DS/1452/III

Mündliche Anfrage

Ich frage das Bezirksamt:

1. Was unternimmt das Bezirksamt gegen das „Schlepper-Problem“ vor der Kfz- Zulassungsstelle in der Jüterboger Straße?

Das Wirtschafts- und Ordnungsamt ist in den vergangenen Jahren, also lange bevor diese Legislaturperiode begonnen hat, schon tätig geworden und hat mit dem allgemeinen Ordnungsdienst bis in das Jahr 2009 hinein mehrere Großaktionen durchgeführt, um die sogenannte Schlepper oder Anreißer, welche von rivalisierenden Schilderherstellern und sonstigen Gewerbetreibenden in der Jüterboger Straße eingesetzt werden, wie es so schön heißt, inflagranti zu ertappen.

Der jeweilige Aufwand der Großaktionen war enorm. Im Nachgang wurden Ordnungswidrigkeitsverfahren eröffnet und diverse Bußgeldbescheide erlassen.

Bedauerlicherweise wurden fast alle Ordnungswidrigkeitsverfahren vom Amtsgericht Tiergarten, sofern sie wegen eines Einspruchs dort vorgelegt wurden, eingestellt. Man hat dort, trotz wiederholter entsprechender Klagen des Bezirksamtes, offenbar kein Interesse an der Verfolgung dieser unserer Stadt, unseres Bezirks unwürdigen Missstände.

Das hat sich bei den Anreißern bzw. ihren Auftraggebern herumgesprochen. Gegen fast alle Bußgeldbescheide der letzten Jahre wurden von Firmenanwälten Einsprüche eingelegt. Praktisch wurde jedem Einspruch stattgegeben, so dass im Wirtschafts- und Ordnungsamt keine Möglichkeit mehr gesehen wird, im Wege des Straßenrechts gegen die beklagten Missstände vorzugehen.

Beschwerdeführenden Anrufern wird angeraten, dass – soweit strafrechtlich relevante Verstöße ( Beleidigungen, Einsatz mehr oder weniger sanfter körperlicher Gewalt, Nötigung ) vorliegen – diese bei der Polizei anzuzeigen und damit ggf. Strafverfahren zu initiieren.

Die Polizei ist für das Thema sehr sensibilisiert. Durchschnittlich finden seit Februar 2009 pro Monat etwa 20 Einsätze in der Jüterborger Straße statt, also beinahe jeden Öffnungstag der KFZ – Zulassungsstelle ein Einsatz. Allerdings können nur bei strafbaren Handlungen Platzverweise ausgesprochen werden.

Insgesamt besteht eine sehr unbefriedigende Situation, zu dem Berliner Neubürger/innen bei der An- oder Ummeldung des PKW’s mit Zuständen konfrontiert werden, die den Zielen der Service-Stadt nicht entsprechen.

Neben den genannten Bemühungen des Wirtschafts- und Ordnungsamtes und der Polizei zur Verbesserung der Situation gab es im vergangenen Jahr eine Vielzahl von Einzelgesprächen mit Schilderherstellern und einen „Vor-Ort-Besuch“.

Am 29.01. fand auf meine Einladung hin ein Treffen mit Repräsentanten der unterschiedlichen Interessengruppen der Schilderhersteller im Bezirksamt statt, um mögliche Lösungen der angespannten Situation innerhalb dieser Gruppe zu generieren. An diesem Treffen nahmen auch die Polizei und das Wirtschafts- und Ordnungsamt teil.

Diese Veranstaltung blieb leider ergebnislos. In den Folgemonaten erhielt ich von betroffenen Schilderherstellern Mitteilungen über Körperverletzungen, Säureanschläge, die Geschäfte zuparkende Autos sowie Bedrohungen.

Es hat also bisher keine Entspannung oder Beruhigung der Lage stattgefunden.

In dieser Situation erfuhr das Bezirksamt eher zufällig von dem Vorhaben des Landes Berlin, in Ermangelung von landeseigenen Flächen die KFZ -Zulassungsstelle am Standort zu belassen und baulich umzugestalten.

2. Treffen Berichte zu, denen zufolge überlegt wird, den Standort der ansässigen Dienstleister (Schilderhersteller und Versicherungskaufleute) vom Eingangsbereich auf das Gelände der Zulassungsstelle zu verlagern?

Ja, die Berichte treffen zu. Nachdem das Bezirksamt von dem Umbauvorhaben erfuhr, fanden mehrer Gespräche mit Staatssekretär Freise und beteiligten Dienststellen statt. Das zentrale Ziel des Bezirks war es, aus städtebaulichen Gründen die Verlagerung der Zulassungsstelle an einen anderen geeigneten Standort zu erreichen. Das ist gescheitert.

Im ersten Gespräch wurde die Idee aufgegriffen, auf dem Gelände der KFZ – Zulassungsstelle auch Leistungen der Schilderhersteller anzubieten, um dem Kunden die Wahl zu lassen, Angebote außerhalb der Zulassungsstelle anzunehmen oder Angebote innerhalb.

Diese Möglichkeit wird derzeit geprüft.

3. Falls dem so ist: Welche Konsequenzen hätte dies für die bestehenden Kleingewerbe?

Die Frage kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden, da unbekannt ist, welche Platzkontingente auf dem Gelände zur Verfügung gestellt werden können. Grundsätzlich handelt es sich derzeit eher um eine Erweiterung der Angebote. Wie sich die Kundenströme dann entwickeln, ist sicherlich auch von der Preisgestaltung und dem Service innerhalb und außerhalb der Zulassungsstelle abhängig. Ob Schlepper dazu geeignet sind, das Interesse der Kunden auf sich zu ziehen, wenn ähnliche Angebote innerhalb der Zulassungsstelle angeboten werden, halte ich für fraglich.

Nachfrage:

4. Welche Auswirkungen hätte eine Standortverlagerung der Dienstleistungen für den bisherigen Vermieter der Geschäftsflächen, also die evangelische Kirche als Eigentümer der historischen Friedhöfe an der Bergmannstraße?

Mit der evangelischen Kirche gab es im Juli Gespräche. Die Verhältnisse vor Ort sind bekannt. Die genauen Auswirkungen für die Kirche als Vermieter können nur durch die Kirche selbst eingeschätzt werden. Eine perspektivisch andere Nutzung des Geländes wird nicht ausgeschlossen.

Im Übrigen ist noch zu bemerken, dass die früher beinahe fast täglichen Anrufe und Besuche der Schilderhersteller und ihren Beschwerden seit den skizzierten Plänen deutlich rückläufig geworden sind und vielleicht nun noch einmal von den Gruppen innerhalb der Schilderhersteller darüber nachgedacht wird, ob es nicht gemeinsame Lösungen zum Aufbrechen der schwierigen Situation im Umfeld gibt. Das wäre ja schon einmal ein deutlicher Erfolg, aber ich befürchte, dass derzeit viel mehr Mühe darin investiert wird, politisch zu agieren, um unliebsame Konkurrenz auf dem KVA-Gelände zu verhindern

Friedrichshain-Kreuzberg, den 30.09.09

B’90/Die Grünen

Fragesteller: Herr Daniel Wesener