DS/0034/IV

Resolution

Wir sind entsetzt über das Ausmaß der eiskalten Menschenverachtung, mit der eine neofaschistische Terrorgruppe in einer Mordserie von 2000 bis 2006 zehn Menschen getötet hat.Diese Menschen wurden gezielt ermordet, weil rechtsextreme Mörder sie als „Fremde“ wahrgenommen und zu Feinden erklärt haben.

Wir sind bestürzt, weil in den letzten Wochen unzweifelhaft und für jede und jeden sichtbar geworden ist, dass diese Taten die Existenz eines weitverzeigten Netzwerks von rechtsextremistischen Terroristen und ihren Unterstützern belegen. Dass die NPD in diesem Netzwerk eine bedeutende Rolle spielt, ist keineswegs überraschend, wohl aber, dass auch Behörden des Verfassungsschutzes darin verstrickt und nunmehr in das denkbar grellste Zwielicht geraten sind.

Was immer die kommenden Untersuchungen noch hervorbringen werden:

die Verfassungsschutzbehörden haben die rechtsextremistische Gewalt- und Mordlust eindeutig unterschätzt und bei der Aufklärung dieser Verbrechen über Jahre hinweg versagt. Sie haben falsche Spuren verfolgt und ihre rassistischen Spekulationen sogar öffentlich geäußert. Dieses Versagen hat es erst ermöglicht, dass nicht allein solche Medien, bei denen das Schüren von Ängsten ohnehin verkaufsfördernd ist, in einer entmenschlichten Sprache Spekulationen über sog. „Döner-Morde“ in Umlauf bringen konnten, die die Opfer und ihre Angehörigen einer grausamen öffentlichen Demütigung ausgesetzt haben.

Die Spur der Nazi-Morde führt zur NPD. Auch auf der Homepage der NPD-Berlin wird in rassistischer Weise gegen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker aus Friedrichshain-Kreuzberg gehetzt. Mit ihnen bekräftigen wir unsere ausdrückliche Solidarität.

Wir erleben in unseren Gesprächen mit den Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte in unserem Bezirk die Enttäuschung und auch die Wut, die sie angesichts dieses Staatsversagens empfinden. Alte Wunden werden aufgerissen und die Ängste aus der Zeit der Brandanschläge von Mölln und Solingen kommen wieder hoch, insbesondere bei unseren türkeistämmigen Bürgerinnen und Bürgern.

Die vielen positiven Entwicklungen beim interkulturellen Zusammenleben, die wir seitdem gemeinsam durch tatkräftiges, oft ganz alltägliches Engagement erreicht haben, scheinen einmal mehr in Frage gestellt. Es ist unbestreitbar, dass der Nährboden, aus dem der menschenfeindliche Neonazi-Terror hervorkriecht, aus Alltagsrassismus und Vorurteilen besteht, die in allen Schichten unserer Gesellschaft noch immer weit verbreitet sind. Daher kann es eine erfolgreiche Politik gegen den Rechtsextremismus nur geben, wenn wir nachhaltig und umfassend am Abbau von fremdenfeindlichen Einstellungen und Empfindungen arbeiten.

Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie in dieser für die Bundesrepublik insgesamt äußerst beschämenden Situation entschlossen die klare Konsequenz zieht:

Wir brauchen im Kampf gegen den Rechtsextremismus 1. eine wesentlich stärkere Förderung der gesellschaftlichen Kräfte und Initiativen, die sich gegen Nazis, gegen Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie einsetzen, als bisher. Wir begrüßen, dass alle im Bundestag vertretenen Parteien dies am 22. November 2011 in ihrer Erklärung ähnlich formuliert haben.

Wir brauchen aber 2. eine deutlich verbesserte Förderung derjenigen zivilen Akteure, die den interkulturellen Dialog und die menschlichen Begegnungen im alltäglichen Zusammenleben nachhaltig fördern. Der Abbau von Rassismus gelingt im Alltag, er ist mit neuen Erfahrungen und Begegnungen verknüpft. Die Wertschätzung der beeindruckenden Vielfalt, die unsere Gesellschaft heute auszeichnet, wird vor allem in der lebendigen Kommunikation vor Ort gestärkt.

Wir fordern daher die Bundesregierung auf, unverzüglich finanziell wesentlich besser ausgestattete Programme als bisher aufzulegen, die es den Ländern, Kommunen und Bezirken ermöglichen, beiden zivilgesellschaftlichen Zielen effektiv gerecht werden zu können.

Friedrichshain-Kreuzberg, den 08.12.11

Bündnis 90/Die Grünen

Vorsteherin Frau Kristine Jaath