Klimaschädliches Verhalten muss seinen gerechten Preis bekommen – das ist eine der lautesten Forderungen, wenn es um Klimaschutz und nachhaltigen Konsum geht. Politisch nicht gewollte Verhaltensweisen gilt es einzudämmen.
Also muss Autofahren teurer werden, ebenso wie fliegen – eigentlich reisen im Allgemeinen. Außerdem ist Fleisch viel zu billig und das T-Shirt für 4,99 Euro sowieso. Ich habe kein Auto, kaufe meine Lebensmittel im Bioladen, esse seit 12 Jahren kein Fleisch und fliege nicht innerhalb Europas. Mein ökologischer Fußabdruck ist damit wahrscheinlich vergleichsweise klein, doch warum? Weil ich es mir leisten kann. Die Bettwäsche aus ökotec-zertifizierter Baumwolle, den doppelt so teuren Wocheneinkauf im Bioladen oder die Bahnfahrt von Berlin nach Wien. Ich kann für all das mehr zahlen.
Forderungen nach Preiserhöhungen können für manches eine Lösung sein – aber keine gerechte. Denn höhere Preise treffen verschiedene Menschen unterschiedlich hart. Natürlich ist Konsumkritik in der Debatte um konsequenteren Klimaschutz nicht unwichtig. Besonders wenn es um die Verschwendung von Lebensmitteln geht. Aber wenn Politik und Unternehmen die gesamte Verantwortung für Klimaneutralität auf die Verbraucher*innen übertragen, entziehen sie sich selbst der Verantwortung. Das gleiche passiert, wenn Menschen, die es sich finanziell leisten können, blindlings Preiserhöhungen fordern, nachdem sie doch selbst jahrelang auf Kosten aller zur Klimakrise beigetragen haben. Es ist nicht nur zu kurz gedacht, sondern auch ungerecht.
Inklusive Krisenbewältigung
Mit meinem bewussten und nachhaltigeren Konsum leiste ich mit Sicherheit einen Beitrag zum Klimaschutz. Außerdem beruhige ich so nicht zuletzt mein grünes Gewissen. Die Folgen der Klimakrise können jedoch nur durch den Wechsel unserer Wirtschaftsweise wirklich eingedämmt werden.
Der Verweis auf das Konsumverhalten Einzelner ist wenig effektiv und lenkt von den unbedingt notwendigen Schritten auf Seiten der Politik und Wirtschaft ab. Verfrühte Preiserhöhungen verringern dabei nicht nur die Teilhabemöglichkeit Vieler an gesellschaftlichen Ressourcen und Prozessen, sondern erhalten das System der sozialen Ungleichheit einmal mehr. Was bleibt, ist also nichts anderes als Klassismus zum Wohle des Klimaschutzes.
Ich habe noch keine Lösung ohne die ganz große Systemfrage zu stellen. Aber ich habe eine Forderung an meine grüne Bubble: Lasst uns keine klassistische Debatte über Preiserhöhungen führen, sondern für die Bewältigung der Klimakrise an einem ökologischen, aber gleichzeitig sozialen Umbau arbeiten. Indem wir mehr Grünflächen schaffen, weiter Radwege und den ÖPNV ausbauen – vor allem aber indem wir inklusiv denken.
Denn die Berücksichtigung aller Lebensrealitäten ist die Grundvoraussetzung für einen gerechteren und somit auch progressiveren Klimaschutz.
Alexandra Neubert ist Bezirksverordnete und steht auf Platz 9 unserer BVV-Kandidat*innenliste
Dieser Artikel erschien zuerst im Stachel, der bündnisgrünen Parteizeitung in Xhain.