Erlebnisbericht einer Begegnung zwischen dem letztjährigen Jugendliteraturpreisgewinner, Andreas Steinhöfel, und seinem Leser
Es war ein ganz besonderer Mittwoch. Um 10 gingen Mama und ich los in die Diefe. Ich war total aufgeregt. Mit Andreas Steinhöfel ein Interview, das macht nicht jeder. Wir liefen erst das Paul Linke Ufer runter und dann die Gräfestraße hoch. Schließlich rechts rein in die Diefe. An der Robert Koch Schule vorbei bis fast zum Ende der Straße. Mama machte sich schon Sorgen, ob sie alles richtig aufgeschrieben hatte. Endlich sahen wir dann das richtige Haus. Geklingelt und dann nach ganz oben. Vorher hatten wir noch Brötchen, Milch und Käse eingekauft, die wir nun auf dem Küchentisch ausbreiteten. Ich war ein wenig schüchtern. Während meine Mutter und Steinhöfel sich über Lesungen unterhielten, bereitete ich meine Frageliste auf einem freien Stuhl aus. Ich wartete auf eine günstige Gelegenheit, um mich einzuschalten. Sie kam!
Rico der Tiefbegabte
„Wie sind Sie eigentlich darauf gekommen, dass Rico ein Tiefbegabter ist?“ „Ich hatte einen Artikel über einen Hochbegabten gelesen, deswegen wollte ich eigentlich über einen Hochbegabten schreiben und ich brauchte einen Gegenpol, jemanden über den man lachte. Also brauchte ich einen Rico. Aber da spielte mein Gefühl, was ich bei meinen Geschichten immer brauche, nicht mit. Also versuchte ich Rico so darzustellen, dass man nicht über sondern mit ihm lacht! Daher kommt es, dass man oft denkt, dass Rico die Hauptfigur sei“, antwortete er und wandte sich wieder meiner Mutter zu. Ich betrachtete die Platanen, die vor dem Fenster hin und her schwankten. Die abperlende Rinde sah aus wie Gaffer Tape. Mama fragte gerade: „Können Sie eigentlich von Ihren Geschichten leben?“ Aber ehe er antworten konnte, schaltete ich mich wieder ein: „Wann haben Sie eigentlich angefangen zu schreiben?“ Er antwortete verschmitzt: „Mit 29. Das war echt lustig. Mein Bruder ist Illustrator und gab mir ein Kinderbuch, damit ich ihm Tipps geben konnte. Ich las es und war entsetzt. So etwas konnte man kein Kinderbuch nennen! Ich war so in Wut, dass ich mich an den Computer setzte und eine Kurzgeschichte schrieb. Ich schickte sie an den Carlsen Verlag mit den Worten: Das ist eine richtige Kindergeschichte. Die Antwort kam einige Tage später. Ein Brief mit der Frage, ob ich noch mehr solcher Geschichten auf Lager hätte. Wenn dies so wäre, würden sie mir einen Vertrag anbieten. So wurde ich Autor und veröffentlichte bald darauf mein erstes Buch mit dem Titel Dirk und ich. Kurz darauf konnte ich auch schon vom Schreiben leben.“
Witzig und ernst
Ich lächelte. Über dieses Buch hatte ich, wie über viele andere seiner Bücher, sehr lachen müssen. Deswegen finde ich seine Bücher auch so gut. Das Witzige mit einem Tick ins Phantastische und trotzdem war alles irgendwie so … ernst. Das macht ihn wahrscheinlich auch so berühmt. Mit mehreren seiner Bücher gewann er wichtige Preise, wie z.B. 2009 den Deutschen Jugend Literaturpreis. Ich schaue auf die Uhr: 13:15. Auch Mama kam zum Ende. „Hast Du noch irgendwelche Fragen?“, wandte Andreas sich an mich. Ich verneinte lächelnd. Er schob sich den letzten Bissen des letzten Brötchens in den Mund, während Mama sich bedankte und wir aufstanden. Ich zog meine Schuhe an und öffnete die Tür. Andreas bedankte sich auch bei uns für den schönen Vormittag und wir schüttelten uns die Hände. Er drückte mir noch einen Stapel seiner Bücher in die Arme, die ich in meinen Rucksack stopfte. Dann gingen wir die Treppen wieder runter. Mama schlug vor, dass wir ein Eis essen gehen könnten. Mango mit Erdbeeren. Hmm, lecker.
Malte Fischer (12 Jahre)
Andreas Steinhöfel: 1962 in Battenberg geboren, lebt im Gräfekiez in Berlin-Kreuzberg. Autor zahlreicher, preisgekrönter Kinder- und Jugendbücher. Sein Bestseller „Die Mitte der Welt“ ist mittlerweile in vielen Ländern der Welt erschienen. Für „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ erhielt er u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis, den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis und die Auszeichnung „Lesekünstler 2009“. Der dritte Band erscheint im Herbst 2010 |