Ein Klimaschutz-Selbstversuch
Berlin im Januar. Noch liegt in den Straßen der rotbraune Matsch der Silvesterknaller, die Bäume sind kahl, der Himmel meist wolkenverhangen – wie ein Vorbote des Frühlings fühlen sich da die guten Vorsätze an. Das neue Nichtraucher-Gesetz legt mir nahe, das Rauchen endgültig aufzugeben, die Waage, wieder mehr Grünzeug zu essen, und das leere Portemonnaie, doch einfach mehr zu sparen. Das private ist politisch – daher rettet die Welt und werdet aktive Klimaschützer!! Klimaschützer bündeln die üblichen altbekannten Vorsätze effizient und vermarkten sie optimal! Und das Beste dabei, jeder kann mitmachen und sich wohlfühlen! Seit Klimaschutz in Deutschland landauf landab zum täglichen Mantra geworden ist, bekommen wir fast täglich gute Ratschläge zur Reduktion des persönlichen und durchschnittlichen 11 Tonnen CO2-Austoßes pro Jahr und Bürger in Deutschland. Doch wer hat sich schon in den Ratgeberdschungel gewagt?
Mein Selbstversuch: zunächst mit dem CO2-Rechner des Umweltbundesamtes meinen persönlichen CO2-Ausstoß ermitteln, nach neun Schritten und ca. 20 Minuten Zeitaufwand liegt das Ergebnis vor: knapp 5 Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr. Was einige Energiesparlampen, das Fahrrad, der Fernwärmeanschluss, der Ökostromvertrag und die moderaten Konsumgewohnheiten schon ausmachen. Noch verbessern lässt sich die Bilanz mit Hilfe von CO2-Online. Der Kühlcheck gestaltet sich etwas umständlich und zeitaufwändig. Fazit ist jedoch, durch den Kauf eines neuen Gerätes könnte ich pro Jahr noch einmal eine halbe Tonne CO2 einsparen und hätte den Kaufpreis nach vier Jahren durch den geringeren Stromverbrauch amortisiert. Mit recht wenig Aufwand komme ich so zu einer Bilanz von 4,5 t CO2 pro Jahr. Das sind zwar ca. 6 Tonnen weniger als der Bundesdurchschnitt, aber gemessen an dem berechneten klimaverträglichen durchschnittlichen Ausstoß je Weltbürger ist es immer noch viel zuviel. Laut Greenpeace erträgt unsere Erde je Weltbürger ca. 2,3 t CO2 pro Jahr, andere Quellen rechnen mit noch weniger.
Der Schwachpunkt meiner CO2-Bilanz ist die jährliche Urlaubsreise mit dem Flugzeug. Mal eben mit dem Flieger nach Schweden schlägt mit fast einer halben Tonne CO2 zu Buche. Doch trotz meiner guten Vorsätze muss ich darauf nicht verzichten. Dank dem international agierenden Schweizer Unternehmen Myclimate oder der in Berlin ansässigen Atmosfair gGmbH, kann ich mich für ein wenig Extrageld von meinem schlechten Klimagewissen befreien. Beide Unternehmen berechnen den Tarif auf ähnliche Weise. Ausgehend von dem durchschnittlichen CO2 – Ausstoß eines Flugzeuges multipliziert mit der Anzahl der Flugkilometer erfährt der Kunde wie viel CO2 er voraussichtlich emittiert. 1 Tonne CO2 allein für den Flug Berlin – Antalya und zurück! Beide Unternehmen haben ein Netzwerk von verschiedenen Klimaschutzprojekten vornehmlich in Entwicklungsländern aufgebaut, die CO2 -Emissionen reduzieren. Den Gegenwert der Flugemission reduziert der Klimaschutzpartner vor Ort z.B. in Indien durch die Installation von Solarküchen an Stelle von Dieselbrennern. Die Kosten hierfür bezahlt der Kunde anteilig aufgrund seiner CO2 – Emission. Der Preis hat also nichts mit dem internationalen Handel mit Emissionszertifikaten zu tun. Letzterer ist ohnehin zusammengebrochen und existiert nur noch auf dem Papier, wenn man den Börsennachrichten trauen kann. Und da die Länder, in denen die Klimaschutzprojekte angesiedelt sind, nicht im internationalen Handel für Emissionszertifikate aufgenommen sind, werden hier, so der Geschäftsführer Dietrich Brockhagen von Atmosfair auf Nachfrage, tatsächlich CO2 – Emissionen eingespart und nicht nur verrechnet.
Myclimate bietet außerdem noch die Möglichkeit, unabhängig vom Verursacherprinzip die CO2-Bilanz zu verbessern. Um die klimaverträglichen 2 Tonnen privater CO2-Emission zu erreichen, müsste ich jetzt in Klimaschutzprojekte noch zusätzlich ca.50 € als Gewissensobolus investieren. Außerdem pflanze ich einen Baum, der verbraucht 2,1 t CO2 im Jahr, dann kann ich Emissionszertifikate an Umweltsünder verkaufen! Und schon bin ich der Retter der Welt – zumindest im Kleinen und rein rechnerisch. Einfach mitmachen und gut fühlen.
Barbara Fischer
Der CO2-Rechner: co2klima-aktiv.com/uba/ Kühlcheck und andere Energiesparquellen: www.co2online.de Flugreisen mit besserem Gewissen: www.myclimate.org Bei www.atmosfair.de gibt es außerdem noch Beratung für Urlaub ohne Flieger.
Die persönliche CO2-Bilanz verbessern:A)Energiespareneffizientere Haushaltsgeräte zur Minimierung von Wasser- und Energiekosten keine oder weniger Flugreisen Nutzung des ÖPNV, des Fahrrades und der Füße B)Energiebewusster KonsumÖkostrom Verwendung regionaler und saisonaler Produkte Mehr Gemüse und weniger Fleisch essen Beim Kauf auf Langlebigkeit und Recylingwert achten Durch konsequentes Konsumverhalten von den Herstellern energieeffiziente Produkte einfordern. |