Ergänzend zum Radverkehrsplan DS/0607/V hat die Grüne BVV-Fraktion Friedrichshain-Kreuzberg am 30. Oktober 2019 ein Fußverkehrskonzept DS/1460/V für Friedrichshain-Kreuzberg beantragt. Es soll eine Grundlage für den Ausbau und die Stärkung des Fußverkehrs im Bezirk sein. Ziel ist ein gebündelter Maßnahmenplan über alle Projekte des Umweltverbunds im Bezirk.

Es soll aufgezeigt werden, wo konkret Handlungsbedarf besteht. Gleichzeitig sollen Lösungsmöglichkeiten und ein erster zeitlicher Horizont zur Realisierung und Priorisierung der beabsichtigten Schritte vorgeschlagen werden. Dabei ist der Fokus in der Umsetzung auf die im Antrag formulierten Leitlinien

-Vorrang für Fußgänger*innen

-die Verkehrssicherheit im Fußverkehr

-die Entschleunigung und das Flanieren im öffentlichen Raum

-die Steigerung der Attraktivität der Wege

zu legen.

Vorhandene Finanzmittel und Programme des Senats für Barrierefreiheit und Gehwegsanierungen sollen verstärkt genutzt werden, auch um gesetzlich vorgeschriebene barrierefreie Umbauten von Bushaltestellen bis 1. Januar 2020 komplett umzusetzen.

Als Grüne Fraktion machen wir mit dem Antrag auch 76 Vorschläge für diesen Maßnahmenplan. Diese sind unter Mitwirkung von diversen Initiativen und Bürger*innen entstanden. Ihr findet die Auflistung hier im Antrag als PDF.

Der Antrag wird derzeit in den Auschüssen beraten. Wir hoffen auf Unterstützung durch die anderen Fraktionen für dieses Vorhaben.

Antrag

Initiator*in: B’90/Die Grünen,
Beitritt:

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Das Bezirksamt wird aufgefordert, nach Maßgabe dieses Beschlusses in Ergänzung zum Radverkehrsplan für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg (DS/0607/V) auch einen Vertiefungsplan Fußverkehr zu erstellen. Der Plan soll Grundlage für den Ausbau und die Stärkung des Fußverkehrs im Bezirk sein. Er soll aufzeigen, wo im Bezirk Handlungsbedarf besteht, Lösungsmöglichkeiten angeben und einen ersten zeitlichen Horizont zur Realisierung bzw. eine Priorisierung der geplanten Maßnahmen enthalten. Ziel ist ein gebündelter Maßnahmenplan über alle Projekte des Umweltverbunds im Bezirk.

Für Fußgänger*innen, besonders für ältere Menschen und Kinder, ist das Fortkommen teilweise sehr gefährlich und oft auch kaum möglich. Abgesenkte Bordsteine werden regelmäßig zugeparkt – das muss besser kontrolliert und durch bauliche Maßnahmen wie Poller oder Gehwegvorstreckungen verhindert werden. Straßenüberquerungen wie Verkehrsinseln, Zebrastreifen und Gehwegvorstreckungen sollen ausgeweitet werden. Baustellen müssen so abgesichert werden, dass sie für Fußgänger*innen und Radfahrende keine Gefahr darstellen.

Die Nutzung vorhandener Programme und Finanzmittel des Senats für Barrierefreiheit und Gehwegsanierungen soll noch weiter verstärkt werden. Dazu gehört auch der Fokus auf den barrierefreien Umbau von Bushaltestellen. Diese müssen bis zum 01.01.2022 – gesetzlich vorgeschrieben – in Verantwortung des Bezirks komplett barrierefrei werden. Die dafür zur Verfügung stehenden Mittel muss der Bezirk beim Land abrufen und verbauen. Die mit dem Doppelhaushalt 2020/21 beschlossene Personalausstattung im Straßen- und Grünflächenamt sowie die im Abschnitt zum Fußverkehr im Mobilitätsgesetz festgeschriebenen Stellen für den Fußverkehr in den Bezirken sollen die bessere Verausgabung der Mittel entsprechend unterstützen.

Für den Fußverkehrsplan sollen folgende Leitlinien berücksichtigt werden:
1. Vorrang für Fußgänger*innen: Die Straße ist für alle da – zu Fuß gehenden Menschen muss deutlich mehr Platz eingeräumt werden:

  • Gehwegparken muss konsequent geahndet werden
  • Bei der Erweiterung des Parkraummanagements soll das Stellflächenangebot nicht größer werden
  • Der vorgeschriebene Abstand von 5 m für parkende Autos im Kreuzungsbereich muss eingehalten und vom Ordnungsamt kontrolliert werden.
  • Fahrradparken soll wie mit DS 0566/V beschlossen, systematisch außerhalb des Gehbereichs, möglichst am Fahrbahnrand, ermöglicht werden.
  • Schmale und stark frequentierte Gehwege sollen verbreitert werden. Insbesondere an Kreuzungen und Knotenpunkten kann durch Gehwegvorstreckungen und
    -verbreiterungen der nötige Platz geschaffen werden. Den Wegfall von Autoparkplätzen für breitere Gehwege wird in Kauf genommen.
  • Gehwegüberfahrten stellen durch das Ein- und Ausfahren zu/aus Grundstücken eine unmittelbare Gefahr für Fußgänger*innen dar. Bei Neubaumaßnahmen sind beantragte Gehwegüberfahrten auf deren Notwendigkeit hin zu überprüfen. Die Anzahl an Gehwegüberfahrten soll auf ein Minimum begrenzt werden.

2. Verkehrssicherheit im Fußverkehr: Neben Verbesserungen an den Unfallschwerpunkten soll der Bezirk zusammen mit der Senatsverwaltung und dem Verkehrsverbund die Unfallursachen systematisch angehen:

  • Der Bezirk setzt sich auf der Landesebene für fußgängerfreundliche Ampelschaltungen mit kurzen Wartezeiten und langen Grünphasen mit altersgerechten Grünzeiten mit zugrundeliegenden Laufgeschwindigkeiten von 1 m/sec. ein. Wo immer möglich muss die Straße in einem Zug überquert werden können.
  • Die Ampeln sollen mit moderner Lichttechnik nachgerüstet werden und auch bei Sonneneinstrahlung sichtbar bleiben. Außerdem braucht es flächendeckend akustische Signalgeber.
  • Baustellen und Fußgänger*innenwege müssen besser gesichert werden (Schaffung von Regelungen für Baumateriallager auf Wegen; sichtbare und sichere Fußwegführung, regelmäßige Überprüfung, ob die Baustellenanordnungen von den Baufirmen eingehalten werden)
  • Die Sichtbeziehungen an Kreuzungen muss durch verstärkte durch Bekämpfung von Falschparken (insbesondere Eckparken) verbessert werden.
  • Die Beleuchtung von Gehwegen und Querungsanlagen muss verbessert werden.
  • An Straßen, auf denen am Fahrbahnrand geparkt werden darf, müssen in regelmäßigen Abständen Fußgängerfurten eingerichtet werden.
  • An Orten wo häufig Konflikte zwischen Fußgänger*innen und Radfahrenden auftreten (etwa an Bus- und Tramhaltestellen), sollen Hinweis-Markierungen für
    Radfahrende und Fußgänger*innen bei angebracht werden.
  • Die Gleisübergänge bei Straßenbahntrassen sollen verbessert werden. Sie müssen für Fußgänger*innen und Nutzer*innen von Rollstuhl und Rollator leicht passierbar sein.
  • Am Schnittpunkt zwischen Fußverkehr und ÖPNV sollen möglichst überdachte und beleuchtete Sitzgelegenheiten geschaffen werden.
  • Zur besseren Orientierung sollen Straßenschilder wieder die Nummerierung der Häuser bis zur nächsten Querstraße anzeigen.
  • Fußgänger*inneninseln müssen ausreichend breit dimensioniert sein, sodass sowohl Rollstuhlfahrer*innen als auch Rollatornutzer*innen genügend Platz haben.

3. Entschleunigung und Flanieren im öffentlichen Raum: Der motorisierte Verkehr muss zugunsten von Fußgänger*innen langsamer werden. Zudem soll der öffentliche Raum in Friedrichshain-Kreuzberg gerechter genutzt werden. So sollen weiter lebenswerte Straßen und Plätze geschaffen werden:

  • Tempo-30-Zonen, Fußgänger*inneninseln, Zebrastreifen und Gehwegvorstreckungen sollen ausgeweitet werden (insbesondere vor Kitas, Schulen, Behindertenwerkstätten, Pflegeeinrichtungen und Parks).
  • Es sollen weitere Sitzgelegenheiten ohne Konsumzwang geschaffen werden.
  • Die bereits begonnene Aufstellung von Trinkbrunnen zusammen mit den Berliner Wasserbetrieben soll konsequent weitergeführt werden.
  • Parkplätze sollen wie in DS/1405/V vorgeschlagen verstärkt zu Stadträumen entwickelt werden, um so zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität im öffentlichen
    Raum beizutragen.
  • Die Einrichtung von (saisonalen) Fußgänger- und verkehrsberuhigte Zonen soll verstärkt werden; Straßen sollen außerhalb der Hauptverkehrszeiten in den
    sommerlichen Abendstunden (etwa zwischen 18:00 und 22:00 Uhr) temporär vom Autoverkehr freigehalten werden und die Nachbarschaft zum Treffen und Flanieren
    einladen
  • Es sollen in Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen weitere temporären Spielstraßen eingerichtet werden, auf denen zu bestimmten Zeiten und Tagen kein Autoverkehr stattfindet. So fördert der Bezirk das freie Spielen von Kindern und verbessert das knappe Angebot von Spielflächen im Bezirk.
  • Verkehrsberuhigte bzw. autofreie Kieze, möglichst ohne Durchgangsverkehr sollen weiter gefördert werden, dabei soll es Ausnahmeregelungen für Liefer-, Rettungs- und Müllfahrzeuge geben.

4. Wege attraktiver machen: Für Fußgänger*innen, besonders für Menschen mit Behinderung, ältere Menschen und Kinder, ist Fortkommen teilweise sehr gefährlich und oft auch kaum möglich. Die Mittel für Barrierefreiheit und Gehwegsanierungen sollen verstärkt für folgende Maßnahmen genutzt werden:

  • Weitere Gehwege sollen saniert und Barrierefreiheit, insbesondere an Kreuzungen geschaffen werden.
  • an Kreuzungen und Überwegen sollen die Bordsteine flächendeckend abgesenkt werden, die Überwegbereiche sollen markiert und zum Schutz vor Falschparken mit
    Pollern versehen werden.
  • Die Beleuchtung der Fußgängerbereiche soll verbessert werden (nach Möglichkeit abgestufte Beleuchtung je nach Abend- und Nachtzeit).

Konkrete Maßnahmen zur Förderung des Fußverkehrs:
Das Bezirksamt wird aufgefordert, bei der Erstellung des Fußverkehrsplans folgende Maßnahmen zu berücksichtigen. Der Maßnahmenkatalog soll als Grundlage genommen, und bei Bedarf erweitert werden.

Begründung:
Unser grundlegendes Ziel in der Verkehrspolitik ist eine inklusive Verkehrswende, die alle Verkehrsteilnehmer*innen mitdenkt. Obwohl sie die größte Gruppe der Verkehrsteilnehmer*innen ausmachen – jede*r von uns legt täglich einen Teil des Weges zu Fuß zurück – werden Fußgänger*innen oft nicht ausreichen berücksichtigt. Mit einem bezirklichen Fußverkehrsplan sollen nicht nur die Verkehrssicherheit und Barrierefreiheit für Fußgänger*innen in unserem Bezirk gestärkt, sondern auch die Aufenthaltsqualität erhöht werden. Wir sind überzeugt, dass nur ein ganzheitliches Konzept, welches alle Verkehrsteilnehmer*innen mitdenkt und berücksichtigt, langfristig Autos überflüssig machen und so eine echte und gerechte Verkehrswende eingeleitet werden kann.

Die Rahmenbedingungen sind mit dem rot-rot-grünen Senat inzwischen deutlich günstiger als noch vor einigen Jahren: Bereits mit dem Doppelhaushalt 2018/19 hatten die Bezirke pro Jahr 6 Mio. zusätzlich für Gehwegsanierungen zur Verfügung. Außerdem stehen den Bezirken Mittel für barrierefreie Umbauten zur Verfügung.

Das Berliner Mobilitätsgesetz wurde Ende Juni 2018 im Abgeordnetenhaus beschlossen. Hierin sind zunächst neben dem allgemeinen Verkehrsteil die Bereiche ÖPNV und Radverkehr abgebildet. Nunmehr wurde nach einem intensiven Prozess unter umfangreicher Beteiligung von Verbänden und Interessengruppen das Mobilitätsgesetz um das Kapitel mit Regelungen für den Fußverkehr erweitert. Dort sind u.a. auch zwei Stellen für die Fußverkehrsplanung pro Bezirk festgeschrieben.

Begleitet wurde der Prozess zum einen vom Mobilitätsbeirat, zum anderen von zahlreichen Verbänden, wie der Landessenior*innenvertretung, Fuß e.V., dem allgemeinen Blindenverein, dem Landesbeirat für Menschen mit Behinderung, u.v.m. Auch die Maßnahmen, die wir für Friedrichshain-Kreuzberg vorschlagen, sind unter Mitwirkung von diversen Initiativen und Bürger*innen (bspw. die AG Mobilität der Senior*innenvertretung Friedrichshain-Kreuzberg, Vertreter*innen Möckernkiez, Einzelpersonen) entstanden. Für die vielen Hinweise und Vorschläge bedanken wir uns sehr.

Friedrichshain-Kreuzberg, den 22.10.2019
Bündnis 90/Die Grünen