12. Sitzung • Plenarprotokoll 16/12

Clara Herrmann (Grüne):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

  1. Wie viele junge Menschen haben in diesem Ausbildungsjahr – 2006/2007 – noch keinen Ausbildungsplatz erhalten bzw. befinden sich in berufsvorbereitenden Maßnahmen und ähnlichen Warteschleifen, und welche konkreten Maßnahmen unternimmt der Senat derzeit, um die Ausbildungsplatzsituation in Berlin zu verbessern?
  2. Mit wie vielen Ausbildungsplatzsuchenden insgesamt – also Schulabgänger/-innen und sog. Altnachfrager/ -innen – ist in diesem Jahr zu rechnen, und mit welchen konkreten Maßnahmen will der Senat sicherstellen, dass im Ausbildungsjahr 2007/2008 die Ausbildungslücke nicht nur rein rechnerisch, sondern tatsächlich geschlossen wird, sodass jede/r ausbildungswillige Jugendliche einen Ausbildungsplatz erhält?

Präsident Walter Momper:

Für den Senat beantwortet die Senatorin für Soziales die Frage.

Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner (Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales):

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Herrmann! Sie haben ein ziemlich umfassendes Programm nachgefragt. Ich möchte das gleichwohl gern beantworten. Die Situation ist so, dass es nicht nur in Berlin, sondern auch bundesweit ein Problem gibt, über das wir alle nicht besonders glücklich sein können. Das Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen und die Nachfrage nach Ausbildung klaffen erheblich auseinander. Seit einigen Jahren gelingt es nur mit Hilfe öffentlich finanzierter Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, diese Lücke zu schließen. Damit ist wenigstens ein rechnerischer Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage hergestellt, in Berlin mit einem erheblichen Engagement des Berliner Senats.

Der Sonderkommission Ausbildungsplatzsituation lagen im März zur Bilanz 2006/2007 folgende Zahlen vor: 19 400 neue Bewerberinnen und Bewerber, 4 800 davon haben Berlin zur Bundeswehr und anderen Maßnahmen verlassen. Hinzu kommen 20 500 sogenannte Altbewer-ber. Ende Januar 2007 waren noch 2 172 Jugendliche unversorgt, 2 537 Ausbildungs- und Qualifizierungsangeboten standen dem gegenüber.

René Stadtkewitz (CDU): Können Sie einen anderen vorlesen lassen?

  • Nein! Ich finde das schon in Ordnung so. Wenn man konkret fragt, möchte man auch konkrete Antworten haben. Zahlen lese ich gern ab, damit sie auch genau sind und Sie nicht hinterher der Meinung sind, dass es wieder nicht exakt war. – Bleiben wir dabei, dass es hier den Grünen im wesentlichen um Zahlen geht. Ich hätte gern auch das Paket an Beantwortung Kleiner Anfragen mitge-bracht, das wir in den letzten Wochen bereits für den Fachausschuss vorgelegt haben. Ich führe diese Diskussion auch gern im Fachausschuss. Was sein muss, muss sein. Deshalb beantworten wir die Frage hier.

Ich komme zu den größten Brocken im einzelnen, die die Ausbildungssituation in Berlin beschreiben. Es gab im März 5 516 neu abgeschlossene betriebliche Ausbildungsplätze. Das ist ein Zuwachs von 2,7 Prozent. Es hat 7 600 staatlich finanzierte Ausbildungsplätze gegeben. Das ist ein Zuwachs von 10,3 Prozent. Hinzu kommen 3 000 Ausbildungsplätze durch das Sonderprogramm Ost. Insgesamt gibt es ein Angebot von 29 200 Maßnahmen zur Berufsqualifizierung mit anerkannten Abschlüssen. Das sind 1 000 mehr als im Jahr.

Die positive Bilanz ist auch nach meiner Einschätzung kein Anlass zur Zufriedenheit. Immer noch bleiben viel zu viele Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz erfolglos. Für diese Jugendlichen haben wir 12 000 Plätze in sogenannten berufsvorbereitenden Maßnahmen bereitgestellt. Diese Maßnahmen werden vor allem Jugendlichen angeboten, die keinen Hauptschulabschluss haben, die einen einfachen Hauptschulabschluss haben, oder jungen Menschen, die lern- bzw. psychische Beeinträchtigungen haben. Ihnen soll mit diesen Maßnahmen der Zugang zur Ausbildung und Arbeit erleichtert werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen! Man kann immer viel über Warteschleifen reden. Fakt ist, dass viele junge Menschen die Schule verlassen, die zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht ausbildungsfähig sind und die es sehr nötig haben, eine zusätzliche Qualifizierung zu bekommen, um eine Berufsausbildung überhaupt durchstehen zu können. Fakt ist aber auch, dass an den berufsvorbereitenden Maßnahmen viele Jugendliche teilnehmen, die eigentlich eine Berufsausbildung beginnen könnten. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass etwa ein Drittel bis 50 Prozent der Jugendlichen diese Ausbildung beginnen können. Sie schaffen aber den Sprung in die Ausbildung nicht, weil es einen Mangel an betrieblichen Ausbildungsplätzen gibt. Sogenannte Warteschleifen für diese Jugendlichen, die auf irgendetwas vorbereiten, was nie kommt, sind besonders motivierend. Angesichts dieser Situation sind dem Senat zwei Dinge besonders wichtig. Erstens: Die Angebote der Berufsvorbereitung müssen sich von Wartenschleifen in Bildungs-ketten entwickeln. Dabei haben wir in Berlin mit der Ein-führung von zertifizierbaren Qualifizierungsbausteinen erhebliche Fortschritte erzielt. Ich konnte mich gerade vor zwei Tagen auf einer Fachkonferenz davon überzeugen, dass wir in dieser Hinsicht bundesweit vorbildlich sind. Der Erwerb von zertifizierten Modulen für anerkannte Ausbildungsberufe ist keine Sackgasse, sondern die Grundlage für eine Zukunftsperspektive.

Zweitens ist der Senat der Auffassung, dass auch die Ber-liner Wirtschaft, die Unternehmerinnen und Unternehmer, in der Pflicht sind, das Ausbildungsangebot dauerhaft zu steigern. In der Sonderkommission haben wir uns auf eine weitere Steigerung um 800 Plätze auf 16 300 geeinigt. Das ist gerade das Niveau von 2004, kommt aber bei Weitem nicht an das Niveau von 1999 heran. Gerade angesichts der konjunkturellen Entwicklung ist hier mehr möglich. Auch angesichts der Tatsache, dass zunehmend mehr Unternehmerinnen und Unternehmer den drohenden Fachkräftemangel beklagen, ist hier die Initiative der Unternehmen selbst gefragt. Im nationalen Ausbildungspakt zwischen der Bundesregierung und den Sozialpartnern hat man sich auf die Verdoppelung der Ausbildungsplätze verständigt. Davon ist Berlin noch sehr weit entfernt. Das müssen wir ändern. Der Senat wird deshalb die Bemühungen der Wirtschaft weiterhin unterstützen und die Förderung der Berufsausbildung, die im Richtlinienprogramm vorgesehen ist, flankieren. Ein gutes Beispiel dafür ist die Verbundausbildung.

Ein Ausblick ins kommende Jahr: Ende April haben wir 23 978 Bewerberinnen und Bewerber. Das sind fast 5 500 mehr als für dieses Jahr. Wir werden auch im nächsten Jahr sicherlich einen rechnerischen Ausgleich erreichen, aber nicht mehr. Das heißt auch, dass wir jedem Jugendlichen, der ausbildungswillig ist, ein Qualifizierungsangebot machen können. Ich bin sicher, dass das Land Berlin damit einen wichtigen Beitrag zur Senkung der Jugendar-beitslosigkeit leisten wird.

Beifall bei der Linksfraktion und der SPD

Präsident Walter Momper:

Danke schön, Frau Senatorin Dr. Knake-Werner! – Frau Herrmann hat eine Nachfrage und hat dazu das Wort.

Clara Herrmann (Grüne):

Danke! – Frau Senatorin! Ist Ihnen bekannt, dass wir das Thema dreimal im Ausschuss auf der Tagesordnung hatten? Welche Maßnahmen werden Sie einleiten, damit nicht wieder, wie es in diesem Jahr der Fall war, Ausbildungsmittel in zweistelliger Millionenhöhe verfallen, wie zum Beispiel im Sonderprogramm für junge Migrantinnen und Migranten oder bei den Ausbildungsmitteln im öffentlichen Dienst?

Präsident Walter Momper:

Frau Senatorin Dr. Knake-Werner – bitte!

Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner (Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales):

Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Herrmann! Selbstverständlich ist mir bekannt, dass das Thema Ausbildung zweimal im Ausschuss vertagt wurde. Ich bin in diesen Ausschusssitzungen regelmäßig anwesend. Das hat im Wesentlichen damit zu tun, dass die Tagesordnung immer zu voll ist und bestimmte Tagesordnungspunkte nicht mehr bearbeitet werden. Im Übrigen haben wir im Fachausschuss im März über die Ausbildungssituation diskutiert. Dazu lag eine ganze Reihe von Papieren vor. Diese zur Kenntnis zu nehmen, wäre sehr hilfreich, denn dann brauchten wir uns nicht im Plenum mit solchen Detailfragen auseinanderzusetzen.

Zurufe von den Grünen

  • Das darf man doch einmal sagen. Es ist wirklich mühse-lig. Wir beantworten unendlich Anfragen. Das machen wir auch gern. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stecken in die Beantwortung ganz viel Herzblut hinein, aber mir werden immer dieselben Fragen gestellt. Das ist ein kleines Problem.

Zurufe von den Grünen

  • Bleiben Sie ganz gelassen!

Zum zweiten Punkt! – Eigentlich ist nur eine Nachfrage erlaubt, aber ich antworte gern darauf. – Bisher sind noch keine Mittel verfallen – auch das habe ich schon dreimal erklärt -, sondern es wurden Mittel an bestimmten Stellen nicht ausgegeben, weil Ausbildung auch im öffentlichen Dienst leider nicht immer reibungslos ist. Dummerweise gibt es auch im öffentlichen Dienst Leute, die ihre Aus-bildung abbrechen und sich für eine andere Ausbildung entscheiden. Die Mittel dafür werden „verlagert“. Sie ver-fallen nicht, sondern werden weiterhin für Ausbildung eingesetzt.