Keine Woche vergeht in diesem Sommer ohne dramatische Nachrichten zur Lage unseres Planeten. Die Welt und damit auch wir befinden uns längst im Klimanotstand – auch ohne dass ihn jemand ausruft. Es ist unsere Realität.
Aktuell brennt der Regenwald im Amazonas, zudem stellt sich heraus, dass der arktische Permafrost mit einer Rekordgeschwindigkeit aufweicht. Expert*innen erwarteten diese massive Veränderung erst im Jahr 2090. Während ich diesen Beitrag verfasse, schwitzen in Friedrichshain Menschen um 21.30 Uhr bei 30 Grad auf ihren Balkonen, in ihren Wohnungen und in den Restaurants und Kneipen, während die Straßenbäume vor den Lokalen verdorren. Dieses Jahr mussten wir als Bezirksamt in Friedrichshain-Kreuzberg bereits im April die Menschen bitten, uns beim Gießen der Bäume zu unterstützen. Für einige scheint es daher, als habe die kommunale Politik und Verwaltung hier nicht ausreichend gehandelt.
Maßnahmen im Bezirk
Dabei gibt es in Friedrichshain-Kreuzberg seit Jahren ein ganzes Bündel an Klimaschutzmaßnahmen. Wir treiben die energetische Sanierung unserer bezirkseigenen Gebäude voran, planen die Begrünung unserer Dächer und mehr Solaranlagen.
Wir bauen Trinkbrunnen im öffentlichen Raum und Wasserspender in den Gebäuden des Bezirksamts, denn Leitungswasser ist nachhaltig und spart CO2. Wir bauen unseren kommunalen Fuhrpark nachhaltig um und setzen dabei insbesondere auf Fahrräder – für die Einsatzkräfte des Ordnungsamtes genauso wie für die Mitarbeiter*innen des Grünflächenamtes. Das beste Auto ist schließlich immer noch kein Auto. Die Radinfrastruktur wird ausgebaut und auf den Bunkerbergen im Volkspark Friedrichshain wird ein Wald aus heimischen Bäumen und Sträuchern gepflanzt. Wir unterstützen Initiativen vor Ort, die sich in ihren Kiezen für Verkehrsberuhigung oder Autofreiheit einsetzen wie im Wrangelkiez und probieren in der Böckhstraße neue Konzepte zur Nutzung des Straßenraumes aus.
Aber auch international setzen wir uns für Klimaschutz ein: in der Zusammenarbeit mit unserer Partnergemeinde San Rafael del Sur in Nicaragua, wo die Folgen des Klimawandels schon länger und dramatischer spürbar sind als bei uns in Berlin. Aktuell unterstützen wir die Kommune dort beim Aufforsten einen ehemaligen Kalksteinbruchs und durch regelmäßigen Wissenstransfer zwischen unseren Verwaltungen.
Radikaleres Handeln ist notwendig
All das sind gute und wichtige Maßnahmen, aber sie reichen nicht mehr aus. Wir haben nicht viel Zeit und müssen schneller und radikaler handeln. Damit Klimaschutz kommunal wirksam werden kann, brauchen wir Kommunen Unterstützung von der Bundesebene, wir brauchen entsprechende Gesetzesänderungen und wir brauchen dringend finanzielle und personelle Ressourcen, um dem Klimawandel zu begegnen.
Wer Klimaschutz vor Ort konkret wirksam machen will, muss sich trauen, radikaler zu denken als bisher. Alle Beschlüsse und sämtliches Verwaltungshandeln müssen unter Klimavorbehalt gestellt werden. Keine Bebauung mehr ohne Klimaprüfung. Wir brauchen eine Pflicht zum klimaneutralen Bauen, Solarzellen auf jedem Dach sowie die Begrünung der Dächer und Fassaden.
Grüne Oasen gegen den Klimanotstand
Nicht nur bei Immobilien, auch im öffentlichen Raum muss der Klimaschutz noch viel stärker berücksichtigt und umgesetzt werden. Unsere Straßen, Plätze, Parks und Bürgersteige sind ein Gemeingut, das im Sinne des Gemeinwohls genutzt werden kann und muss. Wenn die globale Erwärmung ansteigt und das Leben in den Städten immer schwieriger und gesundheitsgefährdender wird, müssen wir auch unbequeme Entscheidungen treffen und umsetzen. Wir brauchen in der Stadt jede grüne Oase im öffentlichen Raum, jeder Baum ist eine biologische Klimaanlage. Ein Parkplatz mit glühendem Asphalt hingegen nutzt nur der einen Person, die dort ihr Auto abstellt. Der Allgemeinheit dient er nicht. Radikaler Klimaschutz bedeutet, in der Innenstadt keine weiteren Grünflächen zu bebauen, sondern im Zweifel öffentliche Flächen zu entsiegeln und zu begrünen.
Viele Kommunen, wie die Stadt Potsdam haben mittlerweile den „Klimanotstand“ ausgerufen. Ein Notstand bedeutet, dass der Staat in Ausnahmezuständen stärkere Eingriffsrechte hat, zum Beispiel gegenüber privaten Akteuren. Ein Bezirk kann diesen Notstand in Berlin gar nicht ausrufen, das kann nur das Land Berlin.
Das Ausrufen des Klimanotstands ist ein Alarmzeichen. Noch wichtiger ist aber, konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz folgen zu lassen. Ein Notstand kann schließlich kein Dauerzustand sein.
Clara Herrmann, Stadträtin für Finanzen, Umwelt und Kultur