Mit 15 Jahren kam sie allein nach Kreuzberg, wohnte in besetzten Häusern und stand kurzfristig unter Terrorismusverdacht. Heute ist Taina Gärtner grüne Haushaltspolitikerin im Bezirksparlament. Wie es dazu kam und was Christian Ströbele damit zu tun hat – das Portrait einer Kiezaktivistin

Plötzlich wurde die Tür aufgebrochen, die Polizei stürmte herein und verhaftete Taina Gärtner und die anderen BesetzerInnen eines Hauses in der Luckauerstraße in Kreuzberg. Denn dort traf sich Anfang der 80er Jahre der berühmt berüchtigte Kreuzberger Besetzerrat. Der Grund: Verdacht einer terroristischen Vereinigung nach § 129a. „Doch die Kriminalisierung der damaligen Besetzerbewegung schlug zum Glück fehl, keiner konnte verurteilt werden“, sagt die 44jährige, die noch immer in der Miet- und Wohnungspolitik aktiv ist. In ihrem Kiez rund um die Waldemarstraße hilft sie wie früher ihren Nachbarn bei Ärger mit den Vermietern. Dazugekommen ist ihre Engagement im Bezirksparlament. Doch Taina ist sich treu geblieben, vom viel zitierten Marsch durch die Institutionen kann keine Rede sein. Was sich aber geändert hat, ist ihr Bild von den Grünen. Der Partei, für die sie inzwischen aktiv ist, ohne Mitglied zu sein. Bis heute.

Im Jahr 2002 las Taina in der Zeitung, dass Christian Ströbele sein Mandat nach der Wahl nur behalten wird, wenn ihn die Bevölkerung direkt über die Erststimme in den Bundestag wählt. Das hatte bis dahin noch nie ein Grüner geschafft. Doch aufregen und nichts tun, ist nicht ihre Art. Die bekennende Linke wollte Christian helfen, meldete sich bei seinem grünen Kreisverband und hängte innerhalb weniger Tage ganze Kieze mit den inzwischen berühmten Seyfried-Wahlplakaten voll. Der Rest ist fast schon Geschichte.

Während Christian direkt in den Bundestag einzog und gegen Hartz-IV-Regelungen stimmte, demonstrierte Taina inzwischen mit ihren neuen Bekannten von der grünen Basis aus Kreuzberg gegen die neuen Sozialgesetze. Trotz ihrer Kritik an der rot-grünen Regierungspolitik auf Bundesebene wollte sich Taina für die Grünen im Bezirk engagieren. „Denn die Grünen, die ich hier kennen lernte, haben schon damals so ähnlich gedacht wie ich“, sagt Taina, die zunächst als parteilose Bürgervertreterin (sogenannte Bürgerdeputierte) im Frauen- und Gleichstellungsausschuss aktiv wurde.

Seit 2007 ist die ehemalige Straßenkämpferin nun Mitglied der Grünen-Fraktion im Bezirksparlament, einer ihrer Schwerpunkte: Haushaltspolitik. Dass sie sich einmal für diesen Bereich interessiert, hätte sie früher selbst nicht gedacht. „Aber inzwischen ist mir klar, wie wichtig die Haushaltspolitik ist“, sagt sie. Denn je weniger Geld die Bezirke vom Land Berlin bekommen, desto wichtiger sei es, die Prioritäten zumindest sozial verträglich zu setzen. Das hat Taina auch in ihrer Tätigkeit als Mitarbeiterin von Oliver Schruoffeneger, dem haushaltspolitischer Sprecher der grünen Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, gelernt.

Im Ausschuss für Integration und Migration setzt sich die alleinerziehende Mutter eines inzwischen 20jährigen Sohnes dafür ein, dass Kinder und Erwachsene mit Migrationshintergrund bessere Chancen haben, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Von ihren türkeistämmigen Nachbarn, weiß sie immer genau, wo aktuell der Schuh drückt. Deren oft schwierige Auseinandersetzungen mit dem Jobcenter kennt sie auch aus eigener Erfahrung.

Manchmal unterstützt Taina auch ganz praktisch den Schutz bedrohter Tierarten: Vergangenen Sommer hatte das RBB-Magazin zibb sie gemeinsam mit drei Gleichgesinnten zur Rettung von Meeresschildkröten als Turtle-Patrol (www.turtlepatrol.de) nach Borneo geschickt. Auch zu Hause in ihrem Kiez setzt Taina Zeichen: Als sie mitbekam, dass das Kreuzberger Gröbenufer nach einem Pionier des Kolonialismus benannt ist, schrieb sie statt eines Demoaufrufs ganz praktisch einen Antrag fürs Parlament. Zu einem größeren Polizeieinsatz soll es diesmal nicht gekommen sein. Und die Umbenennung ist für den Herbst geplant.

Christian Honnens