Der Abgeordnete Christian Ströbele berichtet über die grüne Fraktionsklausur in Mainz

Die Stimmung beim ersten Treffen der Fraktion nach der Sommerpause war gut, kein Wunder bei den Umfrageergebnissen. So wurden die Beschlüsse einstimmig gefasst. Die Kanzlerin und der Außenminister wollten zum Neuanfang Handlungsfähigkeit beweisen – aber am völlig falschen Objekt mit katastrophalen Folgen. Sie beschlossen den Ausstieg aus dem Ausstieg der Nutzung der Kernenergie. Und gerade war der Geheimvertrag bekannt geworden, mit dem das Kanzleramt die 100 Milliarden Extraprofi te für die Atomkonzerne über die nächste Wahl hinaus absichern will.

Also forderte die Fraktion erst mal, die sofortige vollständige Off enlegung des Vertrages. Einen Tag später stellte die Regierung diesen ins Netz. Zudem beschloss die Fraktion noch die Teilnahme an der großen Anti-AKW-Demonstration zehn Tage später, eine Sondersitzung am 4. Oktober in Gorleben und notfalls eine Verfassungsklage.

Politikverdrossenheit, Internet, Wirtschaft und Gleichstellung

Fast einen ganzen Tag lang beschäftigten wir uns mit der Politikverdrossenheit, dem schlechten Ansehen der Politik in der Bevölkerung und wie wir dies ändern können. Jeder brachte seine Erfahrungen aus dem Wahlkreis ein. Ein ideales Gesamtkonzept für die Wiederherstellung von Glaubwürdigkeit haben wir nicht, aber viele Anregungen, es besser zu machen.

Diskutiert und verabschiedet haben wir eine neue Politik für das Internetzeitalter, die grüne Potentiale der neuen Medien nutzt, aber auch Grund- und Bürgerrechte der Bevölkerung durch Datenschutz sichert. Vorratsdatenspeicherung und Netzsperren wollen wir nicht.

Zur Modernisierung von Wirtschaft und Arbeit schlagen wir staatliche Regelungen vor, die die Gleichstellung von Frauen durch Quoten wirklich sichert, Entgeltgleichheit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Gegen die skrupellose Bedienung der Industrie und Banken

Für die Debatten im Bundestag in der anschließenden Haushaltswoche haben wir unsere Position gegen die Regierungspolitik der skrupellosen Bedienung der Industrie und Banken durch großzügige fi nanzielle Gaben wie die an Hotel-, Atom- und Pharmalobby bezogen. Zu Sparmaßnahmen zulasten von ökologischer Erneuerung und sozialen Leistungen für Kranke und sozial Benachteiligte sowie mit Zumutungen für die Kommunen schlagen wir Alternativen vor: die Verbesserung der staatlichen Einnahmen zulasten des in den letzten Jahren gewachsenen privaten Reichtums in den oberen Schichten der Gesellschaft. Investitionen müssen in Bildung, Soziales und ökologische Innovationen fließen. Wir brauchen einen Mix aus gerechter Einnahmeverbesserung und gezielter Ausgabenkürzung, Subventionsabbau und gezielten Investitionen in eine solidarische Gesellschaft.

Energie 2050: ohne Atom und Kohle

Und vor allem ist eine andere Energiepolitik nötig. Deshalb wollen wir „Energie 2050: sicher erneuerbar“ für eine Versorgung ohne Kohle und Atom bis 2050. Der Ausbau der erneuerbaren Energien darf nicht durch längere AKW-Laufzeiten blockiert werden. Unser Energiemix stärkt den Mittelstand, das Handwerk, die Landwirtschaft sowie die Kommunen und kommt der globalen Verantwortung nach einem eff ektiven Klimaschutz nach. Die Vorschläge wurden vorgestellt und verabschiedet.

Zum Schluss ging es um Wein. Wie kann es in Mainz mitten im Weinanbaugebiet anders sein. Eine Forderung an die Regierung, ökologischen Anbau und Vermarktung von Wein zu fördern, wurde gestrichen. Die Fraktion folgte anschließend einer Einladung zur Weinprobe – ohne mich, mein Besuch in Mainz blieb drogenfrei.

Hans-Christian Ströbele, Mitglied des Bundestages

Alle Beschlüsse zur grünen Herbstklausur: www.gruene-bundestag.de/cms/fraktion/rubrik/0/63.fraktion.html