Einschätzung, dass Essstö-rungen ein extrem Besorgnis erregendes und nach wie vor unterschätztes gesundheitliches Problem insbesondere von Mädchen und jungen Frauen, zunehmend aber auch von jungen Männern sind? Teilt er weiterhin die Ein-schätzung, dass die in Medien und Modebranche nach wie vor vorherrschenden unrealistischen Schönheitsideale ei-nen übertriebenen Jugend- und Schlankheitskult mindes-tens begünstigen?

Zu 1.: Psychische Störungen und Erkrankungen sind häufig und sie sind zumeist folgenschwer. Diese Erkennt-nis beinhaltet auch Essstörungen, hier vornehmlich Ma-gersucht, Ess-Brech-Sucht und Essattacken. Es handelt sich um ernstzunehmende behandlungsbedürftige psychi-sche Erkrankungen, die häufig schon bei heranwachsen-den jungen Menschen auftreten. Die Auswirkungen der genannten Erkrankungen für die Betroffene/den Betroffe-nen und für Angehörige und Freunde sind in jedem Ein-zelfall ein Grund zur Besorgnis. Gleichwohl kann im Land Berlin für diesen Personen-kreis von einem qualitativ und quantitativ hochwertigen Behandlungs- und Hilfeangebot sowohl im klinischen als auch im ambulanten Versorgungsbereich ausgegangen werden. Mögliche Ursachen und Hintergründe für Essstö-rungen unterliegen vielfältigen biologischen, psychischen und sozialen Einflussfaktoren. Dass ein durch beispiels-weise Medien und Werbung vermitteltes bestimmtes Schönheits- und Schlankheitsideal eine Rolle spielt, ist im Zusammenspiel mit allen anderen Einflussfaktoren zu vermuten. Dies gilt gerade für Kinder- und Jugendliche, die in besonderem Maße lenk- und beeinflussbar sind. Aus den genannten Gründen ist eine Selbstverpflich-tung der deutschen Textil- und Modebranche für ein „ge-sundes“ Schönheits- und Schlankheitsideal und gegen „Magermodels“ zu begrüßen. Weitergehend kann auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage 16/12929 vom 8. Januar 2009 der Abgeordneten Clara Herrmann und der Kleinen Anfrage 15/12883 vom 13. Oktober 2005 der Abgeordneten Ramona Pop verwie-sen werden.

2. Ist dem Senat die auf Anregung der Bundesre-gierung im Juli 2008 unterzeichnete Nationale Charta der deutschen Textil- und Modebranche im Rahmen der „Ini-tiative Leben hat Gewicht“ bekannt, in der sich die Bran-chen zur aktiven Mitarbeit an der Prävention von Essstö-rungen verpflichten? Falls ja, teilt er die der Initiative zu-grunde liegende Einschätzung, dass die Branche aufgrund ihrer medialen Symbolkraft einen erheblichen Einfluss auf die Dynamik von Schönheitsbildern hat und insofern wesentlich zur öffentlichen Aufwertung eines gesunden und vielfältigen Körperbildes beitragen könnte?

3. Welchen Bemühungen zur konkreten Umsetzung der Charta gibt es bei den VertreterInnen der Mode- und Textilbranche in Berlin bisher und wie bewertet der Senat diese Aktivitäten? Inwiefern bringt sich der Senat in diese Bemühungen mit ein?

Zu 2. und 3.: Die im Juli 2008 auf Anregung des Bun-desministeriums für Gesundheit von Teilen der deutschen Textil- und Modebranche unterzeichnete nationale Charta zur Initiative „Leben hat Gewicht“ ist bekannt. Die Charta wird bisher lediglich von einem Teil der Textil- und Modebranche in Deutschland mitgetragen. Es gibt in Berlin bisher keine Hinweise auf eine zu-nehmende Anzahl von sogenannten „Magermodels“. Daher besteht derzeit kein Handlungsbedarf oder eine Notwendigkeit der Intervention. Der Senat wird im Rah-men seiner Möglichkeiten die Entwicklung beobachten.

4. Wie gewährleistet der Senat die Einhaltung der Charta im Rahmen von Projekten oder Unternehmen, die Landesmittel erhalten, wie z. B. der Berlin Fashion Week? Abgeordnetenhaus Berlin – 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 13 229

Zu 4.: Mangels entsprechenden Auffälligkeiten bei modebezogenen Veranstaltungen bzw. Modeunternehmen in Berlin wird derzeit keine Handlungsnotwendigkeit ge-sehen, die Entwicklung jedoch beobachtet.

5. Welche Maßnahmen gedenkt der Senat darüber hinaus zur Stärkung der Prävention von Essstörungen in Berlin zu ergreifen?

Zu 5.: Primärpräventive Ansätze für seelische Gesund-heit sind alle Erziehungs- und Unterstützungsleistungen, die Mädchen und Jungen stärken, ihre Fähigkeiten und Kreativität fördern und jungen Menschen ein positives Selbstbild entwickeln lassen. Dies geschieht in Schule, Kita, Sport, Kirchengemeinden, Vereinen und insbeson-dere in den Familien selbst. Primärprävention, die alleine auf die Magersucht zielt, greift in ihrer Wirkung zu kurz. Wissenschaftlich evaluierte Präventionsansätze sind sel-ten und legen einen eher zurückhaltenden Umgang mit diesen Ansätzen nahe. Leider zeigt sich, dass auch Sekundärprävention und die Behandlung manifester Essstörungen, insbesondere der Magersucht, als vergleichsweise schwierig zu be-zeichnen sind, vor allem aufgrund der häufig fehlenden Krankheitseinsicht. Gleichwohl wird dem Thema „Essen“ an den Berliner Schulen große Aufmerksamkeit geschenkt sowohl im Be-reich Gesundheit, speziell im Rahmen des Landespro-gramms „Gute gesunde Schule“, als auch im Bereich Suchtprophylaxe als Informations- und Beratungsangebot. Darüber hinaus wird zum Ende des Jahres Karuna e.V. neben den bereits bestehenden Angeboten den Schulen einen Parcours mit dem Thema „Gesunde Ernährung und Bewegung“ zur Verfügung stellen. Weitergehend kann auch hier auf die umfangreiche Beantwortung der Kleinen Anfrage 15/12883 vom 13. Oktober 2005 der Abgeordneten Ramona Pop verwiesen werden.

Berlin, den 24. April 2009 In Vertretung Dr. Benjamin-Immanuel H o f f _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. April 2009)