Was wollen wir tun? Die Arbeit schafft sich ab. Dann aber funktioniert das ganze System nicht mehr.

Eigentlich ist der Mensch furchtbar lästig. Denn er kostet Geld. Solange ich auf seine Arbeitskraft angewiesen bin. Als Konsument*in hingegen braucht er etwas Geld in der Tasche. Sonst bleiben all die schönen Waren im Regal. Betriebswirtschaftlich drückt er also auf die Bilanz, volkswirtschaftlich ist er die Melkkuh für den Gewinn. Dummerweise denken Betriebe betriebswirtschaftlich. Also versuchen sie, den Menschen los zu werden. Das nennen sie dann Produktivitätssteigerung. Im produzierenden Gewerbe ist dieser Prozess längst abgeschlossen. Riesige Roboterarme schrauben zusammen, was zusammengehört, von wenigen Kontrolleuren überwacht. Nicht einmal jeder Fünfte aller Beschäftigten wird hier noch gebraucht – gar nicht so lange her, da war es noch jeder Zweite. Nur, wie schon gesagt: Wer nix arbeitet, hat nix. Und wer nix hat, kann auch nix kaufen.

In eine ähnliche Falle ist der Kapitalismus in Deutschland schon in einer frühen Phase geraten, nach Gründung des Deutschen Reichs. Auf einen kurzen Boom folgte die fast 17-jährige Gründerzeitkrise. Arbeitskraft wurde rücksichtslos ausgebeutet, die Gewinne blieben bei wenigen hängen. Bis dann der von der Arbeiterschaft und den Gewerkschaften mühsam erstrittene Einstieg in die Sozialgesetzgebung das Schwungrad des Konsums allmählich in Gang setzte (na ja, Sozialgesetzgebung: Rente mit 70, bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 69 …)

 

Bisher ging das so gerade eben gut, weil sehr viele Arbeitsplätze neu entstanden sind in dem Bereich, den man Dienstleistung nennt. Dazu wurden weite Lebensbereiche ökonomisiert, in denen früher unentgeltlich gearbeitet wurde und die daher im BIP nicht auftauchten.

Aber jetzt geht es auch dem Dienstleistungssektor an den Kragen. Ob im Call-Center, an der Supermarktkasse oder in der Anwaltskanzlei: Automaten, Algorithmen und Computerprogramme können die Aufgaben besser, schneller, fehlerfreier und vor allem kostengünstiger erledigen als menschliche Hirne und Hände. Dass diese Entwicklung nicht aufzuhalten ist, darüber sind sich alle Experten einig (Frey/Osborne, Oxford, 2013; ZEW Mannheim, 2015 u.v.m.). Die britische Studie beispielsweise geht davon aus, dass knapp die Hälfte aller heute noch existierenden Arbeitsplätze in den nächsten Jahren und Jahrzehnten verschwinden werden.

 

Das wird unser jetziges System nicht schaffen, wenn wir nicht radikal umdenken. Wir müssen weg von der Zwangsverkettung von Arbeit und Verdienst: Ich muss arbeiten, um Geld zu verdienen, denn nur dann kann ich es mir überhaupt leisten, zu leben. Völlig in Schieflage ist dabei, wie die geleistete Arbeit bewertet wird. Soziale Berufe, die am wenigsten automatisierbar sein werden, werden schlecht bezahlt, im Kasino der Finanzmarktindustrie sind Millionengewinne drin. Und so kommt der angebliche Reichtum dieses Landes bei den allermeisten überhaupt nicht an, während in einem Teil der Öffentlichkeit ernsthaft über die Berechtigung millionenschwerer Boni für die VW-Manager diskutiert wird.

 

Postkapitalismus

 

Die Götze ‚Produktivitätssteigerung’ killt hier die Arbeit, weltweit hält sie unzählige Menschen in Armut und raubt ihnen die Lebensgrundlage. Und wenn diese Menschen dann zu uns kommen, sind sie alle selbstverständlich auch politische Flüchtlinge, denn wer sonst soll dafür verantwortlich sein, wenn unser sinnloser Hunger nach Palmöl ihre Äcker zerstört, als unser politisches und ökonomisches System?

„Für eine ökologisch begrenzte Welt brauchen wir eine andere Wirtschaftsstruktur“, hat Tim Jackson schon vor 7 Jahren proklamiert (“Wohlstand ohne Wachstum“, 2009). Mittlerweile sprechen auch klassische Ökonomen nicht mehr nur von Post-Wachstum, sondern von „Postkapitalismus“ – so der Titel des kürzlich auch auf Deutsch erschienenen Werks des britischen Journalisten Paul Mason.

Wir Grüne stehen für Frieden, ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit, hier und weltweit. Ob das innerhalb des bestehenden ökonomischen Systems zu leisten sein wird, ist mehr als fraglich.

 

Henry Arnold

– Sprecher LAG Kultur –