Initiator*innen: B’90/Die Grünen, Pascal Striebel, Annika Gerold
Antrag
Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:
Die BVV begrüßt die Entscheidung des Berliner Senats, gemäß dem Koalitionsvertrag endlich ein erstes berlinweites Queeres Jugendzentrum einzurichten und damit einen lange bestehenden Bedarf für LSBTIQ*-Jugendliche zu erfüllen.
Das Bezirksamt wird beauftragt, sich (anschließend an die Beschlüsse DS/0624/IV und DS/0625/IV) weiterhin dafür einzusetzen, dass das Jugendzentrum möglichst in Friedrichshain-Kreuzberg bzw. an einem zentralen und gut erreichbaren Ort in der Innenstadt eingerichtet werden kann, wo es bereits queere Strukturen gibt.
So können Vernetzungsmöglichkeiten verschiedener Akteur*innen (z.B. andere Beratungsstellen, Ärzt*innen etc.) genutzt und ausgebaut werden. Dazu wird das Bezirksamt im Rahmen seiner Möglichkeiten in Zusammenarbeit mit dem Senat
und dem ausgewählten Träger Lambda e.V. unterstützend tätig.
Begründung:
Lesbische, schwule, bisexuelle, trans* und inter* Jugendliche brauchen eigene Rückzugs- und Vernetzungsräume und Orte, an denen sie sich Hilfe oder Beratung zum Beispiel zum Coming-Out, zur Personenstandsänderung oder bei Mehrfachdiskriminierung wie Rassismuserfahrung suchen können. Queere Jugendliche haben immer noch ein höheres Suizidrisiko als heterosexuelle Jugendliche. Die sexuelle Orientierung und vermeintliche Abweichung von der „Norm“ ist nach wie vor Anlass für Mobbing, Abwertung und Diskriminierung.
Die Vorfälle von homo- oder transfeindlicher Gewalt sind unverändert hoch. Die Studie des Deutschen Jugendinstituts „Coming-out – und dann…?! (2015), im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senior*innen, Frauen und Jugend zeigte, dass der Prozess des Coming Outs nach wie vor als sehr belastend erlebt wird. Zwei Drittel der Befragten gaben an, dass in ihren Familien ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität nicht ernst genommen wird.
17 Prozent berichteten, dass sie auch Beleidigungen innerhalb der Familie erleben, drei Prozent erlebten Gewalt innerhalb der Familie und jede*r zehnte berichtete von körperlichen Angriffen am Bildungs- oder Arbeitsplatz. Bei all diesen Herausforderungen brauchen Jugendliche Begleitung und Beratung und die Möglichkeit, sich mit Gleichaltrigen in einem geschützten Raum auszutauschen.
Bis 2014 gab es mit Lambda e.V. in der Manteuffelstraße einen Träger für Queere Jugendarbeit im Bezirk, wo Jugendliche nach dem Peer-to-Peer Ansatz Beratung und Unterstützung fanden. Das Raumangebot war dort für ihre Zwecke zunehmend unzureichend, insbesondere waren die Räume nicht barrierefrei. Bis 2017 gab es mit TransInterQueer auch einen Verein in der Glogauer Straße, der sich speziell um Trans-Belange kümmerte. Leider konnte auch dieser seine Räumlichkeiten nicht behalten.
Die BVV hatte auf DS/0624/IV das Bezirksamt aufgefordert „sich auch über den Rat der Bürgermeister beim Senat dafür einzusetzen, dass die notwendigen finanziellen Mittel für die Eröffnung eines Zentrums für schwule, lesbische, bisexuelle, intersexuelle und trans*Jugendliche zur Verfügung gestellt werden. Gegebenenfalls zusammen mit den Bezirken soll nach einer geeigneten Liegenschaft für das Zentrum gesucht werden.“
Zugleich wurde das Bezirksamt auf DS/0625/IV aufgefordert „im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Räumlichkeiten in ausreichender Größe einer speziell mit LSBTTI-Jugendlichen zusammenarbeitenden Initiative mietfrei zu überlassen, um dort eine Beratungs- und Begegnungsstätte zu schaffen und die queere Jugendarbeit stärker zu fördern“. Andere geeignete Raumangebote im Bezirk konnten jedoch trotz intensiver Bemühungen nicht gefunden werden. Mittlerweile sitzt Lambda e.V. in Pankow.
Weiterhin gibt es Angebote für LSBTTIQ im Rahmen der Jugendarbeit in Hellersdorf und Lichtenberg. Der Bedarf ist jedoch weitaus höher. Es wurde zusätzlicher Bedarf, z.B. an Coming-Out Begleitung auch erweiternd für jüngere Kinder und Jugendliche, an Beratung und Gruppen insbesondere für Trans*-Jugendliche sowie an weiteren Gruppenangeboten und Ferienfahrten deutlich. Deshalb wurden endlich entsprechende Mittel (175.000€) in den Landeshaushalt eingestellt, um ein (erstes) Queeres Jugendzentrum zu gründen, wie es sie in fünf Bundesländern, vor allem in großen Städten und Ballungszentren bereits gibt.
Nun wurde Lambda e.V. vom Senat mit der Trägerschaft des Queeren Jugendzentrums betraut. Es ist noch unklar, wo das Queere Jugendzentrum entstehen kann. Derzeit werden in Allen Bezirken Angebote gesucht. Es ist wichtig, Angebote für queere Jugendliche auch zentral und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar in der Innenstadt zu haben. Das Zentrum sollte nach Möglichkeit in einer Gegend liegen, wo es schon queere Strukturen gibt. So können Vernetzungsmöglichkeiten verschiedener Akteur*innen (z.B. andere Beratungsstellen, Ärzt*innen etc.) genutzt und gestärkt werden.
Ein zentral gelegenes Jugendzentrum wäre zudem für alle Jugendlichen aus Berlin und dem Umland gut zu erreichen. Das geplante (erste) Queere Jugendzentrum sollte daher nach Möglichkeit in Kreuzberg, Schöneberg oder (Nord)Neukölln angesiedelt werden.
Angesichts von Gentrifizierung, steigenden Mieten und Verdrängung von sozialen Trägern in diesen Gegenden, wäre die (Neu-)Ansiedlung eines Queeren Jugendzentrums in diesem Bereich ein wichtiger Baustein zum Erhalt lebenswerter, vielfältiger und sozial durchmischter Innenstadtkieze mit ausreichenden sozialen und kulturellen Angeboten.
Friedrichshain-Kreuzberg, den 19.06.2018
Bündnis 90/Die Grünen
Antragsteller: Pascal Striebel