Heidi Kosche fragt den Senat nach Beratungsangeboten in Berlin.

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

1.Wie schätzt der Berliner Senat den Bedarf nach psychosozialer Beratung für erwachsene Männer, die als Junge sexuell missbraucht wurden, ein, damit diese die erlebte Gewalt bearbeiten können?

Zu 1.: Die Beratungsstelle „Tauwetter, vereint gegen sexualisierte Gewalt e.V.“ geht von der Annahme aus, dass in Berlin zwischen 80.000 und 165.000 Männer leben, die als Junge Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Offizielle Zahlen liegen weder in Berlin noch im übrigen Bundesgebiet vor. Wie viele dieser Jungen in ihrer Kindheit und Jugend bereits Beratung und Therapie erfahren haben, ist nur in Ansätzen bekannt. Der Verein „Tauwetter“ hat dokumentiert, dass sich in den Jahren 2007 und 2008 insgesamt über 350 Personen an die Informations- und Beratungsstelle des Vereins wandten, darunter rund 200 betroffene Männer mit der Bitte um Unterstützung. Genaue Angaben über die Zahl der Betroffenen in Berlin existieren jedoch nicht.

Die Tabuisierung des Themas in der Gesellschaft führt immer noch dazu, dass nur eine sehr geringe Anzahl an Männern eine Beratung aufsucht; festzustellen ist aber auch, dass im Anschluss an mediale Veröffentlichungen zur Thematik die Anfragen nach Beratung und Information deutlich ansteigen. Es ist wichtig, dass sich Männer, die als Jungen sexuell missbraucht wurden und sich mit den vielschichtigen Folgen sexueller Gewalterfahrung aus ihrer Kindheit auseinandersetzen wollen oder müssen, an ein niedrigschwelliges, kompetentes Beratungsangebot wenden können, das die besondere soziale, gesundheitliche und gesellschaftliche Dimension professionell berücksichtigen und entsprechende Unterstützung anbieten kann.

2.Welche Beratungsangebote in Berlin, die diesen Bedarf decken, sind dem Berliner Senat bekannt; wie werden sie finanziert?

Zu 2.: Dem Senat sind in Ergänzung zu den ärztlichen und therapeutischen Leistungen durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte bzw. Psychologinnen und Psycho-logen nur die Angebote des Vereins „Tauwetter, vereint gegen sexualisierte Gewalt e.V.“ bekannt. Dabei handelt es sich zum einen um die Anleitung und Leitung von Selbsthilfegruppen, dieses Angebot wird über den In-tegrierten Gesundheitsvertrag unterstützt, zum anderen um die Informations- und Beratungsstelle, die jedoch ausschließlich ehrenamtlich betrieben wird.

3.Hält der Berliner Senat diese Angebote für ausreichend?

Zu 3.: Insbesondere im Zusammenhang mit den jüngsten Veröffentlichungen zu sexuellem Missbrauch sind die Anfragen nach Information und Beratung stark angestiegen. Aus der jetzigen Situation Rückschlüsse auf zukünftige Beratungsbedarfe zu ziehen wäre verfrüht. Fachleute gehen jedoch davon aus, dass der Beratungsbedarf die bestehenden Möglichkeiten übersteigt. Aus Sicht des Senats ist es auch hier – wie grundsätzlich bei Traumatisierungen – von besonderer Wichtigkeit, dass die betroffenen Menschen neben der Beratung möglichst frühzeitig den Weg in eine therapeutische Behandlung finden.

4.Welche Schritte beabsichtigt der Senat zu unternehmen, um die Angebote zu verbessern?

Zu 4.: Der Senat unterstützt den Ansatz des Angebots. Bei der nächsten Haushaltsplanaufstellung sollen ergänzende Fördermittel für die Beratungstätigkeit angemeldet werden. Die Bewilligung wird letztlich mit dem Beschluss über den Haushaltsplan durch den Haushaltsgesetzgeber vorgenommen werden.

Berlin, den 23. März 2010

Katrin L o m p s c h e r

Senatorin für Gesundheit,

Umwelt und Verbraucherschutz