Im Abgeordnetenhaus konstituiert sich heute der Sonderausschuss zu den Teilprivatisierungsverträgen. Ein Artikel aus dem Neuen Deutschland von Martin Kröger.
„Kommen Sie, schicken sie Vertreter, bringen Sie viele Mitbürgerinnen und Mitbürger mit und motivieren Sie so viele Mitmenschen wie möglich.“ Wenn die Einladung der Bürgerinitiative „Berliner Wassertisch“ angenommen wird, dürfte es heute ab 12 Uhr im Saal 311 des Abgeordnetenhauses voll werden. Denn dort will sich der Sonderausschuss konstituieren, der mit seinen neun Mitgliedern bis Ende des Jahres die Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) von 1999 unter die Lupe nehmen soll.
Dass das Gremium eingesetzt wird, hatten die Berliner mit dem erfolgreichen Volksentscheid „Unser Wasser“ erzwungen, dem im Februar 2011 über 660 000 Bürger zugestimmt hatten. Im Paragraf 3 des Volksentscheidgesetzes heißt es nämlich: „Bestehende Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden bedürfen einer eingehenden, öffentlichen Prüfung und öffentlichen Aussprache durch das Abgeordnetenhaus unter Hinzuziehung von unabhängigen Sachverständigen.“ Das ist der Auftrag des Sonderausschusses.
Ob er dazu allerdings geeignet ist, bezweifeln nicht wenige. „Wenn man sich die Geschichte von Sonder- und Untersuchungsausschüssen ansieht, dann wurde dort immer viel Papier produziert, aber Rechtsfolgen haben sich keine ergeben“, meint Thomas Rudek, einer der Verfasser des Volksentscheidsgesetzes. Erfolgsversprechender, um die Verträge abzuwickeln, sagt Rudek, wäre da schon eine Organklage. Doch bisher will keine der im Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen eine solche einreichen.
Kritik kommt unterdessen auch vom „Berliner Wassertisch“, der befürchtet, dass der Sonderausschuss zur „Farce“ gerät. „Ohne eine ausreichende finanzielle Ausstattung gerät der Sonderausschuss zur Farce, sind Gefälligkeitsgutachten vorprogrammiert“, moniert die Sprecherin des Wassertisches, Ulrike von Wiesenau. Dabei müsse der Senat doch dem Verdacht entgegenwirken, mit den Privatunternehmen eine „Beutegemeinschaft“ auf Kosten der Wasserkunden zu führen.
Da die rechtliche Materie der Wasserverträge komplex und umfangreich ist, hatten Anfang Dezember die Oppositionsparteien LINKE, Grüne und Piraten zusätzliche Mittel für den Ausschuss beantragt. Rot-Schwarz lehnte dies jedoch ab. Klaus Lederer von der Linkspartei will bei der heutigen Sitzung die Finanzfrage erneut aufwerfen. „Ohne Ressourcen kann der Sonderausschuss seinen Auftrag nicht seriös verfolgen“, sagt Lederer. Für die Grüne-Abgeordnete Heidi Kosche geht es darüber hinaus darum, die Verfahrensregeln dahingehend zu verändern, dass die Zulassung der Bevölkerung gesichert ist und alle Berliner Rederecht erhalten. „Ohne die Bevölkerung“, sagt Kosche, „ist der Ausschuss gescheitert.“