Antrag
Initiator*in: B’90/Die Grünen, Werner Heck
Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:
Die BVV beauftragt das Bezirksamt, das zu großen Teilen ungenutzte Gebäude der ehemaligen Peter-Rosegger-Grundschule zu „rekommunalisieren“ und hierzu mit dem Erbbaupachtnehmer Verhandlungen mit dem Ziel der Rückführung des Gebäudes in das Fachvermögen des Amtes für Kultur und Weiterbildung aufzunehmen.
Um die im Rahmen des Sozialen Infrastrukturkonzepts (SIKo) 2016 für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg festgestellte eklatante Unterversorgung der Bevölkerung ganzer Bezirksregionen mit Angeboten kultureller Bildung, zu denen auch der lebensweltlich orientierte Raum des ehemaligen SO 61 rund um die Marheinecke Markthalle gehört, zumindest teilweise zu beheben, wird das Bezirksamt beauftragt, die ehemalige Peter-Rosegger-Grundschule zu einem bezirklichen Zentrum für kulturelle Bildung auszubauen. Hier sollen unter anderem auch Dependancen der Musikschule und der Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg beheimatet werden, die in diesem Teil Kreuzbergs bislang überhaupt nicht präsent sind. Damit soll insbesondere den hier lebenden Kindern und Jugendlichen der Zugang und die wohnortnahe Teilhabe an kultureller Bildung ermöglicht werden.
Ein entsprechendes Konzept soll in Absprache mit den derzeitigen Nutzer*innen der Räume im Erdgeschoss, der Global Music Academy und dem Konservatorium für Türkische Musik in Zusammenarbeit mit dem Amt für Kultur und Weiterbildung, der Musikschule Friedrichshain-Kreuzberg, der Volkshochschule
Friedrichshain-Kreuzberg, den Bezirksbibliotheken und dem Fachbereich Kultur und Geschichte entwickelt werden.
Begründung:
Kulturelle Teilhabe ist ein wesentlicher Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe und muss deshalb für alle offen, erreichbar und ohne Schwellen zugänglich sein. Die bezirklichen Einrichtungen der kulturellen Bildung sollen allen Bürger*innen, einen niedrigschwelligen Zugang zu Bildung und Kultur ermöglichen.
Darüber werden sie in einem zunehmend kommerzialisierten Umfeld immer wichtiger als nichtkommerzielle Begegnungsstätten. Insbesondere für Kinder und Jugendliche sind solche wohnortnahen Angebote eine wichtige Ergänzung zu Elternhaus, Kita und Schule, die ihnen Zugang und die Teilhabe an kultureller Bildung ermöglicht oder vielmehr ermöglichen soll. Denn die Wirklichkeit in unserem Bezirk sieht anders aus. Das bezirksweite Angebot im Bereich von Bibliothek, Musikschule und Volkshochschule entspricht derzeit nicht annähernd dem Bedarf, wie das Soziale Infrastrukturkonzept (SIKo) 2016 für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg nur allzu deutlich belegt.
Etwa für die Musikschulangebot in Friedrichshain-Kreuzberg: „Derzeit gibt es in den Ortsteilen Friedrichshain und Kreuzberg jeweils einen Standort mit Räumlichkeiten der öffentlichen Musikschule Friedrichshain-Kreuzberg. Das Angebot der Standorte zum Stand 31.12.2015 umfasst 2.176 Jahreswochenstunden. Für öffentliche Musikschulen wird ein Orientierungswert von 12 Jahreswochenstunden je 1.000 Einwohner angenommen.
Daraus ergibt sich für den Bezirk ein Bedarf von rund 3.340 Jahreswochenstunden. Im Vergleich zum derzeitigen Angebot ergibt sich somit ein Fehlbedarf von 1.165 Jahreswochenstunden (rund 35 %). Um den Bedarf in Friedrichshain-Kreuzberg zu decken, wäre eine zusätzliche Nutzfläche von mindestens rund 3.200 m2 notwendig.“ (SIKo 2016) Und weiter: „Die Musikschule ist bereits jetzt an den räumlichen Kapazitätsgrenzen angelangt. In Einzelfällen gibt es die Möglichkeit, Raumkapazitäten an Schulen zu nutzen. Damit verbunden ist aber ein hoher organisatorischer Aufwand (Verfügbarkeit bei gleichzeitigem Schulbetrieb, Schlüsselübergabe, Reinigung, aber auch Instrumenten- und Materialbereitstellung an unterschiedlichen Standorten).
Vorteilhaft wären daher eigene Fachräume, die ausschließlich von der Musikschule genutzt werden, gegenüber der Nutzung von bestehenden Raumkapazitäten anderer Einrichtungen. Aus Sicht der Fachverwaltung ist es insbesondere wichtig, dass für das Angebot der Musikschulen immer eigene Fachräume benötigt werden. Dabei geht es sowohl um die Räumlichkeiten für Einzelunterricht als auch für Gruppen- und Klassenunterricht.“ Und entscheidender noch: „Zwei Drittel der SchülerInnen der Musikschule sind im Alter bis 10 Jahre. Für diese SchülerInnen ist eine gute Erreichbarkeit der Musikschule unabdingbar.“ (SIKo 2016)
Ähnliches gilt für die Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg: „Das Angebot der Volkshochschule in Friedrichshain-Kreuzberg umfasste zum 31.12.2015 insgesamt 33 eigene Unterrichtsräume. Bezogen auf 5.000 Einwohner entspricht das einem Angebot von 0,6 Räumen. Der Richtwert für Volkshochschulangebote liegt bei 1,0 Räumen je 1.000 Einwohner. Somit ergibt sich für 2015 bereits ein Fehlbedarf von rund 23 Räumen im Bezirk.
Durch den erwarteten Anstieg der Einwohnerzahlen wird der Bedarf an VHS Räumen weiter steigen. Bis 2025 müssten im Vergleich zu 2015 zusätzlich 27 Räume zur Verfügung gestellt werden, um dem Richtwert zu entsprechen. Dies würde fast einer Verdopplung der aktuellen Raumausstattung entsprechen.“ (SIKo 2016) Und auch beim Angebot der kommunalen Bibliotheken sieht es nicht besser aus: „Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gibt es derzeit eine Publikumsfläche von insgesamt 3.984 m2 bzw. von 0,0143 m2 je Einwohner.
Dabei muss zudem berücksichtigt werden, „dass öffentliche Bibliotheken sich seit den 1990er Jahren verstärkt zu Orten des Lernens, Arbeitens und der Begegnung entwickelt haben. Bei künftigen Planungen soll darum die Interaktion, Erprobung von Techniken und Methoden sowie der Austausch von Wissen zwischen den Menschen
besser berücksichtigt werden. (…) Umgerechnet mit dem Medienbedarf in Höhe von 2,5 Medien pro Einwohner*in ergibt sich ein Zielwert von 750 m2 je 10.000 Einwohne*innen. Derzeit erreicht der Bezirk eine Publikumsfläche von etwa 143 m2 je 10.000 Einwohner*innen. Bezogen auf die Fläche ergibt sich somit ein Versorgungsgrad von knapp 19 %. Wie schon die derzeit bestehende Anzahl an Medieneinheiten im Bezirk verdeutlich auch die Publikumsfläche, dass kein ausreichendes Angebot im Bezirk vorhanden ist. (…) Durch die steigende Bevölkerungszahl bis 2020 erhöht sich die Differenz zwischen bestehender Orientierungsgröße und Angebot weiter (…) auf einen zusätzlichen Fehlbedarf von insgesamt rund 12.200 m2 an Publikumsfläche bis 2020.“ (SIKo 2016)
Diese Unterversorgung betrifft zwar den gesamten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, doch gibt es innerhalb des Bezirks zudem noch lebensweltlich orientierte Bezirksregionen, in denen diese Unterversorgung besonders krass ist: sprich, es gibt keinerlei Einrichtungen oder Infrastruktur zur wohnortnahen Befriedigung der Bedürfnisse nach Teilhabe an kultureller Bildung. Das Angebot ist gleich null. Hierzu gehört auch die Bezirksregionen des ehemaligen SO 61 rund um die Marheinecke Markthalle. Dass heißt, insbesondere Kinder und Jugendliche sind hier besonders benachteiligt. Denn etwa für den Bereich der musikalischen Bildung, die eben nicht nur darin besteht, ein Instrument spielen zu lernen, ist ein wohnortnahes Angebot von großer Bedeutung:
„Zwei Drittel der SchülerInnen der Musikschule sind im Alter bis 10 Jahre. Für diese SchülerInnen ist eine gute Erreichbarkeit der Musikschule unabdingbar. Durch die Lage der beiden bisherigen Standorte Zellestr. 12 (Grenze zwischen Friedrichshain Ost und Friedrichshain West) und dem Standort Mariannenplatz 2 (Kreuzberg Ost) ist der Bereich Kreuzberg West nicht erschlossen.“ (SIKo 2016)
Vor diesem Hintergrund ist es nicht hinnehmbar, dass 3 Etagen der ehemaligen Peter-Rosegger-Grundschule leer stehen, und damit Räume, die eigentlich im Besitz der öffentlichen Hand sind, nicht genutzt werden, um den Bewohner*innen dieser Bezirksregion eine wohnortnahe Versorgung mit Angeboten der kulturellen Bildung
zu bieten, auf die diese einen Anspruch haben. Als Gemeinschaftsschule wäre das Gebäude zu klein und als Ausweichmöglichkeit für die Lenau-Grundschule, die ja neu gebaut werden soll, kommen die Räume auch nicht in Frage, da sie nicht rechtzeitig zur Verfügung ständen, da 1. erst überhaupt mal Verhandlungen mit der Global Music Academy über den Rückfall geführt und abgeschlossen werden müßten und die Betriebserlaubnis für die oberen drei leerstehenden Etagen erloschen
ist, diese entsprechend der inzwischen verschärften Brandschutzrichtlinien etc. erst komplett umgebaut und ertüchtigt werden müßten.
Friedrichshain-Kreuzberg, den 18.09.2018
Bündnis 90/Die Grünen
Antragsteller: Werner Heck