Vor 100 Jahren mündete ein von Generationen von mutigen Frauen jahrzehntelang geführter Kampf in der Einführung des Frauenwahlrechts. Die große Bedeutung dieses Ereignisses und des Jubiläums steht außer Frage. Der 100. Jahrestag ist deshalb ein Grund zu feiern, an diesen wichtigen Meilenstein in der Geschichte der Frauenbewegung zu erinnern und mutige Frauen zu ehren und ihnen zu gedenken.

Auch 100 Jahre nach Einführung des Frauen-Wahlrechts sind Frauen nach wie vor nicht vollkommen gleichberechtigt. Egal, ob es um ungleiche Bezahlung oder mangelnde Repräsentanz in Wirtschaft, Politik und Parlamenten geht. Auch das Wahlrecht ist noch nicht für alle Frauen in Deutschland tatsächlich Realität, weil es an die deutsche bzw. EU-Staatsangehörigkeit (auf kommunaler und bezirklicher Ebene) geknüpft ist. Bereits Erreichtes in der Gleichstellungspolitik wird in Zeiten des Rechtsrucks in der Gesellschaft immer häufiger in Frage gestellt. Das zeigt: Auch eigentlich Selbstverständliches muss jeden Tag neu verteidigt werden. Frauen im öffentlichen Leben und gerade auch in der Politik sind derzeit vermehrt Anfeindungen ausgesetzt. Unzählige Vorkommnisse wie verbale Ausfälle in den Parlamenten oder auf Twitter bis hin zu konkreten Beleidigungen und Drohungen sind an der Tagesordnung. Im Bundestag sitzen nur 31 Prozent Frauen, so wenige wie seit 1998 nicht mehr. Auch im Berliner Abgeordnetenhaus beträgt die Quote nur 32,5 Prozent Auch wenn die BVV Friedrichshain-Kreuzberg mit 45,45 Prozent besser dasteht, darf sich auch hier nicht auf Erreichtem ausgeruht werden!

Gleichstellungspolitik ist auch Bezirkspolitik

Im Bezirk wollen wir Frauengeschichte noch sichtbarer machen und mehr Straßennamen nach Frauen benennen, um der männlichen Geschichtsschreibung etwas entgegen zu setzen. Es soll deutlich werden, dass Frauen früher und heute wichtige Akteurinnen und Gestalterinnen in Politik und Gesellschaft waren und sind.

Ein zentraler Aspekt für die Gleichstellung ist so zentral wie die Verteilung der (finanziellen) Ressourcen. Das gilt auch für die Bezirksebene. Wenn es dabei geschlechterspezifische Unterschiede gibt, ist es Aufgabe von Politik und Verwaltung, die bestehenden Angebote und die Ansprache zu hinterfragen. Unser Bezirk arbeitet an dieser Umsetzung schon seit einigen Jahren. Dieser Prozess muss fortgeführt, stetig verbessert und als Querschnittsaufgabe aufgefasst werden.

Gewalt, Diskriminierung, Zwangsheirat, Altersarmut, es gibt unzählige Probleme, von denen Mädchen und Frauen besonders betroffen sind. Zum Glück gibt es in unserem Bezirk viele Vereine, Projekte und Beratungsstellen, an die frau sich in Notlagen wenden kann. Sie sind jedoch von drastischen Mietsteigerungen und Verdrängung betroffen. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass diese wichtigen Projekte erhalten bleiben und auch in Zeiten begrenzter Mittel gefördert werden.

Erinnern und nach vorne schauen!

Gerade weil das Wahlrecht für Frauen so lange und so hart erkämpft werden musste, ist es wichtig, immer wieder daran zu erinnern und die Bedeutung von politischer Partizipation und Repräsentanz von Frauen hervorzuheben. Und uns auch klar zu machen: Auch heute gibt es Gleichberechtigung nicht geschenkt, sondern muss erkämpft werden.

 

Annika Gerold, Fraktionssprecherin BVV-Fraktion, Sarah Jermutus, Vorsitzende des Ausschusses für Frauen, Queer, Gleichstellung und Inklusion