Das Konzept einer „Feministischen Außenpolitik“ spielt seit Jahren eine immer größere Rolle. Doch was bedeutet diese Strategie, das zum Beispiel von Schweden schon seit 2014 verfolgt wird, in der Welt der Diplomatie konkret? Auch in Deutschland sind dies nicht mehr nur theoretische Überlegungen, sondern konkrete Möglichkeiten, seit mit Annalena Baerbock eine Grüne Frau ins Außenministerium eingezogen ist.

In der Praxis geht darum, dass menschliche Sicherheit, Menschenrechte und die Prävention von gewaltsamen Konflikten im Mittelpunkt der Außenpolitik stehen sollen, nicht rein geo- oder machtpolitische Erwägungen. Der Blick auf die Bedürfnisse der Menschen eröffnet auch die Denkräume, anders auf Konflikte wie den Krieg in der Ukraine zu blicken und statt über staatliche Interessen auch über die Menschen in diesen Staaten zu sprechen, die zum Opfer dieser Interessen werden. Damit kommt man automatisch zu den zentralen Forderungen der feministischen Außenpolitik: Restriktive Rüstungsexporte, Rüstungskontrolle, Abrüstung. Und es geht um Repräsentanz, um Rechte sowie um Ressourcen für Frauen.

Auch im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung wird auf die Werte und Strategien einer feministischen Außenpolitik positiv Bezug genommen. Der „Einsatz für Frieden, Freiheit, Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Nachhaltigkeit ist für uns unverzichtbarer Teil einer erfolgreichen und glaubwürdigen Außenpolitik“, heißt es dort. Und weiter: Auch „wollen wir koloniale Kontinuitäten überwinden, uns in Partnerschaft auf Augenhöhe begegnen und unabhängige wissenschaftliche Studien zur Aufarbeitung des Kolonialismus veranlassen“.

Das Konzept einer feministischen Außenpolitik wird spätestens seit der Jahrtausendwende breiter entwickelt. Wichtig war dabei die Aufarbeitung der Jugoslawienkriege. Es geht darum, den traditionellen, realpolitischen Sicherheitsbegriff durch einen erweiterten Sicherheitsbegriff zu ersetzen und damit die Bedürfnisse von Menschen in den Fokus zu stellen.

Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stützt sich auf einen weiten Sicherheitsbegriff, der die sogenannten „drei Dimensionen“ umfasst: erstens die politisch-militärische Dimension, zweitens die wirtschaftliche und ökologische Dimension sowie drittens die menschliche Dimension der Sicherheitspolitik. Auch wenn es gerade nicht so angesagt ist, dienen uns als Bausteine dazu eine restriktive Rüstungsexportpolitik, die Wiederbelebung der nuklearen und konventionellen Abrüstung und eine vorausschauende Rüstungskontrolle.

Frauen werden dabei nicht in die Rolle des Opfers gepresst, sondern übernehmen die Rolle aktiver Akteurinnen in den friedensschaffenden Prozessen der Nachkriegsgesellschaften. Denn wenn die Perspektive von 50 Prozent der Bevölkerung am Verhandlungstisch fehlen, können keine ausgewogenen Lösungen gefunden werden. Dort geht es auch darum, vor allem toxisch männlichen Geschlechterrollen, die sich nachteilig auf Frieden, Sicherheit und Entwicklung auswirken, entgegenzuwirken. Frauenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter sind Menschenrechte.

Worte, die es mit Leben zu füllen gilt. Denn spätestens seit dem Morgen des 24. Februar, als wir auch in Deutschland in einer anderen Welt aufwachten, ist vielen wieder klarer, für welche konkreten Werte diese Worte stehen.

Zugegeben, die Forderung nach weltweiter Abrüstung klingt im Moment sehr realitätsfern. Und gerade deshalb ist jetzt feministische Außenpolitik gefragt.

 

Canan Bayram, Mitglied des Bundestages

 

Dieser Artikel erschien zuerst im Stachel, der bündnisgrünen Parteizeitung in Xhain.