Natürlich hätten wir Grünen uns mehr gewünscht – aber nach über einem Jahr Verhandlungsmarathon können sich die vielen kleinen Erfolge durchaus sehen lassen

Fast auf den Tag 16 Monate nach dem erfolgreichen Bürgerentscheid Spreeufer für alle hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Ende November die Verhandlungsergebnisse mit den Eigentümern betroffener Grundstücke vorgelegt. Danach hat Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) zahlreiche Veränderungen an vielen Grundstücken am Spreeufer im Sinne des Bürgervotums erreichen können.

Neben dem neuen East-Side-Park und dem Park an der Spree (in Bau) sollen an etlichen Stellen weitere Grün- und Freiflächen am Ufer entstehen, etwa in der Köpenicker Straße oder am Stralauer Platz. Auch breitere Uferpromenaden auf Friedrichshainer Seite oder das gekippte Hochhaus am Osthafen gehören dazu. „Selbst wenn wir uns hier und da mehr gewünscht hätten, können sich die bisher erreichten Ergebnisse sehen lassen“, sagt Schulz über den umfangreichsten Verhandlungsmarathon in seiner dreizehnjährigen Rathaus-Zeit.

Der SPD-geführte Senat hatte die Ziele des Bürgerentscheids abgelehnt, im Frühjahr 2009 dem Bezirk sogar ein Ultimatum gestellt und mit Entzug der Zuständigkeit gedroht. „Mit der Pistole auf der Brust lässt sich schwerer verhandeln“, sagt Schulz. Wegen der SPD-Politik zum Spreeufer verließen gleich zwei Mitglieder ihre Fraktion im Bezirksparlament und wechselten zu den Grünen.

Wie von der Initiative Mediaspree versenken gefordert, konnte auch eine weitere Autobrücke über die Spree verhindert werden. Erst nach dem Bürgerscheid von Juli 2008 hatte das Bezirksparlament die entsprechenden Anträge der Grünen-Fraktion angenommen. Auch aus diesem Grund sind wir dankbar über den aufrüttelnden Bürgerentscheid und die Mitarbeit der Initiative im bezirklichen Sonderausschuss Spreeraum.

Die Ziele des Bürgerentscheids und die Prämissen für die Verhandlungen Mit dem erfolgreichen Bürgerentscheid „Spreeufer für alle“ vom 13. Juli 2008 haben sich die Wählerinnen und Wähler für ein Ersuchen an das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ausgesprochen, in dem es um folgende Ziele geht:

1. Keine neue Autobrücke im Bezirk über die Spree. 2. Keine neuen Gebäude in einem 50-Meter-Streifen an der Spree. 3. Keine neuen Hochhäuser im Spreeraum.

Obwohl nicht Gegenstand des erfolgreichen Bürgerentscheids, hat sich der Grünen-Bezirksbürgermeister Franz Schulz im Rahmen von Verhandlungen vor und nach dem Bürgerentscheid mit den privaten Eigentümern der Spreegrundstücke auch für eine Öffnung der Spreeufer für alle eingesetzt.

Welche Rahmenbedingungen haben das Verhandlungsergebnis negativ beeinflusst? 1. Der Senat drohte dem Bezirk, die Zuständigkeit für die Spreeufer zu entziehen Der Senat drohte dem Bezirk, die Zuständigkeit für die Spreeufer zu entziehen, falls er die Ziele des Bürgerentscheids komplett durchsetzen werde. Dass er die Drohung ernst meint, zeigte er schon früher: Bereits vor einigen Jahren hat der Senat den Bezirk für das Spreegrundstück Schlesische Straße 33-34 (Ecke Cuvrystraße) kalt gestellt, weil der Bezirk Investorenpläne nicht mittragen wollte. Im Rahmen der aktuellen Verhandlungen stellte der Senat im Frühjahr 2009 dem Bezirk ein Ultimatum für das „Maria“-Grundstück und drohte mit Entzug der Zuständigkeit.

2. Planungsrecht existiert bereits Für den Großteil der vom Bürgerentscheid betroffenen Flächen existieren bereits festgesetzte Bebauungspläne, rechtskräftige Baugenehmigungen oder Vorbescheide, teilweise noch aus Zeiten des eigenständigen Bezirksamtes Friedrichshain.

3. Schadensersatzansprüche bei Veränderungen Wenn der Bezirk das aktuelle Planungsrecht gegen den Willen der Eigentümer verändert, können sie nach § 39 ff. BauGB Schadensersatzansprüche geltend machen. Das Bezirksamt hatte vor dem Bürgerentscheid errechnet, dass Kosten von 165 Millionen Euro auf den Bezirk zukommen könnten, sollten alle Forderungen erfüllt werden.

4. Bisherige Ufer-Nutzung steht Zielen des Bürgerentscheids entgegen Einige Bereiche des Spreeufers werden komplett durch Gewerbeunternehmen genutzt. Nur wenn sie sich bereit erklären würden, einen neuen Standort anzunehmen, könnten die privaten Ufer geöffnet werden. Beispiel: Auf der Lohmühleninsel (Vor dem Schlesischen Tor 2-3). Allerdings planen die beiden Unternehmen hier mittelfristig keinen solchen Schritt.

5. Keine Verhandlungen möglich In einigen Fällen waren die Eigentümer nicht zu Verhandlungen bereit.

Einzelne Beispiele für Verhandlungsergebnisse im Sinne des Bürgerentscheids:

1. Öffentliche Grünflächen in der Köpenicker Straße 21-29 – Behala/Dämmisol: Ergebnis der Verhandlungen mit dem Eigentümer: Nichtbebaute Freifläche direkt am kompletten Ufer, Tiefe: 30 Meter, davon 20 Meter öffentlich zugänglich. Zusätzlich zwischen Freiflächen am Ufer und Köpenicker Straße sogenannte Spreefenster. In der Summe entsteht ein unbebautes Areal, das von der Fläche her dem unbebauten 50-Meter-Streifen aus dem Bürgerentscheid entspricht. Die Realisierung einer provisorischen Uferöffnung ist 2010 vorgesehen.

2. Öffnung des Spreeufers in der Köpenicker Straße 16-17 – ehemalige Heeresbäckerei Die öffentliche zugängliche Uferpromenade ist rechtlich in Kaufvertrag und Bebauungsplan verankert. Die Realisierung ist für 2010 vorgesehen.

3. Spreeufers in der Köpenicker Straße 11-12 bereits zugänglich – Discounter mit Parkplatz Spreeufer ist bereits für alle geöffnet. Das ist das Ergebnis früherer Verhandlungen zwischen Eigentümer und Schulz.

4. Neue Planungsleitlinien für Kreuzberger Spreeufer in der Köpenicker Straße 10 a bis 29 Auf Vorschlag von Bezirksbürgermeister Schulz hat das Bezirksamt bereits im Oktober neue Planungsleitlinien für das Kreuzberger Spreeufer beschlossen. Demnach strebt das Bezirksamt für die allesamt privaten Grundstücke mindestens „einen 30 Meter breiten unbebauten Uferstreifen an, von dem mindestens 20 Meter öffentlich zugänglich sind“. Diese Flächen sollen durch Spreefenster, also öffentliche Grünflächen zwischen Ufer und Köpenicker Straße erstmals für die Bevölkerung erreichbar gemacht werden. Hochhäuser sind auf Kreuzberger Seite auch in Zukunft ausgeschlossen.

5. Bezirk kippt Hochhaus in der Stralauer Allee 3-16 – ehemaliger Behala Osthafen

Das Bezirksamt hat das geplante Hochhaus am ehemaligen Behala-Osthafen gekippt. Statt einer Höhe von 90 Metern orientiert sich die neue Höhe von 24 Metern an den Gebäuden der Umgebung. Der bisher private Uferbereich wird in der kompletten Länge öffentlich zugänglich. Die Gebäude sollen hier einen Abstand von 16 Metern zum Ufer haben, von denen 10 Meter für alle geöffnet werden. Zwischen den Gebäuden sollen ebenfalls sieben Spreefenster mit einer Breite von jeweils 20 Meter öffentlich zugänglich werden.

6. Neue Parkflächen für Mühlenstraße 11-33 – ehemaliger Ostgüterbahnhof/Arena Mit den neuen Grünflächen direkt an der Spree East Side Park (fertig) und Park an der Spree (im Bau) öffnet der Bezirk bereits große Bereiche des Friedrichshainer Ufers.

7. Öffentliche Uferpromenade für die Mühlenstraße 60-63 – Ost-Strand Ergebnis von früheren Verhandlungen ist eine öffentliche Uferpromenade über die gesamte Länge mit einer Tiefe von zehn Metern. Aktuelle Verhandlungen konnten keine weiteren Zugeständnisse erreichen.

8. Öffentliche Uferpromenade wird größer am Stralauer Platz 35 – Yaam In den Verhandlungen mit dem neuen Eigentümer konnte das Bezirksamt erreichen, dass die geplante Bebauung fünf Meter weniger nah an die Spree ragt. Gleichzeitig erklärte sich der neue Besitzer bereit, den aktuellen Zwischennutzer Yaam bis Baubeginn auf dem Gelände zu lassen und der liegt derzeit in weiter Ferne.

9. Hälfte des Grundstücks wird öffentliche Grünfläche am Stralauer Platz 29-32 – Maria Etwa die Hälfte des Grundstücks soll öffentliche Grünfläche werden. Der unbebaute Streifen entlang der Spree soll eine Tiefe zwischen 12 und 25 Metern haben. www2.frieke.de/uploads/spree_info_no._10.pdf

10. Öffnung des Spreeufers in der Köpenicker Straße 14 angestrebt – Zapf-Gelände Analog dem Dämmisol-Grundstück strebt der Bezirk eine Öffnung mit Grünflächen und Spreefenstern an. Damit würden ein 30-Meter-Streifen am Spreeufer unbebaut und 20 Meter öffentlich zugänglich werden. Die Einigung mit dem Eigentümer erscheint möglich, die Verhandlungen sind aber noch nicht abgeschlossen.

11. Keine neue Autobrücke über die Spree Der Antrag der Grünen-Fraktion, die frühere Brommy-Brücke nicht als Autobrücke zu realisieren, sondern als Steg für Radfahrer und Fußgänger, wird nach dem erfolgreichen Bürgerentscheid endlich vom Bezirksparlament angenommen.

Antje Kapek, Fraktionssprecherin im Bezirksparlament