Bezirksgruppe: „Flucht und Menschlichkeit: Engagiert gegen eine restriktive Asylpolitik“

Unter dem Titel „Flucht und Menschlichkeit: Engagiert gegen eine restriktive Asylpolitik“ konnten wir für unsere Bezirksgruppe am 13.06.23 hochkarätige Gäst*innen gewinnen, die ihre kritische und besorgte Haltung gegenüber der aktuell geplanten Reform des EU-Asylsystems (GEAS) auf Bundes- und europäischer Ebene zum Ausdruck brachten. Während der Veranstaltung wurde diskutiert, inwieweit diese geplante Reform Auswirkungen auf Schutzsuchende und humanitäre Organisationen haben wird, ob sie mit unserem grünen Grundsatzprogramm vereinbar ist und wie der weitere Prozess des europäischen Gesetzgebungsverfahrens ist.

Pfarrerin Margareta Trende von „Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V.“ gewährte uns einen hautnahen Einblick in ihr alltägliches Arbeitsleben und das Kirchenasyl. Sie erläuterte, dass Kirchengemeinden durch das Kirchenasyl eine besondere Verantwortung übernehmen, indem sie Menschen, die bereits in Deutschland eingereist sind und aufgrund des Dublin-Verfahrens ausreisepflichtig wären, unterstützen.

Gorden Isler, Vorstand von Sea-Eye e.V., zeichnete ein erschreckendes Bild der aktuellen Situation für zivile Seenotrettungsorganisationen im Mittelmeer und für die Geflüchteten selbst. Er verdeutlichte, wie in Ländern wie Malta, Italien und Griechenland Geflüchtete diskriminiert, misshandelt und bewusst vernachlässigt werden. Isler berichtete weiterhin von massiven Schikanen seitens der maltesischen und italienischen Behörden, langen Festsetzungen der Rettungsschiffe und hohen Strafen.

Erik Marquardt, Mitglied des Europäischen Parlaments, äußerte umfassende Kritik an dem Beschluss der EU-Innenminister*innen, dem die Ampelregierung zugestimmt hat und schilderte uns das zu erwartende weitere Verfahren des EU-Gesetzgebungsprozesses.

Die wichtigsten Kritikpunkte im Überblick:

  • Europäische Staaten sollen künftig verpflichtet werden Grenzschnellverfahren in geschlossenen Einrichtungen durchzuführen (hierbei erfolgt keine Einreise in die EU, sodass u.a. auch die Rechtsstaatsgarantien und Rechtswege für Asylsuchende nicht gelten). Dies gilt nicht nur für Staaten an den Außengrenzen, auch Deutschland müsste diese Art der Verfahren (z.B. bei Anreise per Flugzeug) durchführen.
  • Grenzverfahren sollen max. 3 Monate dauern ohne dass geregelt ist, was passiert, wenn diese Verfahrensdauer überschritten wird und ohne dass geregelt ist, was bei Ablehnung des Asylantrags geschieht.
  • Ausnahmen von Grenzverfahren sollen nur für unbegleitete Minderjährige, nicht jedoch für Familien mit Kindern, Menschen mit Behinderungen oder andere vulnerable Personen gelten. Es ist zu befürchten, dass mehr Familien versuchen werden ihre minderjährigen Kinder voraus zu schicken, um die Grenzverfahren zu umgehen.
  • Das Recht auf eine individuelle Prüfung der Schutzbedürftigkeit gilt künftig nicht mehr für alle Schutzsuchenden. Relevant ist vielmehr, ob eine Person aus einem Land stammt aus dem durchschnittlich mind. 20% der Antragstellenden letztlich Asyl gewährt bekommen.
    • Die spezifische, individuelle Schutzbedürftigkeit religiöser oder ethnischer Minderheiten, von queeren Personen oder politisch Verfolgten wird in diesem Verfahren nicht ausreichend berücksichtigt. Das individuelle Recht auf Asyl wird damit zu einem Recht bestimmter Nationalitäten degradiert.
    • Ausreichend für die Verwehrung der individuellen Prüfung ist nicht nur die Staatsangehörigkeit zu einem entsprechenden „sicheren Staat“ sondern auch ein vorheriger Aufenthalt in bzw. die Durchreise durch diesem. Durch diese Regelung können selbst Menschen aus Staaten mit sehr hohen Anerkennungsquoten, wie Syrien oder Afghanistan, in diese Grenzverfahren gezwungen werden, wenn sie z.B. über die Türkei geflohen sind.
    • „Sichere Staaten“ können auch Staaten sein, welche die Genfer Flüchtlingskonvention nicht unterzeichnet haben und in denen die Schutzsuchenden tatsächlich massiven Diskriminierungen und Schikanen ausgesetzt werden.

Nach Ende der intensiven Debatte wurde der Antrag des GA auf Durchführung einer Sonder-Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) zur Asylreform in unserer Bezirksgruppe gestellt und einstimmig von den Mitgliedern angenommen. Die Pressemitteilung sowie der Link zum Antragstext findet sich hier. Dem Antrag war die Initiative des Kreisverbandes Cloppenburg vorausgegangen, der bereits im Mai die Einberufung einer Sonder-BDK gefordert hat.
Weitere Kreisverbände sind aufgefordert, sich der Initiative anzuschließen: Link zur Initiative des KV Cloppenburg.

Ebenfalls wurde in der Bezirksgruppe die Unterstützung des Antrags auf Einberufung einer Sonder-BDK durch den Berliner Landesverband beschlossen, der beim Landesausschuss am 14.06.23 eingereicht wurde.
UPDATE: Der Antrag wurde auf dem Landesausschuss mit 16:22 Stimmen abgelehnt.

Weitere aktuelle Stellungnahmen zum Themenkomplex:

Spenden an Sea-Eye oder der Beratung zum Kirchenasyl sind mehr als willkommen!