Was verbindet den Kölner Dom, die Pyramiden von Gizeh, das Schloss Sanssouci nebst Parkanlagen und die Höhlenmalereien im Tal der Vézère? Sie alle sind es schon: UNESCO-Weltkulturerbe. Und nun soll sich die East Side Gallery einreihen in diesen Reigen der bedeutendsten Zeugnisse menschlicher Kultur. Ein Stück bemalter Mauer. Verrückt – oder ?
Die Idee ist nicht neu. Schon das Bündnis East Side Gallery retten oder der Künstlerinitiative East Side Gallery e.V. haben diesen Gedanken formuliert. Und Bündnis 90/Die Grünen haben dies nun in einem entsprechenden Antrag an die BVV von Friedrichshain-Kreuzberg aufgegriffen, in dem das Bezirksamt aufgefordert wird, sich beim Senat dafür einzusetzen, die East Side Gallery zur Aufnahme auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes vorzuschlagen. Und es ist mehr als eine „verrückte“ Idee.
Seit dem Frühjahr 1990, wo dieses Teilstück der Berliner Mauer nach der Öffnung derselben von 118 Künstler*innen aus 21 Ländern auf 1316 Metern Länge bemalt und damit zur East Side Gallery wurde und bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt unter der Objektnummer 09040271 als Denkmal geführt wird, ist die East Side Gallery scheinbar das ungeliebteste Denkmalobjekt der ganzen Stadt. Nicht bei den vielen tausend Besucher*innen, die diesen Ort Jahr für Jahr besuchen. Auch nicht bei den vielen Menschen und Initiativen wie dem Bündnis East Side Gallery retten oder der Künstlerinitiative East Side Gallery e.V., die sich für den Erhalt und die angemessene Pflege dieses Denkmals einsetzen. Offensichtlich aber bei den zuständigen Senatsverwaltungen und unterschiedlichen Regierungskoalitionen der letzen Jahre. Und auch beim Bezirk, dessen Grünflächenamt offiziell für Pflege und Erhalt zuständig ist und damit weitgehend allein gelassen, personell und finanziell überfordert ist.
Mehr als nur ein bemaltes Stück Mauer
Bis heute gibt es kein denkmalpflegerisches Gesamtkonzept zum Erhalt und Schutz der East Side Gallery. Es reicht einfach nicht aus, wenn alle paar Jahre die Bilder der East Side Gallery von Kritzeleien befreit, gesäubert oder aufgefrischt werden. Denn es sind ja nicht die Bilder allein, die die Faszination ausmachen, die die East Side Gallery auf Besucher*innen aus der ganzen Welt ausübt. Und auch nicht die Tatsache, dass es sich hier um das längste geschlossen erhaltene Stück der Mauer handelt, die einstmals Berlin in Ost und West trennte. Es ist dieser besondere Ort direkt an der Spree, die Weite des Blicks, der „geteilte Himmel“ darüber, dieses ganze Areal um die East Side Gallery, welches mitgedacht werden muß, wenn man die Wirkung oder Faszination verstehen will, die die East Side Gallery auf die vielen Besucher*innen ausübt und sie hierher pilgern lässt. Wenn die Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße an die Teilung Berlins erinnert, an die Opfer, die diese forderte, so ist die East Side Gallery ein Denkmal für die Sehnsucht der Menschen nach Freiheit, für die Möglichkeit der friedlichen Überwindung von Grenzen und Mauern. Ein Symbol der Hoffnung in einer Zeit, wo zu den eh schon existierenden Grenzen überall in der Welt neue Grenzzäune und Mauern errichtet oder bestehende immer unüberwindbarer gemacht werden. Und damit dieses Stück Mauer das Zeugnis eines einmaligen historischen Ereignisses, welches es verdient weiter und immer wieder neu erzählt zu werden.
Ein gefährdetes Denkmal…
Dieses Denkmal, dass sich nur in und mit dem es umgebenden Raum erspüren lässt, droht endgültig verloren zu gehen. Der erste Schritt hierzu wurde mit dem Bau des Luxuswohnturms „Living Levels“ bereits vollzogen. Derzeit wird gegenüber ein gigantisches Entertainment-Viertel rund um die Mercedes-Benz-Arena aus dem Boden gestampft. Und für die Zukunft droht das Gespenst eines wuchtigen Hotel- und Wohnkomplexes „Waterfront Living“, der, wenn er realisiert wird, die East Side Gallery endgültig zum Gartenmäuerchen für Luxuswohnen herabwürdigen würde und den besonderen Zauber dieses Denkmals endgültig zerstören würde. Das Baurecht hat ein Senat unter einem Kultursenator Klaus Wowereit gegen den Willen des Bezirks, gegen einen Volksentscheid längst geschaffen. Es gilt also zu retten, was noch zu retten ist.
…oder Rettung in Sicht ?
Nun gibt es zumindest Anzeichen, dass die neue Regierungskoalition dieses Denkmal ernster nimmt als die Vorgängerregierungen. Immerhin heißt es im Koalitionsvertrag: „Die Koalition setzt sich für den durchgehenden Erhalt der Mauerreste und der Grünfläche im Bereich der East Side Gallery, sowie für Verhandlungen mit den Investor*innen über Ausgleichsgrundstücke ein. Die Kunstwerke sollen auch zukünftig gepflegt, regelmäßig restauriert und die Informationen vor Ort erweitert werden.“ Nur passiert ist bislang: nichts. Das mag bei der Vielzahl der dort vereinbarten Vorhaben nicht sonderlich verwundern. Doch die Haushaltsverhandlungen für den Landeshaushalt 2018/2019 sind bereits im Gange. Das heißt, wenn die nächsten zwei Jahre etwas passieren soll, dann müssen die Weichen jetzt gestellt werden. Und was wäre besser geeignet, hier ein wenig anzutreiben als die Forderung – und die damit verbundene Aufmerksamkeit – , die East Side Gallery in die Liste des Weltkulturerbes aufzunehmen ?
Gute Aussichten
Und die Chancen stehen nicht schlecht. Wenn man den Abschlussbericht und die Empfehlungen des Fachbeirats zur Fortschreibung der deutschen Vorschlagsliste für das UNECO-Welterbe anschaut wird deutlich, dass sich der Focus der Unesco verstärkt auf das kulturelle Erbe des 20ten Jahrhunderts und hier insbesondere auch auf „politische“ Denkmäler richtet, die für große Umbrüche und Entwicklungen in diesem Geschichtsabschnitt stehen. Und auch nach Einschätzung des Professors für Denkmalpflege an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, der lange als Berater für die internationale Denkmalschutzorganisation ICOMOS tätig war, hätte die East Side Gallery gute Chancen, „wenn sie denn endlich vorgeschlagen würde!“ Der erste Schritt hierzu ist nun getan.
Werner Heck, Bezirksverordneter und Vorsitzender im Ausschuss für Kultur und Bildung