Schon beim ersten Internationalen Frauentag 1911 forderte Clara Zetkin gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Und heute? Mehr als 100 Jahre später ist Deutschland in der Frage der Lohngerechtigkeit international weit abgeschlagen und rangiert im europäischen Vergleich auf einem der hinteren Plätze.

Alle Jahre wieder ist der Equal Pay Day, also der Tag, an dem Frauen im Schnitt so viel verdient haben wie Männer, nicht am 31.12. des entsprechenden Jahres, sondern erst im Folgejahr. Dieses Jahr wird der Tag, an dem Frauen so viel verdient haben, wie Männer in 2018, der 18. März sein. Am Equal Pay Day, dem Tag, der symbolisch die geschlechtsspezifische Lohnlücke markiert, soll auf diese immer noch bestehende Ungerechtigkeit aufmerksam gemacht werden.

Die Gründe dafür sind zahlreich: Frauen arbeiten häufiger in schlechter bezahlten (sozialen) Berufen, weniger in Führungspositionen, öfter in Teilzeit oder unterbrechen ihre Berufstätigkeit für Care-Arbeit unterschiedlichster Art. Und vor allem: Frauen werden für gleiche Arbeit schlechter bezahlt.

Und natürlich macht sich auch Mehrfachdiskriminierung beim Lohngefälle bemerkbar. Kommen Flucht- oder Rassismuserfahrung hinzu, ist das Ausmaß der Lohndiskriminierung nochmal verstärkt.

Was macht die Bundesregierung? Sie geht das Thema halbherzig an. Ein Jahr nach Einführung des sogenannten Entgelttransparenzgesetzes bleibt das Gesetz, wie erwartet, weitgehend wirkungslos: Unternehmen machen davon keinen Gebrauch.

Die Grüne Bundestagsfraktion hat das Gesetz von Beginn an kritisiert. Seit es in Kraft ist, können Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeiter*innen Auskunft über die Entgeltstrukturen in ihrem Betrieb verlangen. Das sogenannte Entgelttransparenzgesetz schafft aber nur sehr eingeschränkt Transparenz. Denn rund 60 Prozent der Frauen steht der Auskunftsanspruch nicht zu, da sie in Betrieben mit weniger als 200 Beschäftigten arbeiten. Betriebliche Prüfverfahren für die Entgeltstrukturen sind unverbindlich und auch wirkungslos, denn es fehlt die Vorgabe, zertifizierte Verfahren anzuwenden. Vor allem aber müssen Frauen, die gegen Entgeltdiskriminierung vorgehen wollen, weiterhin individuell klagen.

Transparenz für alle

Um wirklich wirksam zu sein ist es jedoch notwendig, dass das Entgeltgleichheitsgesetz auch für Betriebe mit weniger als 200 Mitarbeiter*innen gilt – gerade weil viele Frauen in kleinen und mittelständischen Unternehmen arbeiten.

Auch die Klagemöglichkeiten für Frauen, die weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen erhalten, müssen sich verbessern – etwa durch die Einführung eines Verbandsklagerechts, damit Frauen nicht individuell gegen ihre*n Arbeitgeber*in klagen müssen.

Nötig ist zudem eine angemessene Bezahlung in Pflege-, Erziehungs- und Gesundheitsberufen, in denen Frauen überproportional beschäftigt sind. Es ist ein Unding, dass Tätigkeiten, die in unserer Gesellschaft immer wichtiger werden, nach wie vor so geringe Anerkennung erfahren. Eine Aufwertung und bessere Bezahlung dieser Berufe ist mehr als überfällig.

Auch bei der unbezahlten Care-Arbeit wird der allergrößte Anteil von Frauen übernommen. Wir fordern eine bessere Vereinbarkeit mit der beruflichen Lebensplanung durch ausreichende Kitaplätze und Ganztagsschulen, durch Arbeitszeitmodelle die Flexibilität ermöglichen, ein echtes, nicht nur halbherziges Rückkehrrecht auf eine Vollzeitstelle. Vor allem müssen Männer endlich einen relevanten Beitrag leisten für die Gleichverteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit. Wir fordern zudem die Abschaffung des Ehegattensplittings und der beitragsfreien Mitversicherung.

Wir gehen deshalb dieses Jahr nicht nur am 18. März, sondern auch am 8. März, dem Internationalen Frauentag wieder auf die Straße, um gegen diese bestehenden Ungerechtigkeiten zu protestieren.

Annika Gerold, Fraktionssprecherin,

Sarah Jermutus, Vorsitzende des Ausschusses für Frauen, Queer und Inklusion, Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg

für den Stachel März 2019