Heute habe ich meinen Austritt aus der sozialdemokratischen Partei erklärt. Danach habe ich einen Aufnahmeantrag bei Bündnis 90/Die Grünen gestellt. Ich werde mein Direktmandat als Abgeordnete für Friedrichshain behalten. Ich denke, dass ich für die Friedrichshainerinnen und Friedrichshainer sowie für die Berlinerinnen und Berliner in der Grünen Partei mehr bewirken kann als mit der sozialdemokratischen Partei.
Vor fast 10 Jahren trat ich in die SPD ein. Ich wollte soziale und demokratische Politik machen. Da ich selbst von sozialdemokratischer Bildungspolitik profitiert hatte, wollte ich die Fortsetzung dessen unterstützen. Leider haben sich diese Erwartungen in den letzten Jahren immer weniger erfüllt. Seit Jahren werden bildungspolitische Konzepte auf Landesparteitagen beschlossen, die das Licht der Verwirklichung durch Umsetzung nicht erleben. Die VerliererInnen dieser Politik sind MigrantInnen und Menschen, denen es wirtschaftlich weniger gut geht. Der Abbau von Bürgerrechten und von sozialer Absicherung sind Entwicklungen, die ohne die Unterstützung durch die SPD keine Mehrheit gefunden hätten.
Besonders in folgenden Bereichen stimme ich mit der Politik der SPD in Berlin nicht überein:
Frauen und Gleichstellung
Bei der Frauenpolitik verhindern sowohl die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus als auch die SPD-Senatsmitglieder eine Frauenpolitik, die Parität und fairen Umgang miteinander zur Richtschnur hat. Bei der Besetzung eines Vorstandspostens der Berliner Verkehrsbetriebe wird seit Monaten ein rechtswidriger Zustand nicht rück abgewickelt, sondern sogar noch verteidigt. Selbst die Einschätzung von Sachverständigen in der Anhörung des Frauenausschusses, fast aller Arbeitsgemeinschaften der SPD Berlin und vieler eigener Abgeordneter wird als Unsinn abgetan. Michael Müller, Klaus Wowereit und Thilo Sarrazin fühlen sich an Gesetze, die die partitätische Teilhabe von Frauen zum Gegenstand haben, nicht gebunden.
Weder der Innensenator noch der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion halten es für erforderlich bzw. angemessen, sich bei den Frauen, die sich durch die Äußerung des Innensenators herabgewürdigt fühlen, zu entschuldigen.
Flüchtlingspolitik und Migration
Die SPD auf Bundesebene hat im Jahre 2007 an einer Verschärfung des Aufenthaltsgesetzes mitgewirkt, das dazu führt, dass Familien verelenden. Elternteile über Jahre von ihren Kindern getrennt werden und bestimmte Nationalitäten unter den Generalverdacht der Schein- bzw. Zwangsehe gestellt werden. In der Fraktion besteht eine die MigrantInnen ausgrenzende und diskriminierende Atmosphäre.
Die Praxis, dass Mitarbeiter der Ausländerbehörde bei Schülerinnen und Schülern an Hand der Zeugnisse über die Erteilung bzw. Versagung von Aufenthaltserlaubnissen entscheiden ist unerträglich und wird von der Fraktion und weiten Teilen der Partei mitgetragen. Mein Vorstoß zur Abschaffung dieses Verfahrens fand keine unterstützende Mehrheit. Ich finde dieses Signal auch als Rechtsanwältin, die auf dem Gebiet tätig ist, falsch und lehne es daher ab.
Umwelt und Verkehr
Ich lehne den Ausbau der A 100 ab. Bereits jetzt steht aber fest, dass der Senat an der Planung um jeden Preis festhalten wird. Ich halte dieses für falsch und halte ein Umdenken in der Verkehrspolitik für zwingend erforderlich.
Berlin, 5.5.2009 Canan Bayram