Auslandseinsätze der Bundeswehr sind nur unter bestimmten rechtlichen Bedingungen möglich. Die Konflikte in der Region Irak und Syrien sind mit dem Einsatz von Soldaten aus Deutschland nicht zu lösen.
Konsequentes Eintreten für Frieden ist mir wichtig. Dabei sehe ich mich dem Auftrag aus meinem Wahlkreis verpflichtet: Seit meiner Wahl in den Deutschen Bundestag im September 2017 habe ich alle Vorlagen der Bundesregierung zum Einsatz der Bundeswehr im Ausland abgelehnt. Dabei handelte es sich um Bundeswehreinsätze, die seit Jahren bestehen und über die jährlich im Parlament entschieden wird. Dennoch sind alle bestehenden Mandate zum Einsatz der Bundeswehr durch die Mehrheit von CDU und SPD verlängert worden.
Im Herbst werden im Deutschen Bundestag wieder verschiedene Mandate zum Einsatz der Bundeswehr im Ausland durch Anträge der Bundesregierung zur Verlängerung vorgelegt werden. Denn jeder Einsatz der Bundeswehr, der keine Mehrheit im Parlament erhalten würde, wäre rechtswidrig. Das Erfordernis eines konstitutiven Mandats des Deutschen Bundestages gilt für alle Auslandseinsätze bewaffneter Streitkräfte – unabhängig von ihrer verfassungsrechtlichen Grundlage. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt ausgeführt, dass der Parlamentsvorbehalt ausnahmslos auch für Einsätze außerhalb von Systemen kollektiver Sicherheit gilt und zwar ebenso für Einsätze zur Umsetzung einer Beistandspflicht (Art. 5 NATO-Vertrag, 42 Abs. 7 EU-Vertrag). Gemäß § 1 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes gilt: „Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes bedarf der Zustimmung des Bundestages.“ Entscheidendes Kriterium hierbei ist die „Einbeziehung der Bundeswehr in bewaffnete Unternehmungen“, nicht aber die Einbindung der Streitkräfte in ein kollektives Sicherheitssystem.
Verfassungswidriger Auslandseinsatz
Besonders umstritten ist der verfassungswidrige Einsatz der Bundeswehr in der sogenannten „Koalition der Willigen“. Demnach besteht der Auftrag der Bundeswehr in der nachhaltigen Bekämpfung des IS in Syrien und Irak sowie in der Unterstützung der internationalen Anti-IS-Koalition durch die Bereitstellung von Luftbetankung, Aufklärung und Lagebilderstellung (insbes. luft- und raumgeschützt, auch durch die Beteiligung an AWACS-Flügen der NATO) und von Stabspersonal. Darüber hinaus soll es der Stabilisierung des Irak durch die Beteiligung am Fähigkeitsaufbau der irakischen Streit- und Sicherheitskräfte im Rahmen des Gesamtansatzes der internationalen Anti-IS-Koalition dienen.
Im August war ich als Teil einer Delegation in Jordanien und im Irak. Alle Gesprächspartner in Jordanien und Irak machten deutlich, dass es einen Frieden in der Region nur geben könne, wenn alle Nachbarn einbezogen werden. Dies ist für mich als Grüne umso wichtiger zu betonen, da vor einigen Wochen die unsinnige Überlegung des Parteivorsitzenden Robert Habeck kursierten, „eine Beteiligung Deutschlands an einer europäischen Mission zum Schutz der Handelswege im Persischen Golf für denkbar“ zu halten. Das ist nicht nur falsch, weil ein EU-Beschluss für einen Marineeinsatz im Persischen Golf nicht ausreichen würde, sondern es eines UN-Mandates bedürfte. Es ist auch politisch falsch und gefährlich die Region so zu betrachten. Denn diese Unfähigkeit der westlichen Politik die Besonderheiten der Region mit ihren Konflikten aber auch mit ihren Gemeinsamkeiten zu in den Blick zu nehmen, ist Teil des Problems.
Wenn man sich exemplarisch die Aufklärungsflüge ansieht, fällt auf, dass die Aufnahmen den NATO-Mitgliedern zur Verfügung gestellt werden. Mir wurde mitgeteilt, dass man der Türkei keine Aufnahmen überlassen würde, das diese eigene Ziele in der Region verfolge. Aber auf die Nachfrage, wie denn sichergestellt wird, dass die Aufnahmen nicht von der Türkei für deren Angriffe in Syrien genutzt werden, gab es keine Antwort. Die Sicherheitslage in Bagdad hat sich gegenüber meiner Reise vor ca. 1 ½ Jahren verbessert, dh. die Green Zone wurde aufgehoben, aber die Präsenz von Militär und Panzern in der Stadt sind symbolisch für den fragilen Zustand von Sicherheit in Bagdad. Zwischen Nordirak und Zentralirak sind noch viele Fragen offen, dh. die Uneinigkeit über Gebiet und Budget dauern immer noch an und verursachen ein Vakuum als umkämpftes Staatsgebiet, in dem der IS Rückzugsräume hat, die eine Rückkehr der Vertriebenen Minderheiten faktisch unmöglich machen, wie uns von einer jesidischen Frau berichtet wurde. Die Regionalregierung in Erbil und die Zentralregierung in Bagdad müssten jeweils Beiträge zur Einigung in vorgenannten Konflikten leisten, um wirksame Erfolge bei der Bekämpfung des IS zu erzielen. Hierbei könnte die Bundesrepublik Deutschland eine wichtige Rolle übernehmen, indem sie die Soldaten aus dem Irak abzieht und statt dessen Verhandler*innen und Verhandlungstische in den Irak entsendet.
Menschenrechte stärken – Geflüchtete unterstützen
Besonders bewegend ist die Situation der Geflüchteten in Jordanien und im Irak. Die Lager waren teilweise für kürzere Zeiten und weniger Menschen ausgelegt und es ist ein ständiger Kampf der Vereinten Nationen, um die Mittel für die Versorgung der Menschen zu gewährleisten. Hinzu kommt die Gefahr der Rekrutierungsversuche durch den IS in den Lagern. Gerade im humanitären Bereich könnten Deutschland und Europa noch mehr tun, um den Menschen Lebens- und Zukunftsperspektiven in der Region zu ermöglichen. Besonders erschütternd ist die Situation der vom IS verschleppten, versklavten und vergewaltigten jesidischen Frauen. Bei einem Treffen mit der Organisation Hawar Help schildeten uns die Frauen eindrucksvoll, wie schutzlos sie in der Gesellschaft mit ihren Kindern sind un d machten deutlich, dass es Unterstützung vor Ort braucht, damit die Frauen für sich und ihre Kinder sorgen können.
Die Konflikte in der Welt gehen uns an und verlangen auch nach einem Engagement Deutschlands in der Welt. Doch es ist falsch, ohne eine Strategie und in einer Allianz, die keine Legitimation hat deutsche Soldaten in verfassungswidrige Auslandseinsätze zu entsenden. Daher werde ich im Deutschen Bundestag gegen den Einsatz der Bundeswehr in Jordanien und im Irak stimmen. In der globalisierten Welt sind Außen- und Innenpolitik heute kaum mehr voneinander zu trennen. Ressourcenkonflikte, Fluchtbewegungen und die gemeinsame Herausforderung der Klimakrise zeigen, dass die Probleme der Welt nur grenzüberschreitend gelöst werden können. Frieden, Freiheit, ein Leben in Würde und der Schutz der globalen öffentlichen Güter steht allen Menschen gleichermaßen zu.
Canan Bayram, Mitglied des Deutschen Bundestages für den Stachel September 2019