DS/0563/III

Drucksachen der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin III. Wahlperiode

Ich frage das Bezirksamt:

1. Wie viele ALG-II-BezieherInnen im Bezirk haben seit Jahresbeginn gegen ihren Bescheid Widerspruch eingelegt?

2. Wie viele ALG-II-BezieherInnen im Bezirk haben im Jahresverlauf infolge von Sanktionen des JobCenters verringerte Bezüge erhalten?

3. Wie viele ALG-II-BezieherInnen im Bezirk sind seit Jahresbeginn wegen der Bewilligungspraxis des JobCenters vor Gericht gezogen?

Nachfrage:

4. Wie viele Widersprüche von ALG-II-BezieherInnen im Bezirk wurden seit Jahresbeginn nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Bearbeitungsfrist von drei Monaten durch das JobCenter erledigt?

Herr Mildner-Spindler:

Zu 1: Mit Stand 10. November 2007 wurden gegenüber dem Jobcenter FK 9404 Widersprüche geltend gemacht.

ZU 2: 9404. Wenn das viele neue Fragen hervorruft, verweise ich nur darauf, dass alle Mitglieder des Ausschusses für Jobcenter monatlich die umfängliche Statistik Bundesagentur und die Jobcenter sind ja berühmt dafür, dass sie sehr umfänglich Statistik führen, bekommen sie diese Statistik zur Verfügung gestellt und da können sie alle diese Fragen , die so zugerufen werden, beantwortet finden.

Zu 2: Dazu liegen keine exakten statistischen Erhebungen vor. Die Agentur für Arbeit wurde gebeten, hierzu Zahlenmaterial zur Verfügung zu stellen. Diese Antwort liegt noch nicht vor. Die Frage wird zum späteren Zeitpunkt nachgereicht beantwortet.

Zu 3: In diesem Jahr wurden 1083 Klagen und 427 Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz eingereicht bzw. gestellt. Das sind zusammen 1510 Vorgänge.

Zu 4: 101 Widersprüche wurden seit Jahresbeginn nicht innerhalb von 3 Monaten erledigt. Im Zeitraum vom 1.1.2007 – 10.12.2007 wurden 10377 Widersprüche bearbeitet und erledigt. Sie sehen daran, dass eine riesige Welle von nicht bearbeiteten Widersprüchen aus 2006 in diesem Jahr erledigt worden ist. Bis zur Mitte des Jahres ist die Ende letzten Jahres, Anfang diesen Jahres so kritisierte Bugwelle nichtbearbeiteter Ansprüche sukzessive abgearbeitet worden. Es gibt derzeit noch 1117 offene Widersprüche, davon unerledigt unterhalb von 90 Kalendertagen, also relativ frische Widersprüche 1016. Das sind 90,96%. Widersprüche, die bis zu einem halben Jahr alt sind, also 91-180 Kalendertage sind 97. Das sind 8,68% und Widersprüche, die noch länger als ein halbes Jahr zurück liegen, gibt es noch 4. Das sind 0,36%.

Herr Wesener: Mich würde natürlich jetzt angesichts dieser verheerenden Zahlen interessieren, welche Maßnahmen das Jobcenter aus Sicht des BA ergreifen müsste, um dagegen zu steuern.

Herr Mildner-Spindler: Das ist jetzt mit Verlaub schwierig, so pauschal zu beantworten, weil ich alleine schon nicht zu deuten weiß, worauf sich die Deutung „verheerend“ bezieht und ob diese Wertung „Verheerend“, wie sie sie getroffen haben dann sozusagen auch zutreffend wäre. Was deutlich wird, ich meine das können wir auch noch mal in einem Ausschuss machen. Es gibt ja auch noch über das Gefragte hinaus eine Statistik darüber, worauf sich Widersprüche gründen, also was sozusagen Anlass für die Widersprüche gewesen ist. Das ist dann auch noch mal interessant zu wissen, um dann auch sozusagen Maßnahmen ableiten zu können, was notwendig wäre eine große Anzahl von Widersprüchen zu verhindern, Bescheide korrekt zu erstellen. Auf der anderen Seite muss dann wiederum, wenn man unterstellt, die Widersprüche würden passieren, weil Bescheide nicht korrekt erstellt sind, müsste als erstes überprüft werden, ob denn diese Widersprüche in der Zahl, wie sie denn hier vorliegen berechtigte Widersprüche gewesen sind, oder ob denn nicht zu 80% Widersprüche gewesen sind, die ins Leere gelaufen sind, vielleicht hervorgerufen dadurch, räumt ja jeder ein, dass es eigentlich fast nicht nachvollziehbar ist, wie im Leistungsbescheid sozusagen zu lesen ist. Das ist ja schon eine kleine Herausforderung und insofern kann es also auch sein, dass ein ganze Reihe von Widersprüchen auf Verständnisfragen fußt, wo aber der Widerspruch gar keine Anlass wirklich zu einem Widerspruch gegeben hat. Unabhängig davon ist das größte Problem, was das Jobcenter hat, das größte Problem, was versucht wurde zu lösen. Ich hab es letzte Woche im Ausschuss auch vorgestellt, dass der personellen Kontinuität um die Arbeitserfahrungen und Praxis, die auch auf Erfahrungen beruhende Routine jetzt in der Bearbeitung von Anträgen ja gefährdet war, dadurch das eine Großzahl von befristeten Stellen sehr lange in der Luft gehangen hat. , was eine Entfristung bzw. eine Ermächtigung zur Verlängerung der Befristung betraf. Da konnte ich ihnen letzte Woche berichten, dass also für das Jobcenter FK wenngleich meistenteils nicht über eine Entfristung, sondern über eine Ermächtigung Verlängerung von befristeten Verhältnissen ersteinmal gelöst werden konnte, sodass im Endeffekt vom jetzigen Personalbestand Ende des Jahres lediglich 8 MitarbeiterInnen ohne Verlängerung einer befristeten Anstellung ausscheiden und das darin begründet, dass das Jobcenter mit der Arbeit dieser Menschen nicht zufrieden war.

Herr Römer: War ja eine außerordentliche Darstellung der Situation, die mir so bisher nicht bekannt, sitze ja leider auch nicht im Sozialausschuss und insofern aber habe ich trotzdem eine Nachfrage und zwar bezieht sie sich darauf, dass sie eben davon gesprochen haben, dass es sozusagen auch statistische Grundlagen, Erhebungen gibt, darüber welche denn die konkreten Anlässe für die Widersprüche sind und mich würde interessieren, weil ich Pressemeldungen mit verfolgt habe, dass die Wohnkostenübernahme durch die Ämter eines der entscheidenden Probleme ist, ob dies hier im Bereich auch so ist. Konkret gefragt, wie viel % der Widersprüche, die eingegangen sind, beziehen sich auf die Problematik Wohnkostenübernahme durch Hartz IV Empfänger.

Herr Mildner-Spindler: Ja, ich hab ja gerade gesagt, es gibt eine solche Statistik. Da nicht danach gefragt war, worin die Gründe für die Widersprüche liegen, hab ich das jetzt nicht vorliegen und kann es nicht spontan aus dem Hut zaubern. Eine schriftliche Anfrage gestellt zur sozusagen Struktur dieser Widersprüche und wir werden das beantworten und das so schnell wie möglich.

Herr Wesener: Mich würde ja interessieren angesichts der 1. Antwort von ihnen, wenn das BA nicht der Meinung ist, dass die zahlen „verheerend“, wie ich formulierte sind, wie würde denn dann das BA die Zahlen interpretieren.

Herr Mildner-Spindler: Dieser Einschätzung würde ich mich anschließen und ich meine, im Hinblick darauf, so eine Wertung die verheerend zu treffen, müsste man eine Wichtung heran ziehen, wie viel Bescheide werden alljährlich im Jobcenter gestellt, wie viel Widersprüche nach Bearbeitung sind denn wirklich berechtigte Widersprüche gewesen, wo also Fehler in der Bearbeitung eine falsche Handhabung des SGB II eingeräumt werden muss und korrigiert werden muss. Das würde ich gerne vor einer Wertung allein erst mal dieser Zahl -9000 Widersprüche- dort gerne dann noch bei der Bewertung reinziehen, sicherlich ist es so, dass jeder Widerspruch, jeder Anlass zur Beschwerde ein Anlass zu viel ist. Vielfach wurde aber auch durchaus reflektiert durch das Jobcenter, dass allein durch die gesellschaftliche Atmosphäre, dass das Jobcenter schlechte Arbeit leistet, Widersprüche provoziert sind, insofern lassen sie uns das einfach konkret betrachten, wie viel Widersprüche von 9000 Widersprüchen sind berechtiget Widersprüche gewesen und dann können wir dann zur Wertung kommen.

Friedrichshain-Kreuzberg, den 30.01.08

B’90/Die Grünen

Herr Wesener, Daniel

(Antragsteller/in, Fragesteller/in bzw. Berichterstatter/in)