Anlässlich immer höheren Mieten in Kreuzberg veranstalteten Bündnis 90/Die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg eine Diskussionsveranstaltung zur Mietenentwicklung im Reichenberger Kiez. Das Fazit: Die Politik kann handeln, um die drohende Verdrängung von StudentInnen und anderen Menschen mit geringerem Einkommen zu verhindern – der Druck muss von der Straße kommen

Als Diskussionsteilnehmer waren geladen der grüne Bezirksbürgermeister Franz Schulz und Frank Straubing vom Berliner Mieterverein in Friedrichshain-Kreuzberg. Die Resonanz war enorm. Statt der erwarteten 40 bis 50 strömten mehr als 100 BürgerInnen in das CHIP Jugendhaus in der Reichenberger Straße. Nachdem man spontan den Raum gewechselt hatte, um allen BesucherInnen Platz zu bieten, konnte eine spannende Diskussion beginnen.

Bürgermeister Schulz skizzierte zunächst das Problem: Wohnen in Friedrichshain-Kreuzberg wird teurer. Besonders bei Neuvermietungen kommt es zu erheblichen Mieterhöhungen. Nur wenn Wohnungsnotstand besteht, sind diese gesetzlich auf 20 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete beschränkt, die sich aus dem aktuellen Mietspiegel ergibt. Laut Senat gebe es jedoch ausreichend freien Wohnraum in Berlin, an die 100 000 Wohnungen stünden leer. Der politische Ansatz, so Schulz, müsse also eine gesetzliche Begrenzung von Mietsteigerungen sein. Er hat in einem offenen Brief an den Senat vorgeschlagen, Mieterhöhungen bei Neuvermietungen generell auf den Mittelwert des aktuellen Mietspiegels zu beschränken. Mietsteigerungen ohne Wohnverbesserungswert sollen an die durchschnittliche Inflationsrate gekoppelt werden. Statt den momentan erlaubten 20 Prozent läge die Obergrenze dann bei etwa 6 bis 9 Prozent.

Kein Problembewusstsein beim Senat

Frank Straubing vom Berliner Mieterverein kritisierte die Position des Senates scharf. Die Behauptung, es stünden 100 000 Wohnungen in Berlin zur Verfügung bezeichnete er als Leerstandslüge. Mindestens ein Drittel dieser Wohnungen seien in einem so schlechten Zustand, dass man sie gar nicht ohne weiteres vermieten könne. Zudem lägen sie meistens in der Peripherie der Stadt und in sehr unattraktiven Wohngegenden. Geringverdienende auf diesen Wohnraum zu verweisen sei zynisch und bedeute die systematische soziale Verdrängung.

Die AnwohnerInnen sahen überwiegend die Politik in der Pflicht. Kritisiert wurde die Liberalisierung des Baurechts und die Weigerung des rot-roten Senats, steigende Mieten als stadtpolitisches Problem anzuerkennen.

Was also tun? Eine Umfrage des Tagesspiegels ergab kürzlich, dass 20 Prozent der BerlinerInnen gerne in Friedrichshain-Kreuzberg leben würden. Im Moment wohnen hier etwa 8 Prozent. Die Nachfrage wird also in nächster Zeit nicht schwächer werden. Bürgermeister Schulz und die Grünen in Friedrichshain – Kreuzberg haben den Senat aufgefordert, das Problem steigender Mieten ernsthaft anzugehen. Gesetzlich kann dies nur bundesweit geschehen, also über eine Bundesratsinitiative. Die Politik kann etwas tun. Für Schulz ist jedoch klar: „Ohne den offenen Protest der Anwohner wird’s schwierig. Der Druck muss von der Straße kommen.“

Jonas Schemmel

Den offenen Brief von Franz Schulz an den Senat zu steigenden Mieten finden Sie in der Rubrik Themen auf www.frieke.de.