Liebig34

Liebig34

Offener Brief des KV Friedrichshain-Kreuzberg an den Regierender Bürgermeister Michael Müller, Bürgermeisterin Pop, liebe Ramona, Bürgermeister Dr. Klaus Lederer:

Als bündnisgrüner Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg, in dessen Bezirk auch das Hausprojekt Liebig34 sein Zuhause hat, fordern wir Sie auf, sich für den Erhalt desselben einzusetzen und Verhandlungen mit dem Hauseigentümer Gijora Padovicz aufzunehmen. Wenn wir als Koalition auf Landesebene festschreiben, dass die Stadt „von Kreativität, Freiräumen und der Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem“ lebt, dann sollten wir uns dementsprechend einsetzen, damit dies keine leere Worthülse bleibt.

Das anarcha-queer-feministische Hausprojekt, das seit gut 30 Jahren im Samariterkiez im Friedrichshainer Norden verwurzelt ist, prägt diesen maßgeblich mit. Jetzt ist es akut von Räumung bedroht, weil der Eigentümer – wie auch an vielen anderen Orten Berlins – ein Zuhause zum Renditeobjekt machen will. Das entsprechende Urteil einer gerichtlichen Auseinandersetzung wird am 30. April 2020 erwartet – am Tag vor dem 1. Mai, einem symbolträchtigen Tag für unseren Bezirk, der in den letzten Jahren zum Glück friedlich verlief. Das dies so bleibt, liegt uns sehr am Herzen. Denn im Fokus soll weiterhin stehen, notwendige, progressive politische Forderungen gewaltfrei auf die Straße zu tragen.

Das Schicksal der Liebig34 steht in einem größeren Kontext zahlreicher von Verdrängung bedrohter alternativer Haus- und Kulturprojekte in Berlin. Wir solidarisieren uns mit der Initiative „Kein Haus weniger!“, die neben den vielseitigen Projekten, Vereinen, Clubs und Organisationen aus Berlin auch von zahlreichen prominenten Persönlichkeiten aus Gesellschaft und Kultur unterstützt wird. Auch haben wir der Presse vernommen, dass Sie, Herr Lederer, ebenfalls durchaus Solidarität mit der Initiative empfinden.

Wir sehen es als Ihre Aufgabe als Bürgermeister*innen von Berlin in einer rot-rot-grünen Regierung, Verantwortung zu übernehmen, nicht zu schweigen und nicht tatenlos zuzusehen, wie die alternativen Haus- und Kulturprojekte aus unserer vielseitigen Stadt verschwinden. Wir möchten dringend an Sie appellieren, im konkreten Fall der bedrohten Liebig34 Verhandlungen mit dem Eigentümer des Hauses aufzunehmen und intensiv an einer Lösung zu arbeiten, dass die Bewohner*innen ihr selbstverwaltetes Zuhause behalten können. Wir appellieren an Sie als Repräsentant*innen unserer Stadt.

Die Liebig34 ist kein „normales“ Haus. Es ist ein Schutzraum für Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre und trans* Personen und solidarisches Zuhause, bspw. für Personen, die aufgrund finanzieller Gründe oder Diskriminierungserfahrungen kein anderes Dach über dem Kopf finden. Das Hausprojekt stellt eine wichtige Infrastruktur im Friedrichshainer Nordkiez dar. Ein großer Teil der Anwohner*innen empfindet es als wichtig, dass die Situation dort befriedet und gleichzeitig wichtige, anti-autoritäre Freiräume wie die Liebig34 erhalten bleiben. Klar ist, dass wir Gewalt weder gutheißen, ignorieren, noch befördern. Das darf uns aber nicht in der Sache spalten, alternative Freiräume in unseren Kiezen zu erhalten, in denen Menschen friedlich und selbstbestimmt zusammenleben.

Gerade in Zeiten, in denen sich Neo-Nazis, Rechtsextremist*innen und Rassist*innen in unserem gesellschaftlichen Klima dazu befähigt sehen, Menschen, die vermeintlich „nicht dazu gehören“ aufgrund ihres Aussehens zu töten und eine Partei in Parlamenten sitzt, die den Nährboden für diese Taten legt, ist es umso wichtiger, dass wir als progressive Koalition anti-faschistische Räume schützen. Wir sind der Meinung, dass die Berliner Stadtgesellschaft das von uns als Rot-Rot-Grün erwartet.

Wir hoffen sehr, dass für die Liebig34 eine bestandserhaltende Lösung gefunden werden kann und bitten Sie, sich dementsprechend einzusetzen. Sofern gewünscht, sind wir gerne bereit, uns zu beteiligen und Sie dabei zu unterstützen.

Der Geschäftsführende Ausschuss Bündnis 90/Die Grünen Friedrichshain-Kreuzberg für den Stachel 04/2020