Antrag
Initiator*innen: B’90/Die Grünen, Pascal Striebel, Sarah Jermutus
Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:
Das Bezirksamt wird beauftragt, die bisher namenslose Straße zwischen der Koppenstraße und der Straße der Pariser Kommune sowie dem Franz-Mehring-Platz zu benennen. Dabei ist das in DS/1497/II beschlossene Verfahren anzuwenden. Als Name kommt insbesondere die Schauspielerin Ingeborg Charlotte (Inge) Meysel (*1910 †2004) in Betracht.
Im Rahmen der Beteiligung der umliegenden Anwohner*innen und Gewerbetreibenden soll geklärt werden, ob es bei den jeweiligen Anschriften (Straße der Pariser Kommune 11-17, und Franz-Mehring-Platz 2-5 auf der östlichen Seite, Franz-Mehring-Platz 6, Koppenstraße 8, 14,15 auf der westlichen Seite) bleiben soll oder ob eine oder beide Seiten der zu benennenden Straße zugeordnet werden sollen.
Begründung:
Zwischen Rüdersdorfer Straße, Franz-Mehring-Platz, Straße der Pariser Kommune, Lange Straße und Koppenstraße befindet sich eine Straße, die derzeit weder einen Namen noch Anlieger hat. Auf der östlichen Seite haben die anliegenden Häuser die Anschriften Straße der Pariser Kommune 11, 13, 15, 17, Franz-Mehring-Platz 2, 3, 4, 5. Auf der westlichen Seite befinden sich eine ehemalige Kaufhalle (Franz-Mehring-Platz 6), eine Kita (Koppenstraße 14 und 15) sowie der Parkplatz
des mittlerweile geschlossenen Kaufhofs (wohl Koppenstraße 8).
Die Benennung der Straße ist im öffentlichen Interesse erforderlich, insbesondere kann hier durch die Benennung nach einer Frau das sehr ungleiche Verhältnis zwischen geehrten Frauen und Männern weiter angeglichen werden. Im Hinblick auf die geplante Bebauung des Kaufhof-Parkplatzes mit einem Schul-Neubau und die große Entfernung zur Koppenstraße bzw. zum Franz-Mehring-Platz erscheint es sinnvoll, mindestens die Adressen auf der westlichen Seite der zu benennenden Straße zuzuordnen.
Ingeborg Charlotte (Inge) Meysel wurde 1910 in Rixdorf (heute Neukölln) geboren. 1914 zog sie mit ihrer Familie in die Kadiner Straße 2 nach Friedrichshain, wo sie bis 1925 ihre Jugend verbrachte. Hier war ihre Schule (heute die Ludwig-Hoffmann-Grundschule in der Lasdener Straße 21-23). Hier wurde der Grundstein ihrer späteren großen Schauspielkarriere gelegt: mit Vorstellungen im Rose-Theater und Ballettunterricht am Strausberger Platz.
Im Arbeiterbezirk Friedrichshain wurde Inge Meysel auch politisiert. So beendete sie 1925 die Beziehung zu ihrer ersten Liebe „aus politischen Gründen“, weil der Zahnarztsohn deutschnational eingestellt war und das Banner der Republikfeinde trug. Als „Halbjüdin“ von den Nazis mit Auftrittsverboten belegt, ließ sich Inge Meysel 1936 in der Friedrichshainer Lazaruskirche taufen, um sich und ihren Vater zu schützen.
Inge Meysel ist vielen als „Mutter der Nation“ und große Volksschauspielerin bekannt, erst am Thalia Theater Hamburg und später dann im Fernsehen. Sie engagierte sich aber auch schon seit der Weimarer Republik politisch, bei den Jungdemokraten und den Jungsozialisten. So setzte sie sich 1925 in einer Rede gegen die Todesstrafe ein. Sie engagierte sich zeitlebens für die Frauenbewegung, insbesondere für die Abschaffung des §218, die Rechte von Homosexuellen, den Kampf gegen AIDS und für ein humanes Sterben. Anfang der 80er Jahre war Inge Meysel Teil einer Initiative prominenter Personen, die sich gegen die Räumung der besetzter Häuser stellte und übernahm die Patenschaft für ein besetztes Haus in Kreuzberg.
1981 lehnte Inge Meysel das Bundesverdienstkreuz ab, weil es keinen Orden wert sei, „dass jemand sein Leben anständig gelebt hat“. Seit ihrem Tod 2004 gibt es Überlegungen, Inge Meysel durch die Benennung einer Straße zu ehren. 15 Jahre nach ihrem Tod im Jahr 2019 wäre ein guter Zeitpunkt dafür.
Friedrichshain-Kreuzberg, den 18.10.2018
Bündnis 90/Die Grünen
Antragsteller*innen: Pascal Striebel, Sarah Jermutus